Einträge von Rainer Knepperges

Sonntag, 09.01.2011

Telefon (2)


1974Il profumo della signora in nero

Es gibt nach groben Schätzungen 1,8 Millionen Szenen in Filmen und Fernsehserien, in denen telefoniert wird. Die meisten Bilder, auf die ich stieß, stammen aus Horrorfilmen. Wie kommt das?

Olaf Möller schrieb dazu (in: Gdinetmao – Abweichungen vom deutschen Film): „Die Bande des Schreckens war vielleicht der Schlüssel-Wallace, der war so heftig mit seiner abstrusen Telefon-Pistole, dass ich bis heute den Hörer immer ein wenig abseits halte.“

Werner Herzog hat übrigens, nach eigenen Angaben, sein erstes Telefongespräch mit 17 geführt.


1948Sorry Wrong Number

Es gäbe von Sorry Wrong Number eine direkte Verbindung zu den Slasherfilmen 30 Jahre später, sagt Karyn Kusama. Kein Wunder, denn aufmerksames Horchen ist der nackten Angst sehr nah.


1977Suspiria


1959Les yeux sans visage

„Gerade weil der Gesprächspartner körperlich nicht zugegen ist, ist die telefonische Verbindung eingeschränkter, aber echter; unwirklicher, aber präziser; provisorischer aber spontaner; nebuloser, aber intensiver. Im allgemeinen achtet man bei einem Telefongespräch genauer auf das, was man selbst und der andere sagt, ist mehr bei der Sache. Gefühle, Emotionen und Eindrücke erhalten durch das Telefon mehr Gewicht. Eine gute Nachricht erfreut einen mehr, weil man sie in der größeren Intimität und Abgeschiedenheit unmittelbarer aufnimmt. Eine Unglücksbotschaft nimmt das unerträgliche Ausmaß an, das ihr die Phantasie des Hörers verleiht.“ (Federico Fellini, 1965)


1960Peeping Tom

Der Telefonerfinder Alexander Graham Bell, dessen Frau und dessen Mutter taub waren, hatte den Wunsch, man solle sich am Apparat melden mit: „Ahoi, Ahoi.“
Das erfuhr ich von Bob Dylan (nicht persönlich, sondern in einer seiner famosen Radiosendungen).


1962Experiment in Terror


1963The Birds


1968Rosemary’s Baby

Die vergessene Bedeutung öffentlicher Telefonzellen wird durch eine Anekdote aus dem Leben Boris Karloffs illustriert: „The long hours in painful monster make-up Karloff endured led him to become a founding member of the Screen Actor’s Guild union. He believed the most powerful studio heads in Hollywood were so opposed to the unionizing of their actors that they tapped his telephone, so he would always walk around with his pockets filled with loose change in order to discuss the Guild on pay phones.“ (Mike Segretto)
Ich stelle mir vor: Die Lokomotivgewerkschaftler (deren Mails von Bahnchef Mehdorn ungestraft gelesen und gelöscht wurden), argwöhnisch ausweichend in öffentliche Telefonzellen, die Taschen voller Kleingeld.

Ich habe mir nicht notiert, wo ich all diese Bilder geklaut habe. Ich mache mir Vorwürfe deswegen.

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In eigener Sache: der Hinweis, dass 3sat heute Die Quereinsteigerinnen ausstrahlt, um 3:50 Uhr in der Nacht (für Frühaufsteher bedeutet das: am Montagmorgen).
Ob es wohl möglich ist, einen Film im Fernsehprogramm so gut zu verstecken, dass niemand, wirklich absolut niemand ihn sieht? Ich glaube, das ist unmöglich.

Dienstag, 28.12.2010

Sensation und Selbstverständlichkeit





Das Mädchen auf dem Besenstiel / Saxana, die Hexe / Dívka na koštěti (1971, Václav Vorlíček)

via toys and techniques

Mit dem Mädchen auf dem Besenstiel eröffnete der MDR die alljährliche kleine Vorlíček-Werkschau, und fast alle „Dritten“ hatten Drei Haselnüsse für Aschenbrödel im Programm. Der MDR rundete die Sache ab und zeigte am zweiten Feiertag Wie man Dornröschen wachküsst.
Es wäre nun an der Zeit, dass es in einem öffentlichen Sender mal – ganz wie in den durcheinandergebrachten staatlichen Institutionen in den tschechoslowakischen Kinderfilmen – etwas vollkommen Verrücktes zu sehen gibt: Ein Frühwerk des Regisseurs und seines Drehbuchautors Miloš Macourek: Wer will Jessie umbringen?

„Vorlíček’s masterpiece.“ (Jim Knox).


Kdo chce zabít Jessii? (1966, Václav Vorlíček),

Montag, 20.12.2010

Telefon (1)

Sylvie Winter und Paul Lyss. Sie in New York City. Er im Postamt.
Mir fällt kein schöneres Telefonat in irgendeinem deutschen Film ein.


Sylvie (1973, Klaus Lemke)

Das Münchner Werkstattkino bekommt in der Weihnachtswoche (vom 23. bis zum 30. Dezember) Besuch von Santa Klaus Lemke. Auf seiner Geschenkliste stehen, neben Sylvie am Donnerstag und Dienstag um 20:30, sowohl die weiblichen Brandstifter von 1969 als auch die ewig frischverliebten ersten Filme mit Annika Herr, und dazu passend Michelle Pfeiffer (in de Palmas Scarface), Charlotte Rampling (als Jacques Derays Mörderischer Engel) und Gerhild Berktold (im extrem geheimen Geheimtipp Die Spalte von Gustav Ehmck aus dem enorm verruchten München des Jahres 1970).

Donnerstag, 09.12.2010

Bildkommentar

zum Beitrag BILDKOMMENTAR (3.12.2010) von Wolfgang Schmidt


Things to Come (1936, William Cameron Menzies) in colour; The Pink Phink (1964, Fritz Freleng)

Samstag, 04.12.2010

Elective Ladyland


Am 5. Dezember 1974 im Kanzlerbungalow.

„I was astonished“, sagte Mariann Lewinsky in ihrer Moderation eines Programms mit frühen Filmen auf den Kurzfilmtagen in Oberhausen, „how many women beat up men in 1906„.

Ich war erstaunt, als ich las, dass der Frauenanteil im Bundestag seinen historischen Tiefststand im Jahr 1972 erreichte. Gewöhnlich ist der Frauenanteil in einem Parlament übrigens am Ende einer Wahlperiode etwas höher als zu Beginn.

Würde ich in Hamburg wohnen, wüßte ich, wo ich in den nächsten Tagen hingehen würde: Im Metropolis Kino zeigt Dennis Nyback ein „Hobo Special“, unter anderem läuft auch Ein Zug für zwei Halunken / Emperor of the North (1973, Robert Aldrich) Mit Lee Marvin und Ernest Borgnine.

Hätte ich die Filme nicht schon auf VHS, würde ich meinen Recorder programmieren für Zwischen zwei Feuern / The Indian Fighter (1955, André de Toth) mit Kirk Douglas und Elsa Martinelli, jetzt gleich um 1:20 Uhr in der ARD, und,,,


,,,Tag der Gesetzlosen / Day of the Outlaw (1959, André de Toth) mit Robert Ryan und Burl Ives, in der Nacht zum Sonntag um 0:15 Uhr im MDR.

Und wäre ich am 5. Dezember 2010 in Berlin, ginge ich um 17:00 Uhr in die Galerie Laura Mars, Sorauer Straße 3, wo Cordula Daus Arbeiten der Neuen Gesellschaft für Angewandte Toponymie vorstellt. Anlass ist das Toponymische Heft 1: „Das Trujillo-Syndrom“.

Sternstunden des Hörfunks (2)

Seit dem 5. Dezember 1974 sendet der WDR „Hallo Ü-Wagen„, eine wöchentliche Live-Sendung aus jeweils einem anderen Ort in Nordrhein-Westfalen. Immer donnerstags zwischen 9.20 und 12 Uhr konnten auf öffentlichen Plätzen interessierte Passanten mit eingeladenen Experten ausgiebig diskutieren. Abgeschoben auf den Samstagmittag, vom WDR 2 zum WDR 5, und zeitlich stark zusammengestaucht, hat die Sendung inzwischen weniger Hörer als früher und wird nun in zwei Wochen, angeblich aus Kostengründen, eingestellt. Das ist sehr traurig, denn es ging bei „Hallo Ü-Wagen“ ganz anders zu als bei den weitverbreiteten Anrufsendungen. Es ging rund und es ging hoch her. Man konnte was lernen, konnte schimpfen und staunen. Als der Plan bekannt wurde, die unberechenbare Sendung aus dem Programm zu nehmen, sagte die Erfinderin und langjährige Moderatorin, Carmen Thomas, in einem Deutschlandfunkinterview: „Wir fragen uns ja heute, was haben eigentlich Leute aus früheren Jahrhunderten über bestimmte Themen gedacht? Das weiß kein Mensch. Bei Hallo Ü-Wagen können Sie wissen, was Menschen 1976 über Ausländer oder über Homosexuelle oder über Arbeitslose gedacht haben. Und das ist ja was Spannendes, was sich auch lohnt zu konservieren.“ Es ist anzunehmen, dass der WDR diese Konserven gut verstecken wird, weil beim Anhören die Frage aufkäme: Warum hat der WDR diese Sendung im Jahre 2010 abgesetzt?

Und außerdem: Am 5. Dezember 1919 wurde Hennes Weisweiler geboren.

Donnerstag, 02.12.2010

Morlocks und Eloys

Die Beschwichtigungsrunde in Stuttgart sollte den Bau der Tunnelbahnhofsruine nicht verhindern. Die enorme Sogwirkung der in Gang gesetzten Kostenspirale gibt den Befürwortern die Gewissheit für Konsequenzen nicht haftbar zu sein. Geologische Gutachten werden von der Bahn weiterhin geheimgehalten. Ob es zur Gänze gelingt, demokratische Kontrolle durch „Vertrauen in die Demokratie“ zu ersetzen, wird sich noch zeigen.

Montag, 22.11.2010

Denken im Freien


Warnung auf Korfu


Ponyaussichtsposten mit Schmuckfigur


Hölzerner Spielzeughubschrauber aus Mozambique

Sternstunden des Hörfunks (1)

Beim Radiospaziergang rund um den Brünsee, den es seit 1969 gibt, diskutieren Mario Mentrup und Cordula Daus, was man mit Algen alles anstellen kann. Beide können sich durchscheinende Gewänder aus Algentextilien vorstellen. Die Mode aus Mailand und Monaco erlaube ja derzeit transparente Materialien auf nackter Haut. Es sind auch beide beeindruckt vom naturhistorisch hohen Alter der Wasserpflanze. Nietzsche – so erfährt man – war der Ansicht, die Algen seien den Gräsern an Kraft überlegen, noch nicht behaftet mit Zweifeln. Denn mit dem Aufstieg der Alge zum Grashalm (Papyros) kam die Abenddämmerung über unsere Welt. Erst auf dem Trockenen wurde die Melancholie zu Papier gebracht.

Mentrup, der munter von den Algen aus dem Brünsee kostet, empfindet plötzlich einen leichten Schwindel, und Cordula Daus, die in seinen Augenringen einen noch nie gesehenen „leichten Senfton“ bemerkt, steigert die Vergiftungsangst ihres Gesprächpartners durch den arglosen Hinweis: „Ich glaube, man ejakuliert dann sehr viel.“ Beschwörend klingt Mentrups Moderatoren-Mantra: „Sie hören 88,4 Reboot.FM Open Air Audio Walk mit Cordula Daus und Mario Mentrup.“
Seit dieser Radiobeitrag mich überraschte, nehme ich mir vor, endlich mal wieder in naturkundlichen Taschenbüchern zu blättern, Sauerampfer zu pflücken und, so wie es dort geschah, in Gummistiefeln auf Asphalt zu tanzen. „Ich muss zu einer größeren Freiheit zurückfinden, die, die ich auf natürliche Weise bei meinen Anfängen hatte.“ Diesen Vorsatz (aus dem Tagebuch von Emmanuel Bove) sehe ich immer wieder realisiert in Mario Mentrups vielfältigem Tun.

Donnerstag, 18.11.2010

Einspruch

Die vom Fraunhoferinstitut im öffentlichen Auftrag hergestellten, dann jedoch wegen angeblicher „Urheberrechtsschutzgründe“ für Publikationen der S21-Gegner verbotenen, sogar aus dem Internet weitestgehend entfernten, realistischeren Bilder des Stuttgarter Tunnelbahnhofs sind nicht so hübsch wie dieses.


A Matter of Life and Death (1946, Powell & Pressburger), ein merkwürdiger Gerichtsfilm.

Christian Petzold empfiehlt auf cargo.de die fünfte Schlichterrunde in Stuttgart. Auch mich hat die vierte gefesselt. Der sparsame Umgang mit Gegenschüssen macht alles, was sich an Erregung, Bestürzung, Hohn oder Beherrschtheit auf den Gesichtern zeigt, ausdrucksvoller als im Fernsehen üblich. Etwas anderes aber scheint mir bemerkenswerter: Im Unterschied zu den Akteuren im angelsächsischen Gerichtsfilm ist es den Gegnern im Stuttgarter Wortgefecht leider keine Selbstverständlichkeit, laut auszurufen: „Einspruch! Die Gegenseite versucht…“ Es ist dieser höfliche Verzicht auf die unumwundene Unterstellung manipulativer Absichten, und es ist das geduldige Ertragen des Vernebelns, durch das die Wahrheitsfindung auf irgendwann vertagt wird. Gerichtsfilme sind Lektionen in Gegenwärtigkeit. Morgen auf Phoenix ab 9:15 Uhr

Dienstag, 16.11.2010

Das Trujillo-Syndrom

Cordula Daus referiert morgen, am Mittwoch, um 20:00 Uhr im Berliner Salon Populaire in der Bülowstraße 90, anlässlich des Erscheinens des Toponymischen Heftes Nummer 1, über Wesen und Unwesen von Eigennamen, insbesondere über Formen und Folgen einer seriellen Benennung im Zuge der spanischen Kolonisierung: „Das Trujillo-Syndrom“.

Mittwoch, 03.11.2010

alright

Als sich die beiden kennenlernten, war sie besser im Geschäft als er. Während der Arbeit an seinem Debütfilm, The Pleasure Garden, wandte sich Hitchcock nach jedem Take an Alma Reville und fragte: “Was that alright?”
Bis zum Jahresende zeigt die Cinemathek in Brüssel eine Auswahl britischer Stummfilme, viel Unbekanntes. Nichts von Hitchcock. Bryony Dixon eröffnet die Retrospektive heute Abend mit The First Born (von und mit Miles Mander, 1928): „There are moments very reminiscent of early Hitchcock – perhaps unsurprisingly, as Alma Reville was heavily involved with the preparation of the scenario. Could it be that the famous ‚Hitchcock touch‘ is as much to do with Mrs as with Mr?“


Toller Handzettel aus Brüssel.


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