Einträge von Johannes Beringer

Montag, 23.08.2021

Über Deutschland

Essayistischer Dokumentarfilm nach dem Text „Über Deutschland – О Германии“ von Marina Zwetajewa
Regie: Bernhard Sallmann
Deutschland 2021, 80 min, deutsche Originalfassung (nach Bedarf mit russischen UT!!!)

„Die 17jährige Russin Marina Zwetajewa verbringt den Sommer 1910 im Sanatoriumsort Loschwitz bei Dresden. Im Russland des Kriegskommunismus erinnert sie 1919 diese Zeit und überblendet sie in ihrem Text ‚Über Deutschland’ mit einem Lobpreis der deutschen Kultur. Sie ist auf dem Sprung, eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts zu werden. Der Film denkt mit Zwetajewas Text als Hauptstimme Varianten von und über Deutschland.“

31.8.2021, 20 Uhr 30: Deutschland-Premiere im Kino Krokodil in Anwesenheit des Regisseurs.
Ab Donnerstag, 2.9., zeigt das Kino Krokodil, Greifenhagener Str. 32, 10437 Berlin (Tel. 44049298, ab 19 Uhr), den Film regulär. Auch am 26.9. gibt es als Begleitprogramm zur Deutschland-Wahl eine Vorführung. kinokrokodil@email.de www.kino-krokodil.de

Das FSK am Oranienplatz, Segitzdamm 2, 10969 Berlin-Kreuzberg (Tel. 030 6142464) zeigt den Film am 4.9. (in Anwesenheit von Bernhard Sallmann) und Sonntag, 5.9. www.fsk-kino.peripherfilm.de

Das ACUD-Kino, Veteranenstr. 21, 10119 Berlin-Mitte, zeigt den Film ab Donnerstag, 9.9. (Tel. 030 44359498). Am 14.9., 19 Uhr, ist der Regisseur anwesend. www.acudkino.de

Siehe auch: www.ostwärts-film.de

Sonntag, 13.06.2021

GESCHWISTER

Für Irena

Meine Dichterschwester
zwei Straßen weiter
sorgt sich wegen des angekündigten Sturms
befürchtet die Gasrechnung wird steigen
wie auch die Zahl der rechten Wähler in Österreich
sie setzt sich auseinander
mit den unzähligen Problemen der Ziehtochter
die stets auf dem Boden sitzt
eine Träne im Auge
wegen des Bekannten
der unters Auto kam
leidet auch wegen eines Wölkchens
auf der Stirn des Freundes aus Chile
fragt ob ich meinen Steuerverpflichtungen nachkomme
und die Gesetze der Ampel
an der Leibnizkreuzung achte
denkt ich solle mich nicht herumtreiben
um Mitternacht am Alexanderplatz
wo sich zweifelhafte Typen aufhalten könnten
glaubt nicht dass die Berliner Mauer ganz gefallen ist
quält sich wegen des Selbstmords
der Unica Zürn
vor mehr als zwanzig Jahren
und jenes längst vergangenen Schicksals
der Frau Woolf aus England
telefoniert mit den Verwandten aber kurz
disputiert mit dem Mann einem Deutschen
zwei Dichter in einem Zimmer
das ist zuviel
geht mit kleinen Schritten den langen Flur
der Wohnung hinunter
und kehrt zurück
als wäre sie in Afrika gewesen
so arbeitet ihre Sorgenmanufaktur

das Bleistiftherz meiner Sprache
gebrochen an der Wurzel
ich schreibe Gedichte statt ihrer

(Bora Ćosić, DIE TOTEN. Das Berlin meiner Gedichte.
Aus dem Serbischen von Irena Vrkljan und Benno Meyer-Wehlack
Berlin (DAAD), 2001, S. 86/87)

Donnerstag, 28.11.2019

Berliner Premiere von Havelland Fontane von Bernhard Sallmann

Schöner Einstieg in den 109 minütigen Film: der mittlere Teil einer Birke, mit zwei eher dürftigen, wie vom Wind zerzausten Ästen – gefilmt gegen einen Himmel, der wunderbar belebt ist von Schattierungen grauer Wolken, hin und wieder eine Lücke lassend für die wie verhängte Sonne. Ein Lichtspiel, das auch in der nächsten Einstellung noch aufgenommen ist: da sieht man die Birke in voller Grösse unheimlich nackt in den nun helleren Himmel ragen, neben anderen Bäumen im Wind stehen – ein kleinerer Baum so windgebeugt, dass es einen erbarmt. Die Stimmung, die Wetterlage ist veränderlich, der Wind scheint sich momentweise etwas beruhigt zu haben. Die Tonspur vermittelt ein anderes Bild: da ist ein weiterer Raum erfasst, zu hören das Rauschen nicht nur der Bäume, sondern, möchte man sagen, der Atmosphäre insgesamt – ein Helikopter dröhnt ferne vorbei, menschliche Geräusche mischen sich mit nichtmenschlichen.
Es entsteht der Eindruck eines Zusammenspiels – man meint auch (über die Sonde von Kamera und Ton), die klimatische Veränderung wie ein Vorab oder Mittendrin wahrnehmen zu können. Jedenfalls bekommt man ein Gefühl für die Ausgesetztheit da draussen, in den ungeschützten Räumen.
[Die erste Einstellung ist auch für die Setzung der Vorspann-Titel da, während der zweiten setzt die Stimme Judica Albrechts ein mit dem Kapitel ‚Die Wenden in der Mark’.]

Nach den Festivals in Leipzig und Cottbus hat der Film nun Berliner Premiere im Kino Krokodil, 3.12.2019, 19 Uhr (in Anwesenheit von Bernhard Sallmann). (Vorbestellung empfohlen.)
Ab 5.12. Kinostart im Krokodil. www.kino-krokodil.de
Weitere Termine: 7./8.12.2019 fsk-Kino in Kreuzberg; 14.12.2019, 18 Uhr 30 im Café Manstein, Mansteinstr. 4 (Schöneberg); 15.12.2019 Filmmuseum Potsdam (alle vier Fontane-Filme); 5.12.2019, 18 Uhr 30 Museum Neuruppin (Rhinland Fontane).
Alle vier Fontane-Filme in der Krokodil Distribution. Käuflich auch als DVD/Download bei www.absolutmedien.de.

Montag, 04.02.2019

Alexander J. Seiler (6.8.1928 – 22.11.2018)

Mit seinem Film Siamo Italiani (1964) stand Alexander J. Seiler ganz am Beginn der schweizerischen Dokumentarfilmbewegung, die nach 1968 einsetzte und ein gutes Durchhaltevermögen aufwies. (Auch über Gründungen wie das ‚Filmkollektiv Zürich’, das von 1975 bis 2018 bestand, oder die ‚Nemo Film AG’, der Seiler sich 1971 anschloss, später etwa mit ‚Dschoint Ventschr’, Zürich.) Seiler hatte, was die frühen Filme angeht, Wert darauf gelegt, auch seine Mitstreiter – seine Frau June Kovach oder den Kameramann Rob Gnant – als gleichberechtigte Mitarbeiter zu nennen.

Ich habe ihn kennengelernt, nachdem ich 1979 Ludwig Hohl in Genf besucht hatte (Anlass war eine Sendung beim SDR, ein zweiteiliger Radio-Essay, Redaktion Helmut Heißenbüttel) – er hatte ja gerade die Dreharbeiten zu Ludwig Hohl – Ein Film in Fragmenten abgeschlossen. Ab 1987 ergab sich eine Mitarbeit bei ‚einspruch. Zeitschrift der Autoren’, die Seiler zusammen mit Bruno Schärer sechs Mal jährlich bis 1991 herausgab. Besonders anerkennenswert fand ich, dass darin auch drei Texte aus dem Nachlass des Schweizer Philosophen Hans Rütter (1915 – 1987), Schriftstellername Hans F. Geyer, aufgenommen worden sind.

Seiler ist fast sein ganzes Leben lang publizistisch und politisch / filmpolitisch tätig gewesen. Der Sammelband „Daneben geschrieben. 1958 – 2007“, erschienen 2008, vermittelt einen Eindruck dieser umfänglichen Schreibtätigkeit neben der Filmarbeit.

Für eine ausführlichere Würdigung siehe etwa die Wochenzeitung WOZ Nr. 48 vom 29.11.2018.

Montag, 17.12.2018

Filmmuseum München: ‚carte blanche à Klaus Volkmer’

Klaus Volkmer geht nach 36 Jahren beim Filmmuseum München Ende des Jahres in den Ruhestand – oder vielleicht Unruhestand? Jedenfalls wäre es schön, wenn seine filmischen Vorlieben und archivarischen Kenntnisse auch weiterhin nutzbringend eingesetzt werden könnten (in welchem Zusammenhang auch immer).
Enno Patalas hat ihn damals ins Filmmuseum geholt – ihn auch als Bundesgenossen gesehen, der dafür sorgen würde, dass die besondere Hinwendung zu Huillet & Straub, Peter Nestler, Vlado Kristl und anderen weiter gepflegt werde. So kommt es, dass jeder neue Huillet & Straub-Film freudig erwartet und in einigen Fällen mit einer Dokumentation versehen wurde – darüber hinaus eine Kopie (falls notwendig: untertitelt) für das Archiv angeschafft worden ist. Klaus Volkmers ‚Dossiers‘ sind anfänglich als hektographierte Heftchen im Format A5 (neben dem roten Programmheft) zum jeweiligen Film-Uraufführungstermin erschienen, während einiger Jahre auch als postings bei newfilmkritik.de.
Ich habe ihm den persönlichen Kontakt zu Pedro Costa zu verdanken, nachdem er angefragt hatte, ob ich nicht ‚auf die Schnelle‘ einen Text zur ‚Werkschau‘ im Filmmuseum liefern könnte. (‚Pedro Costas Schattenwelt‘ – das Dossier zeigt dann die ‚Werkschau‘ im Februar 2002 im Filmmuseum München und die im März 2002 im Arsenal Berlin an, in Costas Anwesenheit.)
Zur Berliner Aufführung von Huillet & Straubs Une visite au Louvre und Paul Cézanne im Gespräch mit Joachim Gasquet durften wir das rechtzeitig fertiggestellte Dossier unter die recht zahlreich anwesenden Leute bringen – das war eine Veranstaltung des ‚FilmSamstag‘ am 10. Juli 2004 im grossen Saal des Kino Babylon, Rosa Luxemburg-Platz in Berlin Mitte.
Danke, Klaus! (Auch für das ‚&‘ bei Huillet & Straub.)

Die carte blanche à Klaus Volkmer: 20.12.2018, 19 Uhr im Münchner Filmmuseum.

Weitere Dossiers A5 (soweit mir bekannt):
– Straub / Huillet / Vittorini („Umiliati“) – 11.-13. April 2003
– Danièle Huillet & Jean-Marie Straub – 7.-9. Januar 2011 („als Geburtstagsprogramm für J.M., 8. Januar 1933“; kürzere und längere Filme von 2003 bis 2011)

Auf newfilmkritik (lange Texte):
Freitag, 27.11.2015
 Ein Toast auf Aimé!
 Zum neuen Film von Jean-Marie Straub – L’AQUARIUM ET LA NATION


Montag, 08.10.2007 Danièle Huillet – Erinnerungen, Begegnungen
Montag, 08.10.2007
 KLASSENVERHÄLTNISSE – Drehbuch-Faksimiles
Montag, 08.10.2007: 

Materialien zu KLASSENVERHÄLTNISSE. 
Von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub, nach Franz Kafka

Sonntag, 20.05.2007 Straub / Huillet / Pavese (III)


Montag, 18.09.2006
 Straub / Huillet / Pavese (II)

Montag, 04.09.2006
 Straub / Huillet / Pavese (I)

Donnerstag, 08.07.2004
 Straub / Huillet / Cézanne
Donnerstag, 09.01.2003 Jean-Marie Straub zum 8. Januar 2003 (Übersetzung und Zusammenstellung Manfred Bauschulte)

Dienstag, 30.10.2018

Spreeland Fontane. (Film von Bernhard Sallmann, DE 2018, 79 Minuten)

Nach dem Oder- und dem Rhinland hat sich Bernhard Sallmann in Bild und Ton nun das Spreeland erschlossen – nicht kartographisch, sondern als Lebensraum (wie er in Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ von 1892 beschrieben wird).

Ich erwähne ein paar Text-Passagen.
Lebensmittelversorgung: aus Lübbenau und dem Spreewald kommen Gurke, Kürbis und Meerrettich, Jagd auf Reiher gibt es im Reiher-Grund von Duberow, königliche Wildschweinjagd in der Umgebung von Schloss Köpenick, Bienenzucht in Kienbaum, Karpfen und Zander kommen aus dem Teupitzer-See (teuer verpachtet vom herrschaftlichen Gut), der Fang wird in sechsstündiger Fahrt nach Berlin verschifft.
Lehde, „Lagunenstadt im Taschenformat“, mag zu Fontanes Zeit ausgesehen haben wie Venedig vor 1.500 Jahren. Die wendische Spree, wenig Dörfer, keine Städte. Fontane verfolgt einen wendischen Begräbnis-Gottesdienst, beschreibt die Trachten der Frauen. Schmöckwitz ist öde und ärmlich. Die Wendei: das Seen- und Spreegebiet – „nichts als Rohr und Wiese“, selbst der Krieg habe einen Umweg um diese Gegend gemacht. Das Müggel-Ufer hingegen ist Märchenland.
Ernst Gottlieb Woltersdorf (1725-1761) kann in seinem Amt als Prediger nicht anders (wie er es selbst beschreibt), als die Feder laufen zu lassen beim Verseschreiben und Liedermachen.
1840: der mächtige und gefürchtete Johann Gottfried Schadow, „ein Achtziger“, im grossen Akt-Saal der Berliner Akademie – wie er den Skizzen der Studenten entlangschreitet, dort etwas lobt, hier etwas verwirft (im Berliner Platt).
Kirchenbücher geben mit ihrem „Lapidarstil“ einen ganzen Mikrokosmos wieder – Fontane zitiert aus dem Gröben-Siethener Kirchenbuch, das bis 1604 zurückgeht: Krieg, Pest, Wassersnot, Feuersnot, Geburt, Tod, Unglücke, Mord, Stäupung, Enthauptung, Ehebruch. Fontane wählt Beispiele aus dem 17. Jahrhundert.

Sallmanns Einstellungen bebildern nicht das Gesagte, sondern bleiben weitgehend autonom, obschon es auch Übereinstimmungen zwischen Bild und Text geben kann. Aber das muss man sich schon selbst erschliessen. Die Bild- und Originaltonebene hat durch die Statik und Länge der Einstellungen das Eigentümliche, dass man in sie wie ‚onirisch’ hineingezogen wird (wenn man sich dem nicht von Anfang an verschliesst). Die da hinein gesetzten Text-Stellen aus Fontane heben einen daraus heraus, über die Länge der von Judica Albrecht gelesenen Abschnitte ist das verbale Verständnis aktiviert – nur um wieder, wie in den Schoss von Mutter Erde, auf die erste Ebene des sinnlich-materialen Schauens und Hörens zurückzufallen. Freilich mit dem Beieffekt, dass nun auch die Fontaneschen Textpassagen anwesend sind, die zwei sonst getrennten Ebenen also ‚organismisch’ verbunden.

(Der Film läuft auf dem Dokfilmfest Leipzig am 1.11. und 4.11.2018, 18.30 im Passage Kino Wintergarten; auf dem Filmfestival Cottbus am 10.11.2018, 18 Uhr in der Kammerbühne; ebenfalls programmiert sind dort vier weitere Filme von Bernhard Sallmann aus dem Zusammenhang Fürst Pückler-Garten und Lausitz.)

Sonntag, 27.05.2018

DOME. Unser Verhältnis zum Kosmos

Hinweis auf eine von Frank J. Schäpel kuratierte Ausstellung und Veranstaltungsreihe (17.5. – 1.7.2018) im Zeiss-Grossplanetarium an der Prenzlauer Allee 80, 10405 Berlin.
Ich möchte insbesondere auch auf die beiden Musikveranstaltungen in der grossen Kuppel aufmerksam machen, Stockhausen am 30.5. und Xenakis am 1.7.2018.

Dienstag, 10.04.2018

Rhinland. Fontane (Film von Bernhard Sallmann, D 2017, DCP, 67 Minuten)

Das ist sicher eine Erfahrung für sich, allein unterwegs zu sein mit Kamera und Mikrophon – Teile der Mark Brandenburg (die Fontane-Bücher im Kopf) zu erforschen, sich Wind und Wetter auszusetzen, Standorte zu wählen und vom Stativ aus aufzunehmen, was sich dem Auge und dem Ohr je nach Jahreszeit an einem bestimmten Tag bietet, Gestimmtheiten der Landschaft und des Himmels einzufangen, Örtlichkeiten zu zeigen.
Das ist also der zweite Teil des auf vier Filme angelegten Projekts von Bernhard Sallmann, Teile von Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zu exzerpieren und mit der eigenen Wanderung zu konfrontieren. (Oderland. Fontane von 2016 war der erste Teil, es sollen nach dem Rhinland noch hinzukommen das Spreeland und das Havelland.)

Rhinland. Fontane wird am Donnerstag, 12.4.2018, 20 Uhr, im Kino Krokodil, Greifenhagener Str. 32, 10437 Berlin-Prenzlauer Berg, im Rahmen einer Feier in Berlin erstmals aufgeführt (in Anwesenheit von Bernhard Sallmann). Bis Ende April wird der Film danach fast täglich im Krokodil gezeigt.
Für weitere Termine dort und anderswo (Union-Kino, fsk-Kino, Tilsiter Lichtspiele) empfiehlt es sich die Seite der Kinos selbst oder www.facebook.com/RhinlandFontane zu konsultieren.

Dienstag, 13.03.2018

Günter Peter Straschek im Museum Ludwig

Am 2. März 2018 ist die Ausstellung Günter Peter Straschek: Emigration – Film – Politik im Museum Ludwig in Köln in Anwesenheit von zahlreichen Gästen eröffnet worden.
Gleichzeitig ist ein umfangreicher Katalog in der Reihe ‚Hier und Jetzt‘ erschienen.
Ein begleitendes wöchentliches Filmprogramm (jeweils Freitag) läuft noch bis zum 22. Juni 2018.

Freitag, 24.11.2017

Barstow, California

Rainer Komers, Kameramann, Filmemacher, Gedichtemacher, hat seit 2008 korrespondiert und telefoniert mit dem lebenslang in kalifornischen Gefängnissen einsitzenden Stanley Jackson, genannt Spoon. Dessen Gedichtband „Longer Ago“ (2010) und die Autobiographie „By Heart. Poetry, Prison, and Two Lives“ (zusammen mit Judith Tannenbaum, 2010) hatten es ihm angetan. In der Edition Versensporn ist es erstmals, angeregt von Komers, zu einer Veröffentlichung in Deutschland von Spoons Gedichten in der Originalsprache gekommen (einer Auswahl aus den Jahren 1986 bis 2012; Versensporn Nr. 11, Jena 2013). Jetzt gibt es eine deutsche Übersetzung der Gedichte und der Prosa: Spoon Jackson, „Felsentauben erwachen auf Zellenblock 8“, aus dem amerikanischen Englisch und mit einem Nachwort versehen von Rainer Komers, edition offenes feld, Dortmund 2017.

Der Film Three Poems by Spoon Jackson von Michel Wenzer (Schweden 2003, 14 Minuten) hatte Komers mit den Gedichten und der Situation von Spoon Jackson bekannt gemacht. Am 3. April 2016 ist es im Lancaster State Prison, Los Angeles County, zu einer ersten Begegnung mit Spoon „von Angesicht zu Angesicht“ gekommen (wie Komers in seinem Nachwort ‚Realness Eats Raw Meat’ schreibt). Schon während der gegenseitigen Annäherung und der sich einstellenden grösseren Vertrautheit war in ihm die Idee gereift, seine ‚landscape listening’- Filme aus dem dünn besiedelten amerikanischen Westen – Nome Road System, 2004, und Milltown, Montana, 2010 – fortzusetzen und in die kalifornische Mojave-Wüste zu fahren. Das hiess also, eine Verbindung von aussen herzustellen zu Spoons Herkunft und Adoleszenz, insbesondere den von ihm selbst gesprochenen autobiographischen Text ‚By Heart’ (aufgenommen von Michel Wenzer) auf der Tonebene einzusetzen. Wenn in Spoons Fall „Gedichte schreiben … heisst, Kassiber in Zeilenform schreiben“ und dem Langzeit-Gefangenen die Erinnerung an die Landschaft seiner Jugend nur noch ‚by heart’ möglich ist, wären doch Kamera und Mikrophon in hervorragender Weise geeignet, die Gegenwart und Wirklichkeit des realen Orts festzuhalten und mitzuteilen. In Barstow, California hat sich Komers also kinematographisch mit dieser eindrucksvollen Gegend auseinandergesetzt, hat auch Zugang gefunden zu der immer noch dort lebenden Jackson-Familie, sich mit zwei von Spoons Brüdern vor der Kamera unterhalten.

Barstow, California – D 2017, HD, 1 Stunde 16 Minuten (strandfilm- und KOMERS.film-produktion).


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