2013

Freitag, 14.06.2013

Zugfenster zu Filmstreifen.

Dieses Wochenende, Freitag bis Montag, zeigen Karl Heil & Harald V Uccello ELF FILME im Regenbogenkino, Lausitzer Straße 22

Sonntag, 09.06.2013

Hinweise

* Living Archive. Seit letztem Dienstag und noch bis Ende Juni werden im Arsenal die Ergebnisse des Projekts »Living Archive. Archivarbeit als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart« gezeigt.

* Karl Heil und Harald V Ucello zeigen 11 Filme. Regenbogenkino, Berlin 14. bis 17. Juni 2013.

Mittwoch, 05.06.2013

Invisible Man

Aus Dai Vaughans sehr schönem Buch Portrait of an Invisible Man. The Working Life of Stewart McAllister, Film Editor (London, BFI 1983):

»If we wish, say, to represent a horse in the medium of sculpture, we shall require a block of stone, a mallet and an armory of points, claws and chisels; if we wish to represent one in painting, we shall require brushes, paints and canvas; if we wish to represent one in writing, we shall require only pen and paper: but if we wish to represent a horse photographically, we require film, camera and a horse.« (S. 27)

Auf Vaughan aufmerksam geworden bin ich durch Klaus Wildenhahns Der Körper des Autoren, leider aufgrund eines Büro- und Lagerbrandes im Jahr 2008 fast in der gesamten Auflage vernichtet und nur antiquarisch erhältlich. Portrait of an Invisible Man Buch ist eines der wenigen – das einzige? – Buch eines Cutters über einen anderen Cutter. Vaughan versucht, die Spuren des GPO-Angestellten Stewart McAllister in einer Mischung aus Oral History und Archivrecherche zu rekonstruieren, dessen Anteil insbesondere an Humphrey Jennings‘ Filmen erheblich war. Mein gebrauchtes Exemplar sieht so gut wie ungelesen aus, stammt aus der Bibliothek des Deutschen Filmmuseums Frankfurt/Main und ist dort offenbar ausgemustert worden.

Dienstag, 28.05.2013

Il Vangelo Secondo Matteo

Salvatore, der Held des gleichnamigen Buches von Arnold Stadler sieht Pasolinis „Il Vangelo Secondo Matteo“ und ist gebannt, obwohl mehrere Verwandte von ihm mitwirken, was desillusionierend wirken könnte beim Wiedererkennen. Doch im Gegenteil: Sein Onkel etwa, der den Teufel spielt, versetzt ihn trotzdem in Erschrecken.
Salvatore lässt sich vom Film „evangelisieren“. „Der Text war nun an einer Stelle angekommen, wo der gewöhnliche Verbraucher nicht mehr so einfach folgen konnte oder mochte; die Bilder waren aber so, dass Salvatore und auch den anderen, die dies nicht gesehen haben, wenn sie es gesehen hätten, auf der Stelle „Ja!“ gesagt haben hätten und es geglaubt: dass dies der Messias war, der Sohn des lebendigen Gottes, wenn sie auch nach wie vor kein Wort davon verstanden hätten. Das war die Macht der Bilder. Die Augen besaßen Definitionshoheit über den Menschen…“
(Ein Hinweis auf dieses Buch findet sich in der Jan./Febr.- Ausgabe 2013 der Zeitschrift Communio. Internationale katholische Zeitschrift, im Text von Erich Garhammer, „Epiphanie der Stille“- Arnold Stadler und Hanns-Josef Ortheil)

Montag, 27.05.2013

Peter NAU: Friedensfeier (3)

Montag, 20.05.2013

Filme der Fünfziger X: Primanerinnen

Ein offener Zweisitzer, ein alter DKW, tuckert zu amerikanischem Big Band Swing über eine nahezu autofreie Landstrasse und bleibt schließlich stehen – Thomas (Walter Giller) kann den Schaden nicht reparieren und Regine (Christiane Jansen) muss deshalb nach Frankfurt trampen. „Nazi“ ruft Thomas einem Autofahrer hinterher, der nicht anhält. Bad Hersfeld liegt nahe; dort hat Thomas seine letzten Jahre als Gymnasiast verbracht und mit Ursula (Ingrid Andree) eine Liebesgeschichte erlebt. Ein Volkslied „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er die weite Welt“, begleitet Thomas Ankunft in Bad Hersfeld. Aber es geht nicht hinaus, sondern in einer Rückblende zurück in die Innerlichkeit und eine Vergangenheit romantischer Probleme.

Musiklehrer Tobias Kraushaar(Erich Ponto, die Standardbesetzung für etwas biedermeierhaftige, auch altersweise Autoritäten) öffnet die Pforte zur Zeitreise. Er erzählt von Ursula, die Thomas vor zwei Jahren in Bad Hersfeld bei einer Geburtstagsfeier kennengelernt hatte. Für den Primaner Thomas ist die Perspektive des Alterns ein Problem. Thomas ist zumute, „als müsste man heulen. Man weiß eigentlich nicht warum – vielleicht, weil man nichts ändern kann. Alles ist so vorgeschrieben, das Jungsein und das Altwerden. Vielleicht haben wir jetzt unsere kritischen Jahre, wo man sich entscheiden muss, ob man Bürger sein will oder Mensch. Wenn man nur Mut hätte.“. Der jugendliche Weltschmerz von Thomas ist nicht von langer Dauer. Er verliebt sich in Ursula, die wiederum in stiller Idealisierung von Hans Rühle (Jochen Wolfgang Meyn)verehrt wird. Hans hat für Ursula ein Lied komponiert, das Filmkomponist Hans Martin Majewski zum Leitmotiv für die Liebesgeschichte zwischen Thomas und Ursula umfunktioniert. Thomas läuft in kurzen Hosen herum, Hans Rühle dagegen trägt Anzug und einen Geigenkasten unter dem Arm. Für Hans ist das Leben voller Probleme, Thomas nimmt es leichter. Er lässt sich von Ursulas koketter Zickigkeit nicht abweisen und verbringt mit ihr einen Sommer der Verliebtheit bis Ursula ihrem Vater auf einen entfernten Hof folgt. Thomas bleibt in Bad Hersfeld, macht sein Abitur und zieht nach Hamburg. Jetzt, nachdem er zwei Jahre nichts von sich hat hören lassen, entschließt er sich, Ursula zu besuchen.  Aufs Neue verliebt er sich und aufs Neue muss Ursula ihn ziehen lassen.

Viel Anfang ist mit dem Film verbunden, wenig Neues wird gewagt und manches Missverständnis tut sich wichtig. Rolf Thiele hatte 1946 mit Hans Abich in Göttingen die „Filmaufbau“ gegründet; dies ist seine erste Regiearbeit. Eigentlich sollte Alfred Braun die Inszenierung übernehmen; er spielt als Schmied und Hotelportier zwei kleine Nebenrollen. Für die weibliche Hauptrolle suchte man ganz öffentlich ein neues Gesicht; 1.400 junge Frauen meldeten sich, gewählt wurde Ingrid Andree, die gerade im Thalia-Theater in Hamburg angefangen hatte. Auch für Walter Giller war dies die erste Hauptrolle. Das sollte ein Film der neuen Gesichter werden, ein Film der Jugend. Die literarische Vorlage war die Erzählung „Ursula“ von Klaus Erich Boerner; das Buch war bereits 1936 erschienen und hatte sich in den Kriegsjahren zu einem Bestseller entwickelt. Taufrisch war der Stoff also nicht und auch über die Jugend erfährt man rein gar nichts. An die Adoleszenz-Krise, die Walter Giller in die schwammige Frage fasst, „ob man Bürger sein will oder Mensch“, erinnert sich Ursulas Vater mit den gleichen Worten. Diese Frage haben sich doch alle schon mal gestellt – hatte es in der Vergangenheit keine größere Sinnkrise gegeben?
Es geht auch nicht um „Primanerinnen“, sondern um einen Jugendlichen, der sich nicht zwischen zwei Mädchen entscheiden kann. Chorgesang und Tradition bremsen jeden Ansatz zur Moderne aus; die Anspielungen auf die Gegenwart –in einer Schulstunde wird der Film „Die Sünderin“ diskutiert –wirken wie nachgeschoben. Der Kameramann Georg Krause nimmt nachtschwarze Bilder auf, die einen „Film noir“ alle Ehre machen könnten. Aber Thiele kann mit ihnen nichts anfangen. Interessant sind die Innenräume; die Bürgerstuben sind so vollgestellt als wolle man mit der Menge an Möbeln jeden Freiraum ersticken. Seltsam, dass niemand aus dieser Enge ausbrechen will. Nur Regine, Thomas Freundin, huscht als junge selbständige Frau wie ein Fremdkörper durch die Handlung. Auffällig ist die Abwesenheit von Familie. Ursula wohnt mit ihrem Vater zusammen; im Wohnzimmer beherrscht das Bild der verstorbenen Mutter den Raum. Thomas und sein Freund Hans sind völlig ohne Familie.
Selbst bei den Kostümen – kurze Hosen und Nachkriegsanzug, todschickes Kostüm und biedere Kleidchen –herrscht eine groteske Konfusion an Stilrichtungen. Alles sieht aus wie Gegenwart, sagt aber nichts über sie aus. Es ist, als ob der Film  sich einfach wegduckt. Oder, um es positiv zu sagen: das ist wirklich interessant misslungen.

Im Jahr der „Sünderin“ stand jeder deutsche Film, der das Verhältnis zwischen den Geschlechtern thematisierte, im Verdacht der Unsittlichkeit. Die Primaner  aus Bad Hersfeld protestierten gegen die Vermengung von „pubertätsgeladenem Getue, von Romantik und sexuellem Raffinement“ –oha! Die katholische Filmkritik, sonst immer als erste mit der Moralkeule in der Hand, war diesmal verständig. „Ein Film, der Halbheiten und Kompromisse in der Liebe ablehnt. Deshalb auch für reifere Jugend geeignet.“  Das sahen die evangelischen Moralisten aber ganz anders. Überall lauerte doch der Teufel der Unsittlichkeit: „Wir halten diesen Film für gefährlich und geeignet, unserer Jugend eine völlig falsche Vorstellung über das Verhältnis der Geschlechter zu geben.“  Trotzdem war der Film nur ein Achtungserfolg.

Nicht als DVD, nicht als Video erhältlich

Dienstag, 14.05.2013

Nau_Heil

Samstag, 11.05.2013

Umschlag Geschichte (Forts.)

Die „Aktion saubere Leinwand“ forderte angesichts der sogenannten sexuellen Revolution Mitte der 60er Jahre ein Eingreifen des Staates in die Filmproduktion. Zur gleichen Zeit ließen sich „filmkundige Politiker“ von Alexander Kluge überzeugen, es sei möglich, die vielbeschworene, verlorengegangene Qualität der nationalen Filmproduktion durch staatliche Förderung neu herzustellen. Die damit einhergehende Unterwerfung unter staatliche Kontrolle war von rechts nicht so recht durchzusetzen. Von links mit links.

Als illustriertes Magazin hatte „film“ auf seinen großformatigen Covers Platz für Kampf und Selbstbeherrschung. Im Februar 1967 hieß es im „Notizbuch der Redaktion“: „Eines bewirken unsere Nackedei-Titel nicht: Auflagensteigerung. Die formal überlegt arrangierte Nacktheit – wir haben darauf schon einmal hingewiesen – wird vom Publikum offenbar spontan richtig eingestuft. Verwechslungen mit Erotik-Magazinen finden nicht statt. Nur katholische Buchhändler fürchten die Verwechslung.“
Angesichts der formal überlegt arrangierten Nacktheit in Rolf Thieles Venusberg (1963) war es vorgestern im Kölner Filmhauskino ein Leichtes dahinter zu kommen, warum die Propheten des Neuen deutschen Films keinen anderen Vertreter des „alten“ und „toten“ so sehr verachteten wie Thiele. Man fürchtete die Verwechslung. Das alte und neue deutsche Kino sahen sich nämlich verteufelt ähnlich. (Ein Bildband, der sich den Badewannen und Hallenbädern in den Filmen der Neuen Wellen widmete, wäre unvollständig ohne die ans Schwimmbadfenster in Raureif gezeichneten Art-Brut-Figuren, durch die hindurch die nackten Künstlerinnen zu ahnen sind, in Thieles Venusberg. Fünf Jahre vor Wilps Afri Cola.)

Oberhausen 2010, der Auswahl wegen für Sie Ihn und Paare
Oberhausen, 2010

Wer den Zustand des Kinos beklagt, offenbart lediglich, dass er die richtigen Filme noch nicht kennt. Das wurde vorgestern im Filmhauskino bewiesen mit Nordstadt (2004 Michael Kupczyk). Ich wusste nicht, dass es ihn gibt – den deutschen B-Film, in dem jede Szene ihren Reiz hat, und der etwas schon oft Erzähltes ganz zu recht noch einmal von neuem erzählt, mit glaubwürdiger Härte und überraschender Action, mit einer langen Verfolgungsjagd zu Fuß, und mit einem ganzen Dutzend ausgezeichneter Darsteller, deren Sprechen nicht Drehbuchsätze, sondern Persönlichkeit spüren lässt. Rührend, wie im amerikanischen und französischen Genrefilm der 50er Jahre, wie alle Haupt- und Nebenfiguren das Geschehen demokratisch, also konfliktreich und unvorhersehbar mitbestimmen. Der größte Reichtum des Kinos, glücklich eingefangen in Dortmund vor zehn Jahren. Ich wusste davon nichts.

Ich weiß allerdings: Vom Fernsehen kann unmöglich verlangt werden, mit Filmankäufen die Beweise heranzuschaffen, dass das Beste außerhalb des eigenen Einflussbereiches entsteht. In der Sekunde, in der durch einen Ankauf zu einem anständigen Preis alle rückgestellten Löhne eines unabhängig produzierten Films ausbezahlt werden könnten, wäre das vor fast fünfzig Jahren Erreichte schlagartig zunichte gemacht.

Mittwoch, 08.05.2013

Umschlag Geschichte

Time 1960 - Midi Minuit Fantastique 1962

„Und der Deutsche ist, wie die Erfahrung zeigt, für Filme solcher Art anfällig. Wenn er sie nicht aus dem Ausland beziehen kann, macht er sie sich selbst. Das war schon nach dem ersten Weltkrieg so. Es wurde dann besser. Jetzt scheint die Entwicklung wieder anders zu gehen. Da sich in Deutschland gute Filme offenbar nicht mehr auszahlen, setzt man wieder auf ‚Sex‘.“ (D. Otto Dibelius, Evangelischer Bischof von Berlin, in „Die Kirche“) – Zitat aus „Film“ 6/1965

film 1965-1 und 3

„In einer Heidelberger Diskussion, an der sich Universitätsprofessoren beteiligten, (…) fanden sich denn auch bald genug Stimmen, die ganz unverblümt nach einer staatlichen Zensur für alles, was sich Film nennt, riefen. (…) Kurz vor der Wahl ist es eindrucksvoll einen Kreuzzug gegen die Unmoral zu führen. Nur, man findet da so recht keine Gegner. Denn wer möchte sich selbst in der Öffentlichkeit geringen Moralbewusstseins zeihen? Die SPD steigt da nicht auf die Barrikaden, und die FDP biegt sich ihre Liberalität so zurecht, daß sie die Intoleranz ohne Federlesens toleriert.“ (Reimar Hollmann in „Film“ 6/1965)

„Wir sehen uns alle Filme mit Werner Krauss, Heinrich George, Ferdinand Marian, Christine Söderbaum usw. noch einmal an. Sie sind uns lieber als alles, was uns jetzt vorgesetzt wird.“ (Elise S., Leserbrief an das Hamburger Abendecho, 28.10.1965) – „Ob uns die Tendenz nicht passt, das ist eine andere Frage. Besonders gegenüber der Flut der entsetzlich faden Sex- und Gesellschaftsfilme hat der KOLBERG-Film wirklich eine spannende Handlung.“ (Friedrich-Karl Z., Leserbrief an das Hamburger Abendecho, 28.10.1965) – Beide Zitate aus „Film“ 12/1965

film 1965-8 und 66-11

Notizen der Redaktion (in „Film“ 9/1966): „Alexander von Cube, Kölner Mitarbeiter dieser Zeitschrift, früher Redakteur des ‚Vorwärts‘, heute beim WDR – Cube hat in seiner Besprechung von Truffauts und Richards Mata-Hari-Kolportage ‚Agentin H 21‘ eine kleine Anmerkung über Kino-Nuditäten eingebaut.“ – „Nudität, die spätestens seit Agnès Vardas ‚Le bonheur‘ das Betrachten der Filmzeitschriften so prickelnd und den Konsum der dazugehörigen Zelluloidprodukte so rätselhaft unerotisch macht“. Neben der Enttäuschung, dass die Truffaut-Produktion die Motive für Mata Haris Spionagetätigkeit im Dunkeln lässt, findet Cube etwas anderes bemerkenswert: „wo selbst Opas Kino sich eine kleine Fleischbeschau kaum verkniffen hätte, geht die Avantgarde sittsam hochgeschlossen.“

Die Notizen der „Film“-Redaktion widmen sich eingehend einem „pikanten Zufall“: die Titelbilder der Augusthefte von „Film“ und „Filmkritik“ ! „beide zeigten – jeweils nur in einem anderen Motiv – die zentrale Liebesszene in Formans Film. Das Geschäft freilich hat sich deswegen nicht gehoben: die schmalen Kinder-Körper Formans vermögen gegen Brigitte Sachs (‚Quick‘) und die aus dem Grab geholte Monroe (‚Stern‘) und die Liebe zwischen Frau und Frau (‚Twen‘) und die studentischen Sexparties (‚konkret‘) wenig auszurichten.“

film 1966-12 1967-3

„Die Mischung aus Draufgängertum und Zurückhaltung, mit der wir alle gemeinsam in der Bundesrepublik Kulturpolitik des Films in den letzten Jahren geprobt haben, erinnert mich an die Atmosphäre um Friedrich Wilhelm III. von Preußen vor der Schlacht von Jena und Auerstädt. Die Schlacht ging bekanntlich verloren.
Man muss an dieser Stelle dazu sagen, daß es für ein Ministerium des Innern, dessen Struktur der Inneren Verwaltung entspricht, wie sie das 19. Jh. geprägt hat, nicht einfach ist neue Wege zu gehen. Ministerialrat Fuchs und der Leiter der Kulturabteilung des Bundesinnenministeriums, Ministerialdirektor Hagelberg, versuchen zwischen alten und neuen Kräften im Film und zwischen Film und Politik gangbare Straßen zu finden. (…) Es wäre einfacher für fertige Filme, die ‚bemerkenswert‘ erscheinen, Prämien auszuschütten (Gießkannenprinzip). Trotzdem haben sie mit der Drehbuchprämie und dem Kuratorium sich für qualitative Entscheidungen eingesetzt, die auch tatsächlich eine starke Auswirkung auf die Qualitätsverbesserung des Films haben. (…) Es besteht die Gefahr, daß sich ein Phänomen aus der Verhaltensforschung hier auch bei der Verwaltung bewahrheitet: ‚Zwischen Angriffslust und Furcht fällt der Soldat in Schlaf‘.
Hier müssen die filmkundigen Politiker helfen. Dr. Martin und Dr. Lohmar, der frühere und der jetzige Vorsitzende des kulturpolitischen Bundestagsausschusses, haben 1962 gesagt: ‚Wir müssen in kleinen kulturpolitischen Schritten erreichen, daß wir auch in der Bundesrepublik in 10 Jahren eine Filmkultur besitzen, wie Deutschland sie früher einmal hatte.‘ Dieses Programm hat durch die große Koalition (auch dadurch, daß im Bundeskabinett jetzt mehr Leute sitzen, die Kunst nicht für einen unnötigen Luxus halten) eine tatsächliche Chance.“
(Alexander Kluge, „Film“ 3/1967)

film 1967 6 7

„In zwei Jahren, wage ich zu prophezeien, werden sich alle die jungen Filmer und Barrikadenstürmer von heute zurücksehnen nach der Zeit, in der sie es nur mit der Altmänner-Riege der FSK in Wiesbaden zu tun hatten. (…) Aber nun schreien die alten wie die jungen Filmproduzenten nach staatlichem Geld – oder staatlich geregeltem Geld -, und wundern sich, daß Bundesregierung, Abgeordnete, Kirchen und Rundfunkanstalten dafür Mitspracherecht haben wollen. Diese Träumer aus Schwabing. (…) Sie werden sich wundern, wie schnell jeder x-beliebige deutsche Filmverleih, die Bertelsmann-Mutter an der Spitze, nur noch Filme in den Vertrieb nimmt, die geeignet sind, das Wohlwollen der Anstalt ohne Schwierigkeiten zu erlangen.“
(Will Tremper: Blick nach vorn in Zorn, „Film“ 6/1967)

esquire 1966 SGE 2013

Das Filmhauskino in Köln zeigt ab morgen Filme von Thiele (Venusberg) Roland (4 Schlüssel) Olsen (Blutiger Freitag) und Neueres von den Gästen: Buttgereit, Gosejohann und Kupczyk. Freitagnacht läuft Riccardo Fredas Gesicht im Dunkeln.

Gerade frisch erschienen: SigiGötz-Entertainment – Der zweiundzwanzigste Wurf

Dienstag, 30.04.2013

Der einsame Wanderer

“Now I lay me down to sleep
I pray the Lord my soul to keep
If I shall die before I wake
I pray the Lord my soul to take.”
Der junge Mann im Film “Der einsame Wanderer”(1968) von Philip Sauber kommt erst nicht über die zweite, dann nicht über die dritte Zeile hinweg. Immer wieder nimmt er einen qualvollen Anlauf. Und die vierte Zeile hören wir gar nicht. Das ist genau der Punkt, an dem auch der Film stehen bleibt. So scheint es mir jedenfalls, nach dem ersten Sehen an einem Abend mit hoher Erwartung und in schlechter Luft, im Hotel Bogota in Berlin-Charlottenburg. Ulrike Edschmid liest vor der Aufführung aus ihrem Buch „Das Verschwinden des Philip S.“ eine Passage über die Dreharbeiten dieses Films und ihre schönen Worte wecken in mir Bilder, die der Film nicht einlöst. Es scheint so, das wird auch bei der Diskussion nach der Aufführung deutlich, dass Edschmid von ihrem ehemaligen Lebensgefährten, der später in den bewaffneten Untergrund ging und unter nicht ganz geklärten Umständen 1975 erschossen wurde, ein Bild aufbewahrt, an dem sie mit einer Treue festhält, wie wir sie den geliebten Toten ja auch schuldig sind. Aber in diesem Fall ist es ein unerlöstes Bild, das sozusagen vor seinem Erwachen stehen geblieben ist.


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