2012

Samstag, 05.05.2012

Spellbound (Ich kämpfe um dich)

In ihrem engagierten Buch „Kinoanalyse. Plädoyer für eine Re-Vision von Kino und Psychoanalyse“(Schüren, 2011) gelingt Veronika Rall im Kapitel „Loving Analysis“ eine Ehrenrettung von Hitchcocks Spellbound (1945). Die krasse Unterschätzung dieses Films durch Francois Truffaut in „Le Cinéma selon Hitchcock“ – beeindruckte auch mich als junge Leserin, ich gestehe es. Rall schreibt: „Bemerkenswert ist an Truffauts ‚Hitchbook’ (wie er selbst das Projekt nannte) dass er keinen anderen Film des Meisters derart kritisierte wie Spellbound. In den 1962 geführten Gesprächen provoziert Truffaut deshalb in erster Linie defensive oder dem negativen Urteil zustimmende Antworten von Hitchcock. Dabei hat Truffaut Spellbound so oberflächlich angesehen, dass er sogar eine falsche Zusammenfassung des Filminhalts gibt…Möglicherweise hat Truffauts negative Einschätzung des Films das Urteil der Filmwissenschaft und Filmkritik nachhaltig geprägt.“

Als ich Spellbound nach der Lektüre von Ralls „Re-Vision“ wieder sah, erstrahlte der Film in voller Schönheit.

Freitag, 04.05.2012


Zeile 1: Der dreiteilige Film, lies: Der Film
[25. April 1980]

Dienstag, 01.05.2012


Zeile 10, seine Orange, lies: eine Orange
Zeile 18, ihm zum Boss, lies: ihn zum Boss
[20. April 1980]

Sonntag, 29.04.2012

Was ist das? Malerei


Beach Red (1967 Cornel Wilde) Der Filmtitel von Hand auf einen schmalen Zettel geschrieben, so könnte ein Film von Lemke beginnen.

Raus aus den Booten, durchs flache Wasser, über den Strand, ins hohe Gras und rein in den Dschungel, nur ein paar hundert Meter zu Fuß, das ist die Handlung des Films. Das Sujet: Was den Männern im Krieg durch Leib und Seele geht. Der Titelsong, der von der Gleichheit der Gegner im Krieg handelt, wird gesungen von Jean Wallace (Cornel Wildes Ehefrau – in den Rückblenden des Films und im Leben).

„Und manchmal ist Frühlingsstimmung in der Luft, als ob Veilchen u. Liebe dazu gehörten – fast rauscherregend, – O Dionys, wie leicht bist du zu erwecken, schon mit einem blauen Streifen in der Luft!“ (Gottfried Benn, 1945 in einem Brief, nicht an seine Frau)

Was ist das? Der Soldat erschrickt. Vor einer Spinne, die einen Falter frisst? Oder vor dem, was aussieht wie ein Brautkleid? Eine Ballerina?

Oliver Stone präsentierte den Film 1997 als Lieblingsfilm auf dem Festival von Locarno; Platoon (1986) sei von Beach Red inspiriert. Hat man Beach Red gesehen, ist Terrence Malicks Thin Red Line (1998) nur noch halb so originell. Malick ist verschwiegen. Stone hat weniger Fans. Ein Vorbild verraten; das ist doppelt zu verstehen. Preisgabe, Verrat. Kriegsvokabeln.

Ein Soldat, bewaffnet mit einer Kamera. Er duckt sich nicht, sondern beschimpft die Japaner, ob sie verrückt seien, auf ihn zu schießen, und beschimpft die Amerikaner, die ihre Verzweiflung nicht filmen lassen wollen.

Der japanische Scharfschütze, den die amerikanischen Soldaten aus der Baumspitze geschossen haben, ist nur eine Puppe. Die Täuschung hat Leben gekostet. Im leeren Gesicht der Attrappe findet der Zoom einen Ausdruck! Aber welchen?

Das Kino mag Menschen, die sich Bilder machen von ihrer Welt. Forscher, Kinder, Besessene.
Künstler, die an die belebende Wirkung ihrer Kunst glauben, gelten als „naiv“.

Eine der tollsten Wendungen in Cornel Wildes Lebenslauf ist seine Abkehr vom Studium der Chirurgie – hin zur Meisterschaft in der Fechtkunst. Dann, statt mit dem US-Fencing-Team 1936 zur Olympiade nach Berlin zu fahren, zog er die Broadwaybühne vor.

Der Soldat, der die Kokosnusshälften in den Dreck gedrückt hat, ist zufrieden mit seinem Werk. Es erinnert ihn an ein bestimmtes Mädchen.

Ob Georg Tressler Beach Red kannte? Wer kennt Sukkubus (1989 Georg Tressler)?

Dass der besoffene Abend – (Tall Girl Flashback) – nicht ganz in seinem Gedächtnis blieb, ärgert ihn. Die Erinnerung könnte er jetzt gut gebrauchen.

Beach Red ist ein Kriegsfilm, der mit seinen Gedanken oft woanders ist. So wie die Soldaten.

Andrew Tracys Artikel „Beyond Brut: The Art of Cornel Wilde“ richtet sich gegen die „hyper-sophisticated critics who brand and celebrate Wilde as a cinematic brute“. Aber auch Tracy attestiert ihm „naïveté“, insofern das Schaffen des Regisseurs seinen Zweck offenbart, das lebende Bild seiner Frau und leading lady Jean Wallace auf die Kinoleinwand zu bringen.

Cornel Wilde in Saadia (1953 Albert Lewin) und das Bild, das er da malt von Rita Gam.

Ein kurzer Blick in die Filmografie des Schauspielers Cornel Wilde ist ein Blick in die Schatztruhe Hollywoods: Juwelen funkeln zwischen Plunder. Filme vom John M. Stahl (Leave Her to Heaven), De Mille und Dwan, Preminger und Negulesco, Sirk und Dieterle, Delmer Daves, Robert Wise, Nicolas Ray, Lewis Allen (At Sword’s Point, mit Wilde als D’Artagnan jr.), Joseph H. Lewis (The Big Combo, mit Jean Wallace, von Wilde produziert) und Albert Lewin.

Albert Lewin war wie kein anderer Filmemacher fixiert auf die magischen Wirkungen der Malerei, die Schocks, Übertragungen, Belebungen.

Zurück zum Anfang. Einen ganz ähnlichen Vorspann wie Beach Red hat auch Cornel Wildes The Naked Prey (1967): Schrift auf Papier – auf Gemälden.

Dazu ein Hinweis: Die Galerie Susanne Zander in Köln zeigt (noch bis zum 16.Juni) Bilder von Dietrich Orth.

„Beim Beschauen dieses Bildes im Geiste vorn rechts und Schwingen des rechten Arms mit Faust verschwindet nach dem Aufstehen Restmüdigkeit.“

Orth malt „Anwendungsbilder“. In einem Lebenslauf schrieb er vor zwanzig Jahren über sich, er habe 1977 das Abitur „nachgeworfen bekommen. – Ich fühle mich als Zwerg. – Ich studiere und genieße die Vollkommenheit einer Sache, in die ich verwickelt bin, oft stundenlang. (…) – Mein Credo: Das Beobachten und Bearbeiten des kleinsten Teilchens der Zufriedenheit ist die stärkste Waffe gegen Chaos.“

Im Kleeblatt meiner Lieblingsmaler – Bosch, Rops, Wölfli – ist Orth mein D’Artagnan.

„Rosemary, die Rockerbraut, wie sie bei Dämmrigkeit über Musikgenuß und Visualisierung dieses Bildes durch Andere sich diesen zugänglich macht.“


Rip Torn in Beach Red

Nietzsche fand, nur als ästhetische Phänomene hätten wir unsere höchste Würde – „während freilich unser Bewusstsein über diese unsere Bedeutung kaum ein anderes ist, als es die auf Leinwand gemalten Krieger von der auf ihr dargestellten Schlacht haben.“

Nach rechts schwenkt die Kamera über ein Schlachtengemälde… auf den Nacken von Rip Torn, der sich aus dem Gemalten, wie aus einer Tarnung heraus, umwendet und Kautabak abbeißt, …und weiter schwenkt die Kamera nach rechts aufs graue Meer… (so was geht nur in 2D). Eine seltsame Idee für den Anfang eines Kriegsfilms. Wie aus einer Komödie der Zucker-Brüder.

Airplane! (1980 David Zucker, Jim Abrahams & Jerry Zucker) Die Malerei, wird hier gesagt, sei Therapie eines Kriegstraumas. Ein Schwenk geht von der Staffelei auf den, der da tatsächlich vor einem zertrümmerten Jeep, sein Bein hinterm Kopf, in der Linken eine Babypuppe, starr Modell steht.

Georges Sanders in The Private Affairs of Bel Ami (1947 Albert Lewin), und das Bild, das Max Ernst im Auftrag für diesen Film gemalt hat.

Zu dem Nietzschezitat will ich noch verraten, daß ich mit Vorliebe aus Büchern zitiere, deren Lektüre für mich nicht zur Gänze vergebens gewesen sein soll.

Zum Schluss die Frage: Liegt vielleicht „unsere höchste Würde“ in der Ohnmacht?

Das von den Indianern farbig in den Sand gemalte Bild in A Distant Trumpet (1964 Raoul Walsh).

„Im Hintergrund immer ein breiter, lehmiger Wasserfall“
(Helmut Färber: Filmbeschreibung in Filmkritik 10’/1969)

Dienstag, 24.04.2012


Zeile 7: wirkt wie ein Traum, lies: ist ein Traum
Zeile 9/10: treibt’s mit einem Mädchen, lies: vögelt mit einem Mädchen
[6. April 1980]

Freitag, 20.04.2012


[30. März 1980]

Dienstag, 17.04.2012


[30. März 1980]

Kinohinweis (Berlin)

Über Wassilij Schukschin weiß ich wenig, ich verstehe kein Russisch, die Umschriften des Namens sind verschieden, Vasili Shuskin, Vasilij Šukšin… – solche Gründe. Fünf Filme hat er als Regisseur gemacht zwischen 1964-1974, 1974 starb er an einem Herzinfarkt (anderswo heißt es: Magendurchbruch). Er war Schriftsteller, Regisseur, Schauspieler. 2009 gab es eine Retro seiner Filme im ÖFM, auf deren Seite steht: „Als sich am 2. Oktober 1974 die Nachricht verbreitete, dass Vasilij Makarovič Šukšin im Alter von 45 Jahren an einem Herzanfall verstorben war, stand für kurze Zeit ganz Moskau still. Šukšin – Schriftsteller, Schauspieler, Regisseur – war die rarste Art von Filmemacher: der ­auteur als Volksheld. Jeder Sowjet-Bürger der 60er und 70er Jahre kannte ihn, seine Gestalt und seine ­Ge­stalten, und erkannte sich darin.” Weil entuziazm Teilnehmer des Living Archive Projekts ist und sich in diesem Rahmen um Archivzugänge im Jahr 1978 kümmert und weil 1978 seine Filme im Forum liefen, ist heute um 19.00 Uhr im Arsenal 2 „Shiwjot takoj paren” zu sehen, bei freiem Eintritt. BW, Mitglied der Ferroni Brigade, schreibt mir gestern von der Retro im Österreichischen Filmmuseum vor 3 Jahren, „die Hütte war – bei allen 5 Abenden – VOLL, man glaubt es nicht, und die Begeisterung war schlicht und einfach riesig.” Und: „Zivet takoj paren‘ ist dabei glaub ich mein Lieblingsfilm. Der ist noch nicht so ‚verbissen’”. Leider hat sie heute keine Zeit zu kommen. Im Wakeman steht, der Film sei „electrifyingly far from the predictable optimism of the average Soviet movie, presenting a hero who is a boastul and hard-drinking seducer, and the people he meets as ‚living lives of quite desperation’”. Mehr zu Schukschin und den Filmen findet man auf den 8 Seiten des Informationsblatt des Forums, ein pdf.

Samstag, 14.04.2012

Oliva Oliva (D/F 2006) von Peter Hoffmann im Regenbogenkino in Berlin, Sonntag, 15.4.2012, um 19.30

Das ist ein Film, der alles zuhilfenimmt, was er nur hat, um einen Aufenthalt in Spanien zu beschreiben: zehn Tage im August und eine Woche im September 1998 in der Extremadura und in Salamanca und Valero.
Was er hat (aus eigenen Mitteln), ist karg: Super8-Aufnahmen in Farbe und schwarz-weiss, Fotografien, O-Töne und ein Tagebuch, das vom Autor, Tag für Tag kommentierend, gelesen wird. Eine Arbeitssituation – nein: eine Lebenssituation – wird beschrieben: „die Welt der Imker“ – „die Arbeit in den Bienenständen und in der Werkstatt, Tag- und Nachtfahrten im LKW, mit Nono [einem Freund] unternommene Ämtergänge, auch einen Sonntagsausflug mit seiner Mutter in die Sierra de Francia, das Stadtfest von Salamanca und die anstrengenden Nächte in der Stadt …“ Peter Hoffmann hat nicht nur gefilmt, er hat sich in der spanischen Hitze auch an der Arbeit beteiligt.
Das ist alles ganz anders, als man es sich vielleicht so vorstellen mag: was man hier mitbekommt, ist ein bedrängtes, zwischenfallreiches, intensives Leben – immer „on the edge“, aber mit guten Momenten freundschaftlichen Zusammenhalts.
(Ausschnitte aus Las Hurdes von Buñuel zeigen, dass es auch da um die Imkerei ging: die Gegend grenzt an die an, in der Peter Hoffmann gedreht hat.)

Freitag, 13.04.2012


[9. März 1980; drittletzte Zeile »stürzt die Traumwelt des Jungen«, lies »stürzt die Traumwelt: des Jungen«]


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