Nach dem Oder- und dem Rhinland hat sich Bernhard Sallmann in Bild und Ton nun das Spreeland erschlossen – nicht kartographisch, sondern als Lebensraum (wie er in Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ von 1892 beschrieben wird).
Ich erwähne ein paar Text-Passagen.
Lebensmittelversorgung: aus Lübbenau und dem Spreewald kommen Gurke, Kürbis und Meerrettich, Jagd auf Reiher gibt es im Reiher-Grund von Duberow, königliche Wildschweinjagd in der Umgebung von Schloss Köpenick, Bienenzucht in Kienbaum, Karpfen und Zander kommen aus dem Teupitzer-See (teuer verpachtet vom herrschaftlichen Gut), der Fang wird in sechsstündiger Fahrt nach Berlin verschifft.
Lehde, „Lagunenstadt im Taschenformat“, mag zu Fontanes Zeit ausgesehen haben wie Venedig vor 1.500 Jahren. Die wendische Spree, wenig Dörfer, keine Städte. Fontane verfolgt einen wendischen Begräbnis-Gottesdienst, beschreibt die Trachten der Frauen. Schmöckwitz ist öde und ärmlich. Die Wendei: das Seen- und Spreegebiet – „nichts als Rohr und Wiese“, selbst der Krieg habe einen Umweg um diese Gegend gemacht. Das Müggel-Ufer hingegen ist Märchenland.
Ernst Gottlieb Woltersdorf (1725-1761) kann in seinem Amt als Prediger nicht anders (wie er es selbst beschreibt), als die Feder laufen zu lassen beim Verseschreiben und Liedermachen.
1840: der mächtige und gefürchtete Johann Gottfried Schadow, „ein Achtziger“, im grossen Akt-Saal der Berliner Akademie – wie er den Skizzen der Studenten entlangschreitet, dort etwas lobt, hier etwas verwirft (im Berliner Platt).
Kirchenbücher geben mit ihrem „Lapidarstil“ einen ganzen Mikrokosmos wieder – Fontane zitiert aus dem Gröben-Siethener Kirchenbuch, das bis 1604 zurückgeht: Krieg, Pest, Wassersnot, Feuersnot, Geburt, Tod, Unglücke, Mord, Stäupung, Enthauptung, Ehebruch. Fontane wählt Beispiele aus dem 17. Jahrhundert.
Sallmanns Einstellungen bebildern nicht das Gesagte, sondern bleiben weitgehend autonom, obschon es auch Übereinstimmungen zwischen Bild und Text geben kann. Aber das muss man sich schon selbst erschliessen. Die Bild- und Originaltonebene hat durch die Statik und Länge der Einstellungen das Eigentümliche, dass man in sie wie ‚onirisch’ hineingezogen wird (wenn man sich dem nicht von Anfang an verschliesst). Die da hinein gesetzten Text-Stellen aus Fontane heben einen daraus heraus, über die Länge der von Judica Albrecht gelesenen Abschnitte ist das verbale Verständnis aktiviert – nur um wieder, wie in den Schoss von Mutter Erde, auf die erste Ebene des sinnlich-materialen Schauens und Hörens zurückzufallen. Freilich mit dem Beieffekt, dass nun auch die Fontaneschen Textpassagen anwesend sind, die zwei sonst getrennten Ebenen also ‚organismisch’ verbunden.
(Der Film läuft auf dem Dokfilmfest Leipzig am 1.11. und 4.11.2018, 18.30 im Passage Kino Wintergarten; auf dem Filmfestival Cottbus am 10.11.2018, 18 Uhr in der Kammerbühne; ebenfalls programmiert sind dort vier weitere Filme von Bernhard Sallmann aus dem Zusammenhang Fürst Pückler-Garten und Lausitz.)