2013

Samstag, 14.09.2013

Aufgeschoben

„Es gehört wesentlich zur Malerei, dass sie nicht berührt wird. Dem Bild im Allgemeinen ist es wesentlich, dass es nicht berührt wird. Das macht seinen Unterschied zur Skulptur aus. Diese bietet sich zumindest entweder dem Auge oder der Hand dar – aber auch dem Gang um sie herum, dem Gang, der sich fast bis zum Berühren nähert und sich entfernt, um zu sehen. Doch was ist das Sehen, die Sicht, wenn nicht, unzweifelhaft, ein aufgeschobenes Berühren? Was aber ist ein aufgeschobenes Berühren, wenn nicht ein Berühren, das den Punkt restlos – bis zu einem notwendigen Übermaß – zuspitzt oder herauszieht, die Spitze und den Moment, an dem sich die Berührung von dem, was sie berührt, im Moment des Berührens selbst ablöst?“
Fragt Jean-Luc Nancy in Noli me tangere, deutsche Ausgabe bei diaphanes, 2008

Sonntag, 08.09.2013

Friedhofsspaziergänge

Alle warten auf Teil II von „Karten und Pläne“ da will ich nur schnell noch ein Buch empfehlen, das auch für Menschen mit schlechtem Orientierungssinn sehr lesbare Karten von
den wichtigsten Berliner Friedhöfen enthält. So konnte ich eine Schülergruppe auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof problemlos zum Grab von Friedrich Schinkel führen, – das sich übrigens in einem sehr gepflegten Zustand befindet. Was sich von vielen seiner Bauten leider nicht behaupten lässt, skandalösestes aktuelles Beispiel: die Friedrichswerdersche Kirche, die durch die Bauarbeiten des Luxuswohnprojekts ganz dicht daneben Risse im Gemäuer hinnehmen musste. Der Baustopp ist inzwischen wieder aufgehoben und man muss das Schlimmste befürchten. Da bewahrheitet sich leider eine Geschichtsvergessenheit und Pietätlosigkeit, die in Berlin besonders krasse Formen annimmt. (siehe Hanns Zischler: „Berlin ist zu groß für Berlin“) Der DDR war die Schinkelsche Bauakademie einfach nur im Weg.
So bleiben aber wenigstens die Friedhöfe, die auch abgelöst von den ursprünglichen Gestaltungszielen eine Kultur bewahren, die außerhalb der geschützten Zone so nicht mehr existiert. „Wie durch ein geöffnetes Geschichtsbuch“, so der Autor, könne man hindurchgehen.
Ingolf Wernicke, Berliner Friedhofsspaziergänge, Jaron Verlag, Berlin, 2010, herausgegeben vom Berliner Landesverband der Deutschen Kriegsgräberfürsorge und der Stiftung Gedenken und Frieden

Montag, 02.09.2013

Neubeleuchtungen

„Westberlin hatte bestimmte Wandlungen ins Kalte und Amerikanische nicht mitgemacht. Es wurde zu einem Ort für Menschen eigener Art, von denen wir einigen in diesem wehmütigen Film, der voll tiefen Wissens ist, begegnen. Einzelgänger aller Schattierungen kamen damals aus dem Bundesgebiet, Zweifler, Sensible, vom Aroma der Stadt Faszinierte, deren bizarres, merkwürdiges Klima sie genossen.“
So schreibt Peter Nau in einem Text über den (mir unbekannten) Film „Mmh“ von Karl Heil (1981) und findet damit eine treffende Form, die Menschen zu beschreiben, denen wir hier gebliebenen West-Berliner begegnen durften. Das kluge Buch reist durch Berlin-Filme und die selbst erfahrene Stadt, von Ost nach West und hält Momente des Glücks und der Wehmut fest, Augenblicke der Erkenntnis, was verloren ist und was noch aufbewahrt bleibt. Eine ganz besondere Art von Dankbarkeit, die in einer kleinen Skizze des Himmels oder eines entscheidenden Filmmoments zum Ausdruck kommt.
„Gäbe es die Unterbrechungen des Daseins nicht, nie käme es zu Neubeleuchtungen aller Dinge, nie zu einem neuen Epochenmorgen.“ (Nau)
Peter Nau: „Irgendwo in Berlin“, Reihe Filit, Band 10, Verbrecher Verlag, Berlin, 2013

Freitag, 30.08.2013

Karten und Pläne

Christophe Colomb (Gaumont production 1910)
Christophe Colomb (1910 Louis Feuillade)

Landkarten, Globen und handgezeichnete Pläne im Kino. Eine der eindrucksvollsten Bildersammlungen, die mir bislang im Internet begegnet sind, hat Roland-Francois Lack zusammengetragen. Auf Nebenpfaden seiner verwinkelten Webseite begibt sich The Cine-Tourist mit detektivischer Leidenschaft an die Schauplätze der Filme von Capellani, Feuillade, Becker, Chabrol… – oder er trauert um Bernadette Lafont.

Le Chevalier de Maison Rouge (Albert Capellani 1914)
Le Chevalier de Maison Rouge (Albert Capellani 1914) via

„Wenn wir eine Weile in einem gewissen Weltbereich gelebt haben und viele Wege darin gegangen sind, bildet sich in uns ein Netzwerk all dieser Wege in Form einer inneren Landkarte.“
Das schreibt Klaus Wyborny in seinem langerwarteten und jetzt endlich erschienenen Buch „Elementare Schnitt-Theorie des Spielfilms“.

„Diese im Bewusstsein entstehende Landkarte ist etwas äußerst Seltsames. In ihr steckt ein Großteil unserer Lebenserfahrung, in einer merkwürdig wabernden Gesamtheit, worin wir plötzlich aber auch in Details einzutauchen vermögen, die unglaubliche Präzision und Schärfe aufweisen. Dann wieder enthält sie unklare Bereiche, von denen wir gerade mal wissen, dass es darin eine Straße gibt. Solche Landkarten gehören für uns zu den wichtigsten Verankerungen in der Welt, in ihnen findet man das, was man die ‚eigene Heimat‘ nennt. Diese Heimat ist in unserem Bewusstsein auf seltsame Weise ganz und – in paradoxem Sinn – weglos geworden: Weil es so zahlreiche Wege darin gegeben hat, dass sich diese zu einem Gefühl von Verbundenheit verdichteten.“ (Wyborny)

Les Vampires (1916 Feuillade)
Les Vampires (1916 Louis Feuillade) via

„… man müsste da sagen, dass sich eine ganze Anzahl von früher bemerkten und anfangs sogar zur Orientierung benutzten Einzelheiten inzwischen sozusagen eingeebnet hatten – beispielsweise wurde das große rote Schild eines Teegeschäfts beim Heimfahren nicht mehr beachtet, welches lange Zeit hindurch die Einbiegung der Strecke zum Park und die richtige Aussteigestelle verlässlich vorgemerkt hatte. Nein es gab jetzt Dutzende anderer bemerkter Weiser, an die man sich einzeln halten konnte, jedoch tat man nicht einmal das mehr: der ganze Brei zusammen genügte stumpf und sicher für den Weg.“ (Heimito von Doderer: „Ein Mord den jeder begeht“)

Male and Female 1919 Cecil B. DeMille
Reiseplanung in Male and Female (1919 Cecil B. DeMille)

Das ist einer jener Filme von DeMille, in denen mittendrin auf einer Wegstrecke ein Unfall die Karten neu mischt: die Klassenverhältnisse, Männer/Frauen, die Welt fängt neu an, von vorne. Luc Moullet hat darüber sehr schön geschrieben.

sundown 1941 hathaway
Gene Tierney landet am Rhino Rock, in Sundown (1941 Henry Hathaway)

„Man tritt in ein unbekanntes Geschehen und bemüht sich, eine Vertrautheit mit diesen Örtlichkeiten zu entwickeln. Wesentliche Teile des narrativen Systems versuchen, dem Zuschauer die Bildung einer ähnlichen Landkarte zu ermöglichen, wie man sie zur Orientierung in der eigenen Umgebung verwendet.“ (Wyborny)

1951 - Lightning Strikes Twice - King Vidor a

1951 - Lightning Strikes Twice - King Vidor b
Überblendungen in Lightning Strikes Twice (1951 King Vidor).

„Von besonderem Interesse sind im Film daher Situationen, in welchen der Held ein Terrain erkundet, das auch ihm noch unbekannt ist. Dann stehen wir mit ihm auf Augenhöhe und es entsteht eine filmspezifische Spannung.“ (Wyborny)

„Wo man was erlebt, dort ist man bald daheim.“ (Doderer)

Le Trou (1960 Jacques Becker)
Le Trou (1960 Jacques Becker)

Aber kein Plan kann schöner sein als der eines Ausbruchs.

Pepe le moko (Julien Duvivier, 1936)
Pepe le moko (1936 Julien Duvivier)

Ein Polizeikommissar schaut auf kartografiertes und dennoch unwegsames Gelände: Die Kasbah von Algier. Der Gejagte (Jean Gabin) muss aus seinem Refugium herausgelockt werden.

„Der Aal verlässt sein Saragossameer, um in seinem Heimatfluss zu laichen. Er lässt sich von der Strömung und allem Möglichen leiten, gewiss aber nicht von einer Landkarte oder Begriffen wie Zukunft und Vergangenheit. Er jagt einen Zustand, in dem er sich befinden, der er sein möchte, er flieht vor einem Zustand, der er gewesen ist. Die Verbindungslinie besteht gewöhnlich in einer Geraden mit einer Spitze. Sie ist ein Pfeil. Er ist dieser Pfeil. Er folgt der Idee, die er von sich hat. Er jagt dieser Idee, die er von sich hat, in ein Äußeres in ein Unbekanntes hinein. Dies Äußere nennen nur wir Menschen Raum.“ (Wyborny)

Charlie Chan In Panama 1940 - Norman Foster
Charlie Chan In Panama (1940 Norman Foster) via

Würde das X den Ort markieren an dem eine Bombe platziert werden soll, dann müsste uns die Sache keine Sorgen machen, sagt Charlie Chan, denn er weiß: Dies ist der Plan eines Friedhofs.

Rohrpost Paris
Und das sieht fast so aus wie ein Filmschnitt-Diagramm von Klaus Wyborny, ist aber die Pariser Rohrpost. *

Verknüpfungen „zwischen zwei der Erregung fähiger Wesen“ sind das Kleingedruckte in Wybornys Schnitt-Theorie. Das „Kollisionspotenzial“ ist ihr verstecktes Zentrum. „Kollisionsschnitte“, schreibt er, seien „so ungefähr das Komplizierteste, was das narrative System leistet. Deshalb bleiben sie, außer in ihren einfachsten Formen, vielen Regisseuren relativ rätselhaft. Ich meine sogar, dass sie nur im kalifornischen Kino der 1950er und 1960er Jahre von Regisseuren wie Hawks, Vidor, Ford, Walsh, Dmytryk, Hathaway, Mankiewicz, um ein paar zu nennen – sowie vor allem Hitchcock und dem in der Inszenierung von Außenaufnahmen noch erstaunlicheren Anthony Mann – einigermaßen begriffen wurden.“

39 Steps
39 Steps (1935 Alfred Hitchcock)

the furies 1950 anthony mann
The Furies (1950 Anthony Mann)

Nur selten kann eine Landkarte im Film Orientierung stiften, häufiger knüpft sie lose an ein Vertrauen an, sie beglaubigt Autorität, oder aber sie stellt die Macht in Frage.

Prince of Foxes -1949- Henry King
Prince of Foxes (1949 Henry King)

Cesare Borgia (Orson Welles) beobachtet durch ein Loch in der Wand den Mann, den er mit einem Auftrag auf den Weg schickt: nach Venedig.

Reisebefehle, Mordaufträge, Planungen ganz allgemein wecken Misstrauen gegen die Mächtigen, das Schicksal, die große Geschichte.

1931 - Heroes for Sale - Wellman
Heroes for Sale (1933 William Wellman)

Arbeitssuchende werden von riesigen Plakaten abgewiesen, weggeschickt ins Nirgendwo, in eine Landkartenmontagesequenz. We can’t take care of our own. Das Wir entscheidet. Die Slogans der Bundestagswahl wollen entsprechend der Wortkombination „Rotgrün“ aneinander montiert werden: Das Wir entscheidet. Und du? Was willst du noch?

detour - ulmer
Detour (1945 Edgar Ulmer)

„Who knows the city? Only those who walk, only those who ride the bus. Forget the mystical blatherings of Joan Didion and company about the automobile and the freeways. They say, nobody walks; they mean no rich white people like us walk. They claimed nobody takes the bus, until one day we all discovered that Los Angeles has the most crowded buses in the United States. The white men who run the transit authority responded to the news not by improving service, but by discouraging ridership. They raised fares. They stopped printing maps of the bus system. They refused to post route maps or schedules at bus stops. They put their money into more glamourous subway and light rail projects.“ (Thom Andersen: Los Angeles Plays Itself)*

danger diabolik 1968
Danger: Diabolik (1968 Mario Bava) via

Lange habe ich gewartet. Endlich gibt es Neues zu lesen von Pico Be. Zwei schillernde Überblendungstexte, überbordende Pendlerschriften – zwischen München und Berlin.
„München, von Mönchen erbaut, von Bier gestillt, Ort des blauen Himmels und himmlischer Gleichgültigkeit, und dann Berlin, die Stadt im Sumpf. Denn nichts Anderes bedeutet Berlin in seinem slawischen und altpolabischen Ursprung – schlammiger Sumpf und Morast.
Wir müssen uns also diese Busfahrt vorstellen wie die Busfahrt in dem Film Der Weg, der zum Himmel führt von Luis Buñuel, nur rückwärts betrachtet, als würden wir uns den Film rückwärts anschauen. Der Weg führt nach unten und zurück in der Zeit.“

Und interessanterweise, das kann kein Zufall sein, fühlt sich der Reisende schuldig – „so schuldig wie der Knabe in Buñuels Das verbrecherische Leben des Archibaldo de la Cruz eines Verbrechens für schuldig befunden wird. Des Verbrechens, kraft böser Gedanken seinen Mitbürgern Tod und Unglück zu bescheren.“

village of the damned - wolf rilla
Village of the Damned (1960 Wolf Rilla)

Kinder testen Schule. Meine Lieblingsstelle in diesem Kurzfilmportrait des Fundus Theaters ist bei Minute 5:30, wenn während der psychogeografischen Erkundung des Schulgebäudes ein Junge sagt: „Ich bin hier auch schon einmal vorbeigegangen und hab mich gewundert; ich hatte plötzlich ein ganz schlechtes Gewissen.“ Mit Erstaunen wird nachgefragt: „Ein schlechtes Gewissen? Hier an dem Ort, wo man die Schuhe vor der Klasse auszieht, kriegt man ein schlechtes Gewissen?“ – „Hab ich jetzt auch!“

Les Misérables - 1934 - Raymond Bernard
Les Misérables (1934 Raymond Bernard)

Ein Verzweifelter (Harry Baur) studiert eine Karte. Sie sagt ihm, dass er wählen muss: Seiner inneren Stimme folgend vor ein Gericht treten oder einer Sterbenskranken das lang vermisste Kind herbeischaffen. Beides eilt. Beides ist unvereinbar. Die Geografie lässt es nicht zu.

1950 - Mister 880 - Edmund Goulding
Mister 880 (1950 Edmund Goulding)

Der alte, bescheidene Geldfälscher, der immer nur Ein-Dollar-Noten druckt, verbirgt in seinem Kleiderschrank einen gewissenhaft markierten Stadtplan. Der junge, ehrgeizige Fahnder studiert an großen Wandkarten, nach welchem Prinzip seit vielen Jahren die Blüten in New York gestreut werden.

Mister 880 - 1950 - Edmund Goulding
Burt Lancaster in Mister 880 (1950 Edmund Goulding)

Eine eigenartige Spannung liegt über diesem Film. Die Mühe, Sorgfalt, Leidenschaft, mit der dem amateurhaften Straftäter nachgeforscht wird, der Arbeitsaufwand kann uns nur unangemessen vorkommen. Aus dieser falschen Proportion baut sich der Film ein überzeugendes dramatisches Dilemma.

Armistice Day Blizzard of 1940
Armistice Day Blizzard of 1940

In Gerhard Lamprechts Emil und die Detektive (1931) hängen an den Wänden des Polizeireviers, so groß wie Stadtpläne, die Plakate von Fingerabdrücken.

High Sierra (1941 Raoul Walsh)
High Sierra (1941 Raoul Walsh) via

Ungezählt: Die Karten auf denen die Polizei eine Menschenjagd plant. Aber noch nie war eine Straßensperre erfolgreich. Nicht im Kino.

Ende des ersten Teils

Im zweiten Teil geht es dann um Karten, Pläne, Väter und Söhne.

Montag, 26.08.2013

„Winter Adé“ von Helke Misselwitz

Im Berliner Zeughauskino läuft am Freitag, den 30.8. um 19.30 der Film „Winter Adé“ in Anwesenheit der Regisseurin und mit einer Einführung von Tobias Hering.
„Helke Misselwitz Werk scheint sich – wie die Werke vieler anderer DDR-Dokumentarfilmer – einer Vergangenheit einzufügen, die abgeschlossen wirkt. Die Filme werden vor allem als Erinnerung an eine untergegangene gesellschaftliche Realität wahrgenommen und nicht mehr unabhängig davon in ihrer ästhetischen Einzigartigkeit. Und sie sind doch so viel mehr.

Aus Sicht der Protagonisten der Nouvelle Vague gibt es ja keine wirkliche Trennung zwischen Dokumentar- und Spielfilm. Diese Nicht-Anerkennung der Grenzen fasste Frieda Grafe so zusammen: „Bilder im Kino sind zuerst Dokumente aus der Welt der sichtbaren Dinge.“

Die Bilder, für die sich Misselwitz in ihrem Dokumentarfilm „Winter Adé“ (1988) entscheidet, auch die am Wegrand, am Schienenweg, die sie aufsammelt, die Ausschnitte, die sie findet, die Abbrüche, die sie verantwortet, die Zufälle, von denen sie sich finden lässt, all das lässt einen tief bewegenden Film entstehen…“ (Schrieb ich in shomingeki Nummer 24 /2012)

Freitag, 23.08.2013

langtexthinweis

Neu auf der Langtextseite zu lesen ist ein Text von M. Freerix:
Gaëlle Rouard – Bilderlawinen und traumhafte Erratik

Sonntag, 18.08.2013

Berliner Zerstörungseuphorie

Das großartige Buch von Hanns Zischler „Berlin ist zu groß für Berlin“ (Galiani Berlin, 2013) ist selbst für geborene Berliner eine Spuren- und Schatzsuche – nicht nur nach dem Verlorenen, Zerbombten, Zerstörten, sondern auch dem Aufgegebenen, sinnlos für das Schlechtere Preisgegebenen. Trotzdem ist es auch ein Trost, nicht nur durch das wunder- und sonderbare Bild- und Kartenmaterial, das Entdeckungen erlaubt, sondern durch den Hinweis auf verbliebene Schönheit und Gelungenheit.
Besonders begeistert hat mich das Kapitel „Das Stadtbild gehört uns“ – ein Satz des hellsichtigen Kritikers Karl Scheffler, den Zischler darin ausgiebig zitiert. Nach der Fertigstellung des neuen Doms – eines der Projekte der Bauwut der wilhelminischen Zeit, die Zischler „Zerstörungseuphorie“ nennt – schreibt Scheffler angesichts des größenwahnsinnigen Neubaus, für den der alte Dom gesprengt worden war:
„Wenn der Plan, in Berlin eine neue Domkirche zu bauen…immer wieder vertagt worden war, so war im wesentlichen das Gefühl für die Wichtigkeit und Verantwortlichkeit der Aufgabe schuld daran. Die Beteiligten, zu denen auch Schinkel gehörte, empfanden, dass das Beste gegeben werden müsse, was moderne Baukunst zu leisten vermag.“ Selbst „mit der Fülle seines nachgeborenen Genies“ seien Schinkel keine überzeugenden Entwürfe gelungen, denn: „Er fühlte, und mit ihm seine Zeit, zu romantisch-hellenisch, zu goethisch-heidnisch, um eine schlichte protestantische Predigthalle vorschlagen zu können; und andererseits blieb ihm die Idee einer kalten Repräsentationskirche fremdartig.“
Zischler sieht bei Scheffler das Beharren auf „einem gemeinschaftlichen Besitz“ der Stadt und ihres Bildes: „Was in der ‚kalten Wüste Berlins’ seit der Gründerzeit hochgezogen und ins Breite gedehnt wurde, geht mit einer grotesken und gefährlichen Einseitigkeit der Planung einher: die Residenzstadt hat sich zur imperialen Metropole gemausert (Dom) und die Volksvertretung vor das Tor gesetzt (Reichstag)“

Dienstag, 13.08.2013

Mr. Hitchcock, was haben Sie da gemacht?

Family Plot

Topaz

Torn Curtain

Marnie

The Birds

Pycho

North by Northwest

Vertigo

The Wrong Man

Rear Window

Dial M for Murder

I Confess

Strangers on a Train

Strangers on a Train b

The Paradine Case a

The Paradine Case b

Notorious

Spellbound

Lifeboat

Shadow of a Doubt

Foreign Correspondent

Rebecca

Sabotage

The 39 Steps

The Man Who Knew Too Much

Blackmail

The Manxman

The Ring

via

Samstag, 10.08.2013

Peter NAU - Im Solde Satans

Donnerstag, 08.08.2013

Nichts

In seiner scheinbar häufigsten Erscheinungsform, als illusionszerstörende Ironie, interessiert mich der Blick in die Kamera nicht. Denn im Schatten dieses Scherzes, der alt ist, bleibt ein Rätsel ewig jung: Wie kann ein Regelbruch so häufig unbemerkt geschehen? Vielfach verleugnet, vielfältig wirksam, auf dem unerforschten Meeresboden des Kinos.

1927 - The Ring - Alfred Hitchcock
The Ring (1927 Alfred Hitchcock)

We Faw Down 1928 Leo McCarey
We Faw Down (1928 Leo McCarey)

1935 - The Murder Man - Tim Whelan
The Murder Man (1935 Tim Whelan)
Virginia Bruce: „Go away someplace where you can do something worthwhile.“
Spencer Tracy: „What is worthwhile?“

The Masseurs and a Woman - Hiroshi Shimizu
Anma to onna / The Masseurs and a Woman (1938 Hiroshi Shimizu)

1940 John Carradine - Brigham Young - Hathaway
Brigham Young (1940 Henry Hathaway)
John Carradine: „Halleluja!“

1948 - behind locked doors - Boetticher
Behind Locked Doors (1948 Budd Boetticher)

Valerie Hobson in Blanche Fury 1948 Marc Allegret
Blanche Fury (1948 Marc Allegret)
Valerie Hobson: „I don’t know myself as well as I did.“

1948 - Moonrise - Frank Borzage
Moonrise (1948 Frank Borzage)

1949 - Prince of Foxes - Henry King
Prince of Foxes (1949 Henry King)

1956 - Joan Crawford - Autumn Leaves - Aldrich
Autumn Leaves (1956 Robert Aldrich)

1957 - Dangerous Exile - Hurst
Dangerous Exile (1957 Brian Desmond Hurst)

1958 - Kim Novak - Bell Book and Candle - Richard Quine
Bell Book and Candle (1958 Richard Quine)

1960 - The Criminal - Joseph Losey
The Criminal 1960 (Joseph Losey)

Bonanza Rain from Heaven (1963 Lewis Allen)
Bonanza: Rain from Heaven (1963 Lewis Allen)

Life at the Top - 1965 - Ted Kotcheff
Life at the Top (1965 Ted Kotcheff)

Donald Pleasence - Wake in Fright - 1971 Ted Kotcheff -
Wake in Fright (1971 Ted Kotcheff)

litan mocky
Litan (1982 Jean-Pierre Mocky)

Olivia Thirlby - 2012 - Dredd - Pete Travis
Dredd (2012 Pete Travis)
Olivia Thirlby: „Welcome to the inside of your head. It’s kind of empty in here.“

Der Blick in die Kamera ist zwar auf uns gerichtet, aber nicht an uns. Wir fühlen, dass dieser Blick im Moment äußerster Verwirrung oder tiefster Erkenntnis, abseits der Welt, bei uns weder Hilfe noch Verständnis sucht, sondern ins Nichts geht. Nirgendwo sonst wäre das Nichts besser anzutreffen als bei uns Zuschauern.


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