Einträge von Rainer Knepperges

Montag, 12.10.2015

Dunkle Wahrheit

1923 - Coeur Fidèle - Jean Epstein

1926 Rien que les heures - Alberto Cavalcanti

1926 Jean Epstein - Mauprat

1927 The Show - Tod Browning

1932 - Chandu The Magician - William Cameron Menzies

1934 - Rapt - Dimitri Kirsanoff

1934 Of Human Bondage  - John Cromwell

1935 - Tokyo no eiyu - Hiroshi Shimizu

1936 - The Prisoner of Shark Island - John Ford

1939 Charlie Chan at Treasure Island - Norman Foster.

1939 Charlie Chan at Treasure Island - Norman Foster..

1940 - The Girl In The News - Carol Reed

1940 Contraband Powell

1947 Black Narcissus

1947 John Mills, The October Man, Roy Baker

1951 The Late Edwina Black - Maurice Elvey

1952 - What Price Glory - John Ford

1955 Marianne de ma jeunesse - Julien Duvivier

1957 - The Three Faces of Eve -  Nunnally Johnson 1

1957 - The Three Faces of Eve -  Nunnally Johnson 2

1957 - The Three Faces of Eve -  Nunnally Johnson 3

1957 - The Three Faces of Eve -  Nunnally Johnson - 4

1958 - The Return of Dracula - Paul Landres

1961 Claudelle Inglish - Gordon Douglas

1961 Der Fälscher von London - Harald Reinl

1961- Der Fälscher von London - Harald Reinl

1962 - Confessions of an Opium Eater - Albert Zugsmith

1965 Tausend Takte Übermut - Hofbauer

1966 - Persona - Bergman

1967 Torture Garden Freddie Francis

1968 Deadfall - Bryan Forbes

1969 - Engel die ihre Flügel verbrennen

1969  Pit Stop - Jack Hill

1974 - Teens in the Universe - Richard Viktorov

1976 - Idole - Klaus Lemke

1977 - Derrick Tod des Wucherers - Brynych

1980 - The Changeling - Peter Medak

1994 - L'enfer - Chabrol

2012 - The Grey - Joe Carnahan

2013 - Les recontres d'apres minuit - Yann Gonzalez

1923 – Coeur Fidèle – Jean Epstein
1926 – Rien que les heures – Alberto Cavalcanti
1926 – Mauprat – Jean Epstein
1927 – The Show – Tod Browning
1932 – Chandu The Magician – William Cameron Menzies
1934 – Rapt – Dimitri Kirsanoff
1934 – Of Human Bondage – John Cromwell
1935 – Tokyo no eiyu – Hiroshi Shimizu
1936 – The Prisoner of Shark Island – John Ford
1939 – Charlie Chan at Treasure Island – Norman Foster
1940 – The Girl In The News – Carol Reed
1940 – Contraband – Powell & Pressburger
1947 – Black Narcissus – Powell & Pressburger
1947 – The October Man – Roy Baker
1951 – The Late Edwina Black – Maurice Elvey
1952 – What Price Glory – John Ford
1955 – Marianne de ma jeunesse – Julien Duvivier
1957 – The Three Faces of Eve – Nunnally Johnson
1958 – The Return of Dracula – Paul Landres
1961 – Claudelle Inglish – Gordon Douglas
1961 – Der Fälscher von London – Harald Reinl
1962 – Confessions of an Opium Eater – Albert Zugsmith
1965 – Tausend Takte Übermut – Ernst Hofbauer
1966 – Persona – Ingmar Bergman
1967 – Torture Garden – Freddie Francis
1968 – Deadfall – Bryan Forbes
1969 – Engel die ihre Flügel verbrennen – Zbynek Brynych
1969 – Pit Stop – Jack Hill
1974 – Teens in the Universe – Richard Viktorov
1976 – Idole – Klaus Lemke
1977 – Derrick: Tod des Wucherers – Zbynek Brynych
1980 – The Changeling – Peter Medak
1994 – L’enfer – Claude Chabrol
2012 – The Grey – Joe Carnahan
2013 – Les recontres d’après minuit – Yann Gonzalez

1976 - Taxi Driver - Scorsese

1976 Taxi Driver - Scorsese
1976 – Taxi Driver – Martin Scorsese

Freitag, 05.06.2015

Etwas zum Staunen

die Mücke a

Als schwarze Silhouette schreitet die Hauptdarstellerin vom Dunkel ins Licht, hinein in den Filmtitel, zwischen die mannshohen Buchstaben. Dort wendet sie sich um, zieht an einer Zigarette und lässt den bodenlangen Mantel einen Spalt weit offen. Weiß leuchtet das enge Kleid. Dann die Pose, dann der Blick. So wie sie den Mantel öffnet, so auch die Augen, die Lippen, nur so weit es ihr gefällt.

die Mücke b
Die Mücke (1954 Walter Reisch)

Walter Reisch: „Her name is Hilde Krahl, a very good actress. I had guided her through her very first picture, Silhouetten, directed by me in Vienna. She called me one day wanting me to come and make a picture for her. Nothing could have pleased me more. I had about four months‘ leave of absence from Fox, and gave up a lot of money just to make a picture with her. I wrote and directed a picture for her called Die Mücke [Madame Mosquito, 1954]—that’s an insect, you know—the story of an aging spy à la Mademoiselle Docteur [Edmond T. Greville, 1937] who in today’s age of computers and electronic devices, when her beauty and her feminine charms can no longer beguile and deceive officers of the enemy’s army, has lost her job. A very good picture.“

die Mücke c

Als die Spionin zu Fuß unterwegs ist in den leeren Straßen von Bad Pyrmont, verfolgt von der Limousine eines Waffenhändlers, da fährt eine Dampflok aus einer Häuserecke und zwingt den Verfolger anzuhalten.

die Mücke d

Vom Waffenhändler bekommt die Spionin den Auftrag, herauszufinden, ob seine Frau (Margot Hielscher) ihm treu ist.

Wenn die beiden Frauen sich gemeinsam amüsieren, und über allem ein Geheimnis liegt, da, in der Mitte, gefällt mir der Film am besten. Ob zuletzt das Dunkle oder das Frivole siegt, ist nicht vorhersehbar. Doch Walter Reisch ist zu sehr Drehbuchautor. Mit Wendungen zügelt er die wilde Richtungslosigkeit seines Films.

die Mücke e

In einem Kino in Triest hat der Waffenhändler ein heimliches Geschäft abgeschlossen.
Dieser Böse, dargestellt von Gustav Knuth, könnte in Walter Reischs Film durchaus auch jenen schönen Satz sagen, der mir im neuen Film von Hakan Algül sehr gut gefiel: „Auch wir, die Bösen, auch wir lieben.“

(Pferde, Luxus und Gefahr. Auch das gibt’s in der türkischen Tierarztkomödie Niyazi Gül Dörtnala.)

die Mücke g

Dem Detektiv in Josephine Teys Kriminalroman „Wie ein Hauch im Wind“ ging 1950 etwas Hoffnungsvolles durch den Kopf. „Zumindest hatten sie Verstand, die heutigen Kinder. Das Kino sorgte dafür, nahm er an. Es waren immer die auf den billigen Plätzen – die Stammkunden -, die alles begriffen, während diejenigen auf den Balkonplätzen noch im Dunkeln tappten.“

Die BRD-Filme der vielgescholtenen 50er Jahre wurden unsinnigerweise Papas Kino genannt. Die vielen Frauenfilme von Alraune (1952 Rabenalt) bis Barbara (1961 Wisbar) waren Kino par excellence – sowohl Die Sünderin (1951 Forst) als auch Die Rote (1961 Käutner), all der Skandal und das Verruchte – es war Mamas Kino.

Die kurze Zeit, in der das deutsche Filmschaffen ohne staatlichen Auftrag war, zwischen Nürnberger Prozess und Oberhausener Manifest, diese Phase will rehabilitiert werden. „Ach rüttel mich, ach schüttel mich.“ Wer sich nicht fürchtet, es könne ihm ein Apfel auf den Kopf fallen, dem kann Die Mücke überzeugende, optische Argumente liefern. Auch dank des Kameramanns Kurt Hasse, in dessen Filmografie sich erstaunliche vier (!) SGE-Kanon-Filme befinden: Himmel ohne Sterne (1955 Helmut Käutner), Mein Vater, der Schauspieler (1956 Robert Siodmak), Raubfischer in Hellas (1959 Horst Hächler), Stadt ohne Mitleid (1961 Gottfried Reinhardt).
Da sind außerdem die Titel von drei Barbara-Rütting-Filmen: Liebe, wie die Frau sie wünscht; Alle Sünden dieser Erde; Ich war ihm hörig. Und dann die ersten fünf Filme von Alfred Vohrer: Schmutziger Engel, Meine 99 Bräute, Verbrechen nach Schulschluss, Mit 17 weint man nicht, Bis dass das Geld Euch scheidet… In den Titeln steckt das volle Programm: Mamas Kino, von dem der Junge Deutsche Film sich losreißen wollte. Um was zu werden. Was? Literaturverfilmung. Fernsehen. Patriarchat.
Kurt Hasse war übrigens auch Kameramann bei der Raumpatrouille (1965).

tol'able time tunnel

„Ein gigantisches schwarzweißes spiralenförmiges Ding, dessen Ausmaße schlicht unfassbar sind,“ sollte ich noch nachliefern. Claudia Basrawi hat mich gebeten, ihre Vision vom zweiten Teil der Quereinsteigerinnen nicht zu verfilmen, sondern stattdessen mit ein paar Bildmontagen zu illustrieren. Besonders lag ihr der „Fassjunge“ am Herzen.

Noch eine Empfehlung. Neu im Kino: Melissa McCarthy, Miranda Hart und Rose Byrne in Spy (2015 Paul Feig). Etwas zum Lachen. Eine Action-Komödie für die Stammkunden. Ein makelloser Film.

Freitag, 01.05.2015

Karten, Pläne (V)

casablanca
Casablanca (1942 Michael Curtiz)

Der Relief-Globus dreht sich, während die Erzählerstimme beginnt, den Weg zu beschreiben, der mit dem Ziel Amerika nach langem Umweg unterbrochen wird in Casablanca. Wo die Flüchtenden gezwungen sind zu warten…

1944 A-Canterbury-Tale
A Canterbury Tale (1944 Powell & Pressburger)

Die Unterbrechung der vorgesteckten Route ist ein Erzählprinzip. Selten oder nie wurde es so überschwänglich umarmt wie in A Canterbury Tale. Der Wegstopp wird hier, im klaren Bewusstsein des Krieges, zur hellen Erscheinung des Friedens.

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MOVIE MAKERS, August 1947

Atomium Foto Rainer Knepperges
Vesuv im Mini-Europa-Park, vor Atomium (1958) in Brüssel

1960 - The Story of Ruth - Henry Koster
The Story of Ruth (1960 Henry Koster)

Auf meiner Liste jener Regisseure, die von der Filmgeschichtsschreibung ungerecht behandelt wurden, hat Henry Koster den Platz Nummer Eins. Seine Filme, einst Teil meiner Kindheit, verwandeln sich beim Wiedersehen in Rätsel. Der Weihnachtsfilm The Bishop’s Wife zum Beispiel – kein Krippenspiel, sondern ein Satyrspiel, mit Cary Grant – lässt mich fragen: Gibt es noch andere Filme, die so enden, dass einer aus dem Gedächtnis aller komplett verschwindet? Koster war so entschieden individualistisch, dass er vollständig aufgehen konnte in Hollywood. Sein Werk hat, wovon Lang oder Wilder nicht mal träumen konnten: aufrechte Ausgelassenheit und dyonisische Würde. It Started with Eve (1941), The Bishop’s Wife (1947), The Luck of the Irish (1948), Harvey (1950), No Highway in the Sky (1951), My Cousin Rachel (1952), The Story of Ruth (1960), Mr. Hobbs Takes a Vacation (1962). Ich ärgere mich so sehr, dass ich im März, als The Robe (1953) im Düsseldorfer Metropol gezeigt wurde, diese winzige Reise aus Trägheit nicht antrat.

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Pat Dzejachok, „Miss Century 21“, erklärt auf der Weltausstellung in Seattle 1962, wie das Mobil Driver Game vonstattengeht.

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links: Cover der Zeitschrift „Gebrauchsgraphik“, Juni 1961, Erik Nitsche; rechts: Weltausstellungsplakat mit Space Needle (1962), gemalt von Harry Bonath

Unter Dir der Himmel (Hermann Stöss, 1965)
Unter Dir der Himmel (1965 Hermann Stöss)

Ein Bundeswehrfilm-Gedicht/Essay mit Musik von Oskar Sala.
Dazu bald mehr im neuen Sigi-Götz-Entertainment.

la_sirene_du_mississippi
La Sirène du Mississippi (1969 François Truffaut)

Ein Mann aus dem Süden, eine Frau aus dem Norden…

Dracula 1992
Dracula (1992 Francis Ford Coppola)

Eine Frau aus dem Westen, ein Mann aus dem Osten…

The Muppets - travel by map a

The Muppets - travel by map b

The Muppets - travel by map c

The Muppets - travel by map d

The Muppets - travel by map e
travel by map The Muppets (2011 James Bobin)

Das Arsenal zeigt in seiner Magical History Tour – Kino im Plural: „Filme, die das kollektive Arbeiten sichtbar und zu ihrem Thema machen“.
Heute, am 1. Mai, Casablanca und morgen, am 2. Mai, um 20 Uhr Die Quereinsteigerinnen.

2010, Ingrid Bergman, Mülheimer-Freiheit, Foto Rainer Knepperges
Ingrid Bergman, Kirmesbude, Mülheimer Freiheit

Samstag, 04.04.2015

Karten, Pläne (IV)

The African Queen - 1951
The African Queen (1951 John Huston)

1914. Ein Mann und eine Frau verlieben sich ineinander. Sie fahren in einem kleinen Dampfboot einen Fluss herab. In Technicolor. Im Dschungel. Mit Krokodilen, Stromschnellen, Regen, Mückenschwärmen, Blutegeln, Deutschen.
Als ich klein war, lief African Queen oft im Fernsehen. Meinen Eltern gefiel der Film. Mich irritierte das sichtbare Alter der Hauptdarsteller. Jetzt sehe ich Katharine Hepburn und Humphrey Bogart mit anderen Augen als damals: Was für ein schönes Paar!

1951 - Little Big Horn  Charles Marquis Warren
Little Big Horn (1951 Charles Marquis Warren), Platz Eins auf Manny Farbers Liste der Filme, die 1951 den Oscar wirklich verdient hätten.

Bei komplizierten Messungen, die unternommen wurden, um den geographischen Mittelpunkt der Kinematographie zu bestimmen, fiel auf, dass im amerikanischen Western der Jahre 1950/1951 eine unerklärliche Häufung von Meisterwerken mit Orts- oder Richtungsangaben im Titel vorliegt: Across the Wide Missouri (William Wellman), Along the Great Divide (Raoul Walsh), Rio Grande (John Ford), Rawhide (Henry Hathaway), Westward The Women (William Wellman) und Little Big Horn (Charles Marquis Warren).

His Kind of Woman 1951 John Farrow
His Kind of Woman (1951 John Farrow)

Wegen Elisabeth Volkmann sah ich mir Mitte März im Filmclub 813 Die Klosterschülerinnen (1972 Eberhard Schröder) an. Dieser dunkle, von Mitgefühl erfüllte und deshalb ganz erstaunliche Erotikfilm ist eine Entdeckung des Hofbauer-Kommandos. Zwei Landkarten gab es darin zu sehen: eine große bunte Südamerikakarte, die verheißungsvoll leuchtete vor der graubraunen Wandbespannung im Unterrichtsraum des Klosterinternats, und dann auf dem Holztisch einer Berghütte eine bedeutungslose Wanderkarte; bedeutungslos, weil (gleich vier) selig Vergnügte da, wo sie sein wollten, endlich angekommen waren.

1965 Att angöra en brygga (Tage Danielsson)
Att angöra en brygga (1965 Tage Danielsson)

Ausgangs- oder Zielpunkt vieler Filmerzählungen ist die abgeschiedene Lage.

S.O.S. Eisberg
S.O.S. Eisberg (1933 Arnold Fanck), ein Action-Exzess

„Too much of nothing can turn a man into a liar, it can cause some men to sleep on nails and another man to eat fire. Everbody’s doin‘ somethin‘, I heard it in a dream. But when there’s too much of nothing it just makes a fellow mean.“

Only the Valiant - 1951 Gordon Douglas
Only the Valiant (1951 Gordon Douglas)

Seit Wochen höre ich die Basement Tapes rauf und runter: I’m Your Teenage Prayer, Please Mrs Henry, You Ain’t Goin‘ Nowhere, 900 Miles from My Home, Santa Fe, Wildwood Flower, She’ll be Coming Round the Mountain, Confidental, All You Have to do is Dream…

1927 california movie locations
Diese Karte von 1927 zeigt, Plätze in Kalifornien, die entlegenen Orten ähneln. via
Man könnte fragen: Ist das Täuschende vielleicht sogar dem Tatsächlichen vorzuziehen? Denn „If we notice the location we’re not really watching the movie“ (Thom Andersen: Los Angeles Plays Itself)

Gegen besseres Wissen in der Schwebe gehaltene Illusionen haben dem Authentischen etwas voraus. Johan Huizinga schrieb, „dass der Geisteszustand, in dem große religiöse Feste von Wilden gefeiert und mitangesehen werden, nicht der einer vollkommenen Verzückung und Illusion ist. Ein hintergründiges Bewusstsein von ´Nichtechtsein´ fehlt nicht.“

Dark Journey 1937
Dark Journey (1937 Victor Saville)

„Wo könnten wir hin?“ fragen die Liebenden.
Smolensk? – Oh, Nein!
Zum Gardasee? – Auch das nicht.
Es ist 1918.

Vivian Leigh - Dark Journey - 1937

Die Modeschöpferin (Vivian Leigh) breitet ein Kleid über einen Lampenschirm, und wird in diesem Moment zur Steganographin.

Dark Journey (Victor Saville 1937)
Dark Journey (1937 Victor Saville) via

Make Love Not War 1968 Klett 02

Die Bielefelderin (Claudia Bremer) versucht sich in Berlin zurechtzufinden, und wird dabei gefilmt von Perikles Papadopoulus. Ein Kameramann, von dem das Internet nichts weiß. Vom Regisseur Werner Klett kannte ich lange Zeit nur den wunderschönen Kurzfilm: Ein fauler Bauer (1982 Illing & Klett), den wir im Filmclub 813 oft und gerne zeigten. Es geht darin um Erfindungen, die ein Obstbauer macht, um seine schwere Arbeit zu erleichtern. Zu Klängen von Erik Satie wird eine extravagante Windmaschine als Mittel der Schädlingsbekämpfung vorgestellt: fliegend über Obstbäume im Ein-Mann-Helikopter.

Cesta do praveku 1955 Karel Zeman
Cesta do praveku (1955 Karel Zeman)

„Mit dem Finger zeichnete er auf der Landkarte die Grundzüge seiner Theorie nach.“

In der Mitte seines Romans „Chesapeake“ („Die Bucht“, 1978) beschreibt James A. Michener, wie jemand, der eine originelle Idee beweisen will, sich auf die Suche nach der Quelle eines Flusses macht.

„Auf dem beinahe vierzig Meilen langen und windungsreichen Abschnitt von Tunkhannock nach Towanda begegnete er keinem Menschen. Gelegentlich stapfte er, da es keine Wege gab, in Ufernähe durch den Fluss. Er aß wenig, ein Stück Brot und etwas Käse, und nahm sieben Pfund ab. In diesen einsamen Tagen fasste er den Plan, seine Spekulationen über den Susquehanna und dessen Verflechtung mit der Bucht, die er so liebte, zu Papier zu bringen. Ganze Tage verbrachte er damit, einen einzigen Satz zu formulieren, weil dieser so bedeutend klingen sollte wie die Texte der Bücher, die er im Winter gelesen hatte.“

Aus Micheners Weltbestseller erklingt an dieser Stelle ein Lobgesang auf all jene Bücher, die kaum jemand kennt, und deren Wirkung doch groß ist.

Michener Bucht

„Der Forschungsgeist des Menschen schreitet in großen Umwälzungen vorwärts – wie ein Punkt am Rande eines sich drehenden Rades. Bewegt er sich auch voran, kann es doch nicht lange so bleiben, denn das Rad und das Fahrzeug, zu dem es gehört, streben weiter, und auf diesem Weg dreht sich auch der Punkt am Rande des Rades schließlich zurück. Diese pendelnde Bewegung , bei der jede Position nur vorübergehend gültig ist und kaum fixiert werden kann, nennen wir den Zivilisationsprozess.“ (Thomas Applegarth: „Die Eiszeit“, 1813)

Cesta do praveku (1955 Karel Zeman)
Cesta do praveku (1955 Karel Zeman)

Positionsnotizen in „… Karel Zemans Kinderfilmklassiker Reise in die Urzeit, in dem vier Jungen das Fossil eines Gliederfüßers finden und aufbrechen, um auf einem Fluss entlang der Zeit zurück zum Anbeginn allen Lebens zu reisen. Unterwegs begegnen sie vor den Landschaftspanoramen Burians allerlei Sauriern, die auch Vorstudien der Arbeiten von Stop-Motion-Legende Ray Harryhausen sein könnten Als sie das Meer erreichen und wieder einen versteinerten Triboliten finden, versteht der Jüngste unter den Freunden den Lauf der Zeit.“ (Stefan Ertl, in SGE # 25)

1928 - Espionnage - Jean Choux

1914. Es schiebt sich der Schatten eines deutschen Helms über die Landkarte Belgiens. Was das Symbolische vom Wirklichen trennt, wird bedrohlich überschritten von einem Stiefel. Der Film, der so beginnt, findet in seinem spannenden Fortgang ständig vom Pathos zur Plastizität und nimmt dabei die überraschendsten Abkürzungen: vom Deutschen, der sich im okkupierten Haus aufs Bett wirft, wird achtlos die dort ausgebreitete Karte der Stadt Lille mit der Stiefelspore durchbohrt.

Dann, während der Offizier seinen Rausch ausschläft, nimmt ihm die junge Belgierin eine geheime Militärkarte ab.

1928 - Espionnage Jean Choux 9 4b
Espionnage ou la guerre sans armes (1928 Jeаn Choux)

Es gibt gegen Butterbrotpapier und Bleistift keinen Kopierschutz.
Am nächsten Morgen aber erlebt sie den Angsttraum des Erwischtwerdens.

Gefahrvolle Situationen geben dem Kino die Gelegenheit, jene fiebrige Arbeit abzubilden, die einsam in der Nacht getan werden muss – im hellwachen Traum vom Guten, das heimlich noch zu retten ist.

Vynález zkázy 1958 Karel Zeman
Die Erfindung des Verderbens – Vynález zkázy (1958 Karel Zeman)

„Im Halbdunkel von Hanks Atelier glaubte ich in dem abstrakten Liniennetz immer eine Weltkarte sämtlicher Munitions- und Waffendepots samt Lieferantenrouten zu erkennen, so sehr glich das Bild einem Geheimplan, und hinter einem Geheimplan steckt immer die Logik des Militärs. Wir ziehen in den Wirrwar wäre mir als Bildunterschrift und Persiflage auf solch eine Kartographie ganz plausibel erschienen.“ (Pico Be)

1970 - Na Komete - Karel Zeman
Auf dem Kometen – Na Komete (1970 Karel Zeman)

In der Kindheit hatte mich diese tschechoslowakische Jules Verne Verfilmung schwer verwirrt, ja, verängstigt. Jetzt, beim unvermuteten Wiedersehen, konnte ich das, was mir damals Angst einflößte, nicht klar erkennen. Nur Schönheit.

1970 Na Komete - Karel Zeman

„Es ist Zeit, sich zu besinnen. Wir suchen offenbar nach einer Einsicht, die uns das Wesen der Angst erschließt, nach einem Entweder-Oder, das die Wahrheit über sie vom Irrtum scheidet. Aber das ist schwer zu haben, die Angst ist nicht einfach zu erfassen. Bisher haben wir nichts erreicht als Widersprüche, zwischen denen ohne Vorurteil keine Wahl möglich war. Ich schlage jetzt vor, es anders zu machen; wir wollen unparteiisch alles zusammentragen, was wir von der Angst aussagen können, und dabei auf die Erwartung einer neuen Synthese verzichten.“ (Sigmund Freud: Hemmung, Symptom und Angst, 1926)

1940 Contraband - Powell
Eine Nest von Nazis mitten in London. Contraband (1940 Michael Powell)

Lässt sich auf die Erwartung eines Zusammenhangs überhaupt verzichten? Die Art und Weise wie ein paar Zusammengewürfelte (Alliierte) gegen eine Organisation (Deutschland) kämpfen, davon erzählen viele Filme der frühen 40er Jahre.

The Impostor (1944 Julien Duvivier)
The Impostor (1944 Julien Duvivier) via

„Der Film von heute, technisch vollkommen, artistisch raffiniert , längst gesellschaftsfähig, lächelt mitleidig über seine wilde Jugend. Er ist erwachsen geworden,“ beklagt Sebastian Haffner (in: Koralle. Wochenschrift für Unterhaltung, Wissen, Lebensfreude) im Januar 1937.

Raw Deal-1948 Anthony Mann
Raw Deal (1948 Anthony Mann)

Männer mit Karten: Gegner, Feinde, Gleichinteressierte, Generale.
In keinem anderen Film wird so ausgiebig auf Pläne geschaut wie in Sebastian Haffners Anatomie der Marneschlacht (1977 Franz-Peter Wirth). Und es ist überhaupt nicht langweilig.

„Sie werden sehen,“ sagt Haffner zu Beginn: „solange er selber redet, hat jeder recht.“ So behauptet Hannes Messemer als Gallieni: „Die Marneschlacht ist am Telefon geschlagen worden.“

Die Schaubilder mit ihren bunten magnetischen Elementen erinnern an Mengenlehre. Und die Gesichter von Schauspielern wie Ferdy Mayne oder Siegfried Wischnewski anzuschauen, das ist eine Reise in eine ganz andere Zeit.

Thunderbird 6  1968
Thunderbird 6 (1968 David Lane)

Der Flugplan kündigt den Grand Canyon an. Der ist in diesem britischen Puppenfilm „nur“ ein Modellbau.

Thunderbird 6 - 1968

Thunderbird 6, die Fortsetzung von Thunderbirds Are Go, ist ein Puppenfilm mit vielen Großaufnahmen von Händen, die keine Puppenhände sind. Das X markiert die nächste Station auf einer Luftschiffreise: Ein Restaurant in den Alpen, wo das Essen mit Hilfe von Modelleisenbahnen serviert wird.

1945 - I Know Where I'm Going - Powell & Pressburger
I Know Where I’m Going (1945 Powell & Pressburger)

An das Studium der Schottlandkarte schließt sich der wildeste Reisetraum an, den die Welt je gesehen hat; gefilmt durch die Plastikhülle eines Brautkleids. Mit einer Modelleisenbahn zwischen karogemusterten Bergen.
Die zweite Karte im Film zeigt groß die Insel Kiloran, das Ziel der Reise. Ein leerer Umriss.

Wer sucht, der findet Kiloran auf Wikipedias unvollständiger Liste erfundener Inseln.

Les soleils de l'Ile de Pâques
Les soleils de l’Ile de Pâques (1972 Pierre Kast)

Die Sonnen der Osterinseln. Das ist ein seltsamer Reisefilm, späte Nouvelle Vague und frühes New Age. Es geht um Geomantie, Solarenergie und die Schrägaufzüge von Valparaiso.
Pierre Kast sei „ein Literat“, schrieb Max Zihlmann (in Film 3/1963). „Das soll nicht heißen, dass seine Bilder nur eine an sich überflüssige Illustration zu seinen Worten sind. Gerade aus der Wechselwirkung von Text und Bild lebt dieser Film (La morte-saison des amours). Die Menschen diskutieren in einem fort, reflektieren, interpretieren sich selbst – um durch das Bild widerlegt zu werden.“

1925 - Visages d Enfant - Jacques Feyder
Die Poesie des Zerfalls von Nitratfilm. Visages d’enfants (1925 Jacques Feyder)

Selbstvergessen. Die Konturen der Schweiz nachzuzeichnen, mit schräggelegtem Kopf.

La bandera - 1935 Duvivier
La Bandera (1935 Julien Duvivier) via

Auf einem Tisch und in der Vorstellung: Paris und die Seine. Und wie der Fluss sich da schlängelt, wohlwissend, dass man seinen Aufenthalt in Paris, wenn’s irgend geht, verlängert.

Stevenson - Das Licht der Flüsse

Robert Louis Stevenson: „Das Licht der Flüsse. Eine Sommererzählung“ (An Inland Voyage, 1878). Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Alexander Pechmann; Aufbau, 2011

Sonntag, 25.01.2015

Wozu nur diese schwarze Katze?

die katze - film  juni 1968

Montag, 15.12.2014

Das weiche Buch

The Brothers Rico (1957 Phil Karlson)

So wie sich Wellen an den Strand wälzen, so dramatisch schlägt nur ein einziges Buch seine großen Seiten auf. Das Telefonbuch.

The Brothers Rico 1957 Phil Karlson
The Brothers Rico (1957 Phil Karlson)

Side Street  - Anthony Mann
Side Street (1949 Anthony Mann)

In Filmen wird Lesenden nur mit Ungeduld über die Schulter geschaut. Lektüre soll einen Zweck erfüllen, den Lauf des Geschehens in Bewegung halten. Der frühe Tonfilm war verliebt in Telegramme und Schlagzeilen. Das stumme Kino rückte noch ganze Briefe und Zeitungsartikel ins Bild.

Nicht zu zählen sind die Telegramme, die vernichtet, die Briefe, die verbrannt, und die Fahndungsplakate die von Wänden gerissen wurden im Lauf der Filmgeschichte. Wo ständig Spuren gesucht und Fährten verwischt werden, da geht vom Telefonbuch ein verständlicher Reiz aus. Das weiche Buch ist schwer.

1950 - No Man of Her Own - Mitchell Leisen

1950 - No Man of Her Own - Mitchell Leisen b
No Man of Her Own (1950 Mitchell Leisen)

Eine Frau wird erpresst. Ihr bleibt keine Wahl. In der Schublade: ein Revolver und Munition. Im Telefonbuch: die Option auf eine Taxifahrt in den gefährlichen Teil der Stadt, um dort den Erpresser abzuknallen.

strangers on a train
Strangers on a Train (1951 Hitchcock)

Das Buch, das für jeden offen da liegt. Ohne Widerstand.

1966 - YUL 871 - Jacques Godbout 2
YUL 871 (1966 Jacques Godbout)

Der Zustand von Telefonbüchern, die öffentlich verfügbar sind, grenzt an Verwüstung. Spuren von Suchenden am Rande der Verzweiflung.

Edmond O’Brien ruft jede Linda Norton an, in Obliging Young Lady (1942 Richard Wallace), Edward Brophy ruft jede April Smith an, in I’ll Remember April (Harold Young 1945). Dana Andrews ruft jede M. Taylor an, in Duel in the Jungle (1954 George Marshall). Jeff Daniels findet im Telefonbuch niemanden mit dem Namen Samsonite, in Dumb and Dumber (1994 Peter Farrelly).

The Million Dollar Brain 1966
The Million Dollar Brain (1967 Ken Russell) via

Ein Finger wird als Pfeil ins Alphabet geschickt. Vergleichbares wird, seit die Natur das Auge erfand, mit unwillkürlichem Interesse wahrgenommen. Klaus Wybornys Topologie des Narrativen klärt darüber auf. Der Stoff, aus dem die Welt seit Millionen Jahren besteht, ist bewegliche Verkettung von Möglichkeiten, Bewegung und Stillstand, Gefahr und Begehren, kurz: Erzählstoff.

1966 - YUL 871 - Jacques Godbout

Wählscheiben gaben dem Finger noch eine zweite Gelegenheit in Filmen groß aufzutreten.

1966 - YUL 871 - Jacques Godbout 6
YUL 871 (1966 Jacques Godbout)

Hat ein Buch ein gewisses Gewicht, ist es als Waffe verwendbar.

Les ripoux (1984 Claude Zidi)
Les ripoux (1984 Claude Zidi)

The Terminator
The Terminator (1984 James Cameron)

Das erste Telefonbuch, 1880 in London, verzeichnete nur die Namen der 248 Kunden der Telephone Company. Keine Nummern. – – – „Operator!“

Back to the Future 1985
Back to the Future (1985 Robert Zemeckis)

Das Verzeichnis der Sesshaften trägt niemand freiwillig durch die Gegend. Allenfalls unwissend. Eine Aktentasche, aus der Wertvolleres unbemerkt entnommen wurde, lässt sich damit füllen. So macht es Sydney Toler als Charley Chan at Treasure Island (1938 Norman Foster).

rain man 1988 Barry Levinson
Rain Man (1988 Barry Levinson)

Die Existenz von Telefonbüchern gilt inzwischen als überflüssig und klimabelastend.

Man vergleicht Kartoffeln mit Telefonbüchern, wenn man den Seewolf mit dem Seeteufel verwechselt. Was Graf Luckner gerne vorführte, hält Wikipedia für einen Trick, zu dem „ein scharf gefeilter Daumennagel“ und dann doch „eine nicht unerhebliche Kraft“ dazugehört. „Der Trick wird heute kaum noch im Fernsehen gezeigt, da die Hände zu sehr durch die Kameras vergrößert werden und dadurch das Wirken des Daumens offenbar wird.“ Der trickversierte Maler Brandon McConnell geht ganz anders vor; auf youtube zeigt er, wie ein geschickter Knick etwas Luft zwischen den Seiten lässt…

the man who knew too much 1956
The Man Who Knew Too Much (1956 Hitchcock)

Meinten Sie: Ambrose Chapel

The Lady in Cement 1967 c

The Lady in Cement 1967 d
The Lady in Cement (1967 Gordon Douglas). Gelbe Seiten.

Im Nachhinein bemerkenswert: Die klare Unterscheidung der gelben Seiten von den weißen. Die Idee der zwei getrennten Bücher: Das eine ganz der Konkurrenz verschrieben, das andere der Gleichheit verpflichtet.

Um nachzuschauen, wie sehr sich inzwischen die Händler im Tempel breitgemacht haben, musste ich ein Telefonbuch zur Hand nehmen. Lange hatte ich keins aufgeschlagen.

Tony Rome 1966 a

Tony Rome 1966 b miami beach. twenty miles of sand looking for a city
Tony Rome (1966 Gordon Douglas), Miami Beach, „twenty miles of sand looking for a city“. via

„Es sei der Post gedankt, dass sie keinem Parasiten erlaubt, im Telefonbuch ein Feuilleton zu eröffnen“. Harun Farocki schrieb das 1978 in der Filmkritik – gegen die damals entstehenden Stadtzeitungen.

Ich erinnere mich, dass ich trotzdem stolz war, in einer Stadtzeitung meinen Namen gedruckt zu lesen.

The Jerk 1

The Jerk 2

The Jerk 3
The Jerk (1979 Carl Reiner)

„I’m somebody now. Millions of people look in this book everyday. This is the kind of spontaneous publicity – your name in print – that makes people. I’m in print! Things are going to start happening to me now.“ (Steve Martin, in The Jerk, 1979)

1965 I saw what you did  - William Castle
I saw what you did (1965 William Castle)

Make Love Not War 1968 Klett 01

Make Love Not War 1968 Klett
Make Love Not War (1968 Werner Klett)

Im Berliner Telefonbuch sucht eine junge Bielefelderin nach einem besonders häufigen Namen, der als Tarnung taugt für den amerikanischen Deserteur, den sie auf dem Dachboden versteckt hält.
„Herbert Richter, der hat keinen Beruf“, sagt sie, „der ist beim Geheimdienst.“
Schaut man genau hin, waren die meisten Herbert Richters in Berlin 1967 ohne Beruf – oder beim Geheimdienst. Als Amateurdetektiv im Offensichtlichen (keine Berufsnennung) ein Geheimnis (beim Geheimdienst) entdecken zu können, das ist eine Vorstellung aus Kindertagen, als alles rund ums Telefon interessant war.

James Garner - Rockford Files
James Garner

In einem noch unveröffentlichten Buch über die Ereignisse im Inflationsjahr 1923 in Mönchengladbach und Rheydt macht Achim Bovelett auf eine Anzeige in der Westdeutschen Landeszeitung (vom 13.4.1923) aufmerksam: Für einen Eintritt von 400 Mark konnte man im Restaurant P. Tillmann eine Riesenspinne bewundern, die im Stande war, jeden Gast mit Vor- und Zunamen anzureden.

Freitag, 10.10.2014

„Habe ich mitten in der Nacht eine Idee, stehe ich sofort auf und setze sie um.“

Bruno Sukrow .Tauchfahrt ins Verderben 2013
Tauchfahrt ins Verderben (2013 Bruno Sukrow)

Der pensionierte Maschinenschlosser Bruno Sukrow wurde im Alter von 82 Jahren von jenem Fluch heimgesucht, den als Segen so viele sich wünschen. Er wurde Filmemacher.

Am Ende des Weges (2010), Die Formel Aestus, Der schwarze Panther, Indian Affair, Endzeit, Dschungel Queen (2011), Saturnus (2012) …
Die Animationsfilme, die der nun 87-Jährige daheim am Computer herstellt, sind seit 2012 keine Kurzfilme mehr, sondern abendfüllend.
Planet des Grauens (2012), Der Biss der Steinnatter, Der Stern von Rio, Das Moorhaus, Fata Morgana, Die letzte Safari, Tauchfahrt ins Verderben, Martins Feuer, Dracula in Afrika (2013), Griechischer Wein, Der Irre von Thornhill, Das Gesetz der blauen Berge, Trommeln am Okawango (2014).

Der bislang ausschließliche Ort der Vorführungen, das Aachener „Leerzeichen“ liegt just unter den Wohn- und Arbeitsräumen des Filmemachers, der sich bescheiden als „Filmbastler“ sieht. Aber die Zahl der von weit her anreisenden Bewunderer steigt kontinuierlich.

1956 - The Living Idol
The Living Idol (1956 Albert Lewin) * * * *

Wie beschreiben? Was geschieht, wenn in Albert Lewins The Living Idol ein Leopard durch Mexiko-City schleicht? Sieht das aus, wie von de Chirico gemalt? Oder wie in einem Traum? Nein, schöner. Die Zeit steht still, genüsslich und geheimnisvoll. – Wie in einem Film von Bruno Sukrow? – Ja, genau.

Bruno Sukrow – ein später Henri Rousseau der Filmkunst – hat etwas erfunden, das zur Zeit noch keinen Namen hat. Schwer zu entscheiden, ob das Etikett „naiv“ oder „extrem erfahren“ besser passt.

Die ungezierte Originalität seiner Filme sprudelt aus zwei nah beieinander gelegenen Quellen. Zum einen: Humor, der das Alltägliche und das Unglaubliche nicht von einander trennen mag. Und: ein rares Erzähltalent, dem die profansten Liebeskonflikte mit den exotischsten Abenteuern spielend leicht vereinbar sind.

Der schwarze Panther (2011), ein Film mit ungeheuer schönen, hohen, schwankenden Gräsern und nie zuvor gehörten Dialogen, gab mir das Gefühl, es hätte Rudolf Thome in Topform den Tiger von Eschnapur ganz neu verfilmt.

Griechischer Wein 2014 Bruno Sukrow
Griechischer Wein (2014 Bruno Sukrow)

Bruno Sukrow ist ein Karel Zeman im Second Life. Der Vergleich mit den surrealistischen Montagen von Max Ernst oder Hilary Faye drängt sich auf. Er ist Monteur und Naturgesetzgeber einer eigenen Welt, „deren sanfte Abgedrehtheit bezaubert und hypnotisiert“ (Silvia Szymanski).

Nichts und niemandem, nur den Tugenden eines Erzählers verpflichtet, ist er der Letzte der Unabhängigen. Oder, wer weiß, ist er der Erste?

Heute um 20:00 Uhr gibt es in der „Raststätte“, Lothringerstraße 23, in Aachen die einmalige Gelegenheit, zwei der schönsten Filme von Bruno Sukrow in einem Double Feature zu genießen: Martins Feuer (2013) und Griechischer Wein (2014).

Freitag, 26.09.2014

J. LEE THOMPSON

Teil II: Die Patrone und das rohe Ei

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Tiger Bay (1959)

Im Chorgestühl während der Messe zeigt Gillie (Haley Mills), dass sie jetzt eine Pistole besitzt. Eine echte sogar. Sie wird nicht länger ausgeschlossen sein aus dem Spiel der Jungs mit ihren Zündplättchenpistolen. Was sie verheimlicht: Sie ist Zeugin eines Mordes geworden.

J. Lee Thompson war Hitchcockianer, also Frontalist mit einer besonderen Leidenschaft für Perspektivwechsel, und Realist – soviel wie nötig – um aus Traumbildern den Tatbestand der Mitwisserschaft herbeizuführen.

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Cape Fear (1961)

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Tiger Bay (1959)

Der französische Titel von Tiger Bay: Les Yeux du Témoin – Die Augen der Zeugin. Der deutsche Titel: Ich kenne den Mörder.

Zur Berlinalepremiere fand Erika Müller damals in der „Zeit“ ein paar lobende Worte (mit einem „aber“ darin): „Ein kleines Mädchen, Hayley Mills aber, die das Schauspielerblut ihres Vaters John Mills geerbt hat – er spielt den Inspektor in dem Reißer – fasziniert so sehr mit ihren bezaubernden Kinderaugen und ihrem lebhaften Spiel, daß das Publikum mit ihr das Entkommen des Mörders wünschte und gerührt war, wo es hätte entrüstet sein müssen.“

Um Lee Thompsons Kunst zu beschreiben, sind das gar keine so falschen Vokabeln: Wunsch und Rührung, wo Entrüstung sein müsste.

Als Scorsese sein Remake von Cape Fear drehte, sagte J. Lee Thompson in einem Interview, er sei ein Scorsese-Fan, und sein Lieblings-Scorsese-Film: The King of Comedy. „You’re gonna love me / Like nobody’s loved me / Come rain or come shine,“ singt Sandra Bernhard.

Murder Without Crime (1950)
Murder Without Crime (1950)

„His first film. A melodrama about a man who thinks he has committed murder, this well structured film went largely unnoticed but contained many of the themes which were to characterise Lee Thompson’s work: a good person’s struggle with their conscience, an external force of evil, and an out-of-character moment of violence which has long-term consequences. Believing people can ‚commit crimes without being criminals‘, he sought to make his audiences condone or at least understand behaviour that they would normally condemn.“
(Linda Wood, Reference Guide to British and Irish Film Directors)

Daniel Paul Schreber war fest überzeugt von der „totalen Unfähigkeit Gottes den lebenden Menschen richtig zu beurtheilen.“ („Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“, 1903)

Diana Dors - Yield to the Night - 1958
Diana Dors in Yield to the Night (1958)

Die Auswahl der Bilder könnte glauben machen, es gäbe, was Blicke angeht, eine Verwandtschaft zwischen Lee Thompson und heute populären Regisseuren, die ihre Darsteller gerne in die Kamera starren lassen. Das Gegenteil ist der Fall. Bei ihm sind die frontalen Blicke – anders als z.B. bei Wes Anderson – nicht starr, sie schweifen umher, streifen nur kurz die Linse, zermürbt, in Panik oder in Gedanken.

No Trees in the Street
No Trees in the Street (1959), Kamera: Gilbert Taylor

Lee Thompson verließ sich nicht gerne auf story boards, löste die Probleme der Auflösung lieber vor Ort während der Proben mit den Schauspielern in Anwesenheit des Kameramanns. Im DVD-Kommentar zu Guns of Navarone spricht er ausführlich darüber. Gleichermaßen luxuriös wie zeitsparend sei es, Szenen in ganzer Länge durchzuproben. Denn man fühle gemeinsam rechtzeitig, was nicht stimmt. Es war wohl auch diese Arbeitsweise, die ihn bei Schauspielern beliebt machte.

Stars haben die wiederholte Zusammenarbeit mit Lee Thompson gesucht. Herbert Lom (1917-2012) hat mit ihm fünf Filme gemacht. Diana Dors: vier, Sylvia Syms: drei, Anthony Quayle: fünf, Gregory Peck: vier, David Niven: drei, Anthony Quinn: drei, Robert Mitchum: drei, Charles Bronson: neun.
Unter vielen wechselnden Kameramännern war Gilbert Taylor (1914-2013) die Ausnahme: fünf gemeinsame Filme.

Bronson - Death Wish 4
Death Wish 4: The Crackdown (1987) destructible man

„… und er erwachte in der Finsternis mit einem gellenden Schrei.“ (Chesterton: Der stumme Ochse)

„An opening that is among the best of its kind.“ (Christopher Mulrooney)

“The only way to win a war is to be just as nasty as the enemy. One thing that worries me is that we’re liable to wake up one morning and find out we’re even nastier than they are.”
(Gregory Peck in The Guns of Navarone)

Kinjite Forbidden Subjects (1989)
Kinjite: Forbidden Subjects (1989)

„Auf jede aufwiegelnde, das Bedürfnis nach Triebabfuhr befriedigende und den Reaktionismus schürende Szene folgt eine, die den Fokus erweitert, Kontext hinzufügt und den Zuschauer so vor die Wand seiner eigenen perfiden Bedürfnisse laufen lässt.“ (Oliver Nöding)

Lee Thompson: „I always liked to bring political viewpoints into my films and I was strictly towards the Left. (…) But the other left-wingers in the business hated me. To this day I don’t know why.“

Yield to the Night (1958 J. Lee Thompson)
Yvonne Mitchell und Diana Dors, Yield to the Night (1958)

Yield to the Night ist ein Film gegen die Todesstrafe. Ungewöhnlich, nicht von Zweifeln ausgehend, sondern vom sinnlichen Augenschein. Vollkommen desinteressiert an Argumenten, die sich an das Unbewiesene der Schuld knüpfen könnten. Die Schuld, kaltblütiges Töten steht am Anfang und ganz außer Frage. Die ungeteilte Aufmerksamkeit gilt also dem, was zwischen Menschen möglich ist. Sie gilt der Aufmerksamkeit selbst. Auch wenn es nur eine Geste ist – gegen das Licht in der Todeszelle.

Yield to the Night - Lee Thompson
Yield to the Night (1958)

Daniel Paul Schreber spricht in seinen „Denkwürdigkeiten“ vom „natürlichen Recht des Menschen auf das Nichtsdenken“.

Taras.Bulba
Taras Bulba (1963)

Im Sommer, wenn man ein Eis isst, wird der Gaumen zum kühlen Kellergewölbe, über dem das arme Hirn in seinem Stübchen schmort.

Diana Dors - Yield to the Night - 1958 J. Lee Thompson (2)
Yield to the Night (1958)

„Wie man sich diese Unfähigkeit Gottes, aus Erfahrung zu lernen, erklären soll, ist eine auch für mich überaus schwierige Frage.“
Am Ende seines Buches äußert Schreber frei von jedem Scherz diese außergewöhnliche Sorge, „was im Falle meines Ablebens – wenn ich mich so ausdrücken darf – aus Gott werden soll.“

Dienstag, 23.09.2014

J. Lee Thompson (1914-2002)

Teil I: Blicke, Waffen, Abgründe

Cape Fear
Cape Fear (1962)

„Ich kann nicht beschreiben, was in so einem Blick sein kann, der mir den Boden wegzieht. Er ist für mich der Beweis, daß Menschen eine Seele haben. Sie wissen nicht, daß man sie dann sehen kann, und ihr verzweifeltes, unrealistisches Bedürfnis, etwas zu durchdringen, aus sich heraus, in was hinein. Es ist nicht persönlich gemeint, und es ist mehr als sexuell. Niemand weiß, was er sich davon verspricht, und niemand bekommt es wirklich bleibend, oder? Es liegt so nah, die Augen zu schließen, einzuwilligen, nachzugeben und zuzulassen, dass alles zerstört wird.“
(Silvia Szymanski: Chemische Reinigung, 1998)

Return from the Ashes 1965 a

Return from the Ashes 1965 b
Return from the Ashes (1965)

„Die menschliche Seele ist in den Nerven des Körpers enthalten, über deren physikalische Natur ich als Laie nichts weiter aussagen kann, als daß sie Gebilde von außerordentlicher Feinheit -— den feinsten Zwirnsfäden vergleichbar — sind, auf deren Erregbarkeit durch äußere Eindrücke das gesamte geistige Leben des Menschen beruht.“ (Daniel Paul Schreber: „Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“, 1903)

Return from the Ashes 2
Return from the Ashes (1965)

„Es ist eine Angewohnheit von mir, Menschen auf den Mund zu schauen und nicht in die Augen, wenn ich mit ihnen spreche.“ (Claudia Basrawi: „Intelligente Oberflächen“, Merkur, Mai 2014)

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The Guns of Navarone (1961)

Sicherheit ist allenfalls Verzögerung. Nur kurz sperrt Stahl das Unheil draußen aus oder den Tod drinnen ein. Nichts hält den Fortgang der Geschichte auf, nur das Geschick eines Erzählers.

Return from the Ashes (1965)
Return from the Ashes (1965)

Um von unerwiderter Liebe zu erzählen, war das Melodram plötzlich nicht mehr der richtige Auftrittsort. Mitte der 60er Jahre war etwas neu eröffnet worden: der Thriller. Verdrängtes durfte darin grob zum Ausdruck kommen. Alter, Verfall und Begehren. Ehrlichkeit. Was Aldrich und Castle mit Bette Davis und Joan Crawford erfunden haben, kann man Horror-Melodram nennen.

Sogleich der Anfang von Return from the Ashes stellt unzweifelhaft klar: Der größte, nicht vorstellbare Schrecken liegt vor dem Begin der Erzählung.
„The opening scene before the credits is a virtuoso masterpiece summing it all up and showing, it may be suggested, a derivation or influence of Wyler’s The Heiress.“ (Christopher Mulrooney)

Sich jemanden kaufen, durchschauen, lieben, ohne geliebt zu werden.
Filme machen, Filme anschauen.

Phoenix spricht anders als Return from the Ashes leise, wo es um Liebe geht. „Speak low when you speak love“. Ich bewundere die Intelligenz mit der Petzold und Farocki den richtigen, schmerzlichsten Abschnitt aus der Erzählung gewählt und vergrößert haben. Aber im Gegensatz zu Phoenix bringt Return from the Ashes heraus, was sich nur im Schutz des Genrekinos aussprechen lässt: Eine Frau, die akzeptiert, nicht geliebt zu werden, muss um ihr Leben fürchten.

Sylvia Syms, Yvonne Mitchell, J. Lee Thompson
Sylvia Syms, Yvonne Mitchell, J. Lee Thompson

Yvonne Mitchell 1957 - Woman In A Dressing Gown
Woman in a Dressing Gown (1957)

Eine Frau unter Einfluss. In einem Käfig namens Küche.

Wer verlangt noch weitere Beweise, dass die besten Actionregisseure die besten Frauenfilme machen?

The Guns of Navarone
The Guns of Navarone (1961)

20 Filme von Lee Thompson sah ich seit dem Frühling. Und mein Vergnügen nahm die Form an, die sprachlos bleiben möchte, mit der Ausrede: Nichts kann ich sagen, bis ich nicht alles gesehen habe.

Ich stellte außerdem fest: Schaut man die Filme ein zweites Mal an, werden die schwächeren besser und sogar die besten noch besser. Warum das so ist, erkläre ich mir damit: Weil es Filme eines Virtuosen sind; virtuos darin, die Sicht auf alles, was geschieht, nach Belieben einzuschränken oder plötzlich freizugeben, unermüdlich und geschickt zu behindern.
Säulen, Hinterköpfe, Gitterstäbe, Felsen und Gestrüpp machen es dem Auge und dem Urteil schwer. Aber das Auge gewöhnt sich auch an die Finsternis. Blicke sind Suchende. Höhlen haben zweite Ausgänge.

The White Buffalo 1976
The White Buffalo (1977)

Wild Bill Hickok (Charles Bronson) feuert aus zwei Revolvern. Ein unaufhaltsam herannahender weißer Büffel versetzt ihn in Todesangst, als er in einem Schlafwagenabteil aus seinem schrecklichen Traum erwacht. Noch benommen erhebt er sich und schaut eilig in die über ihm gelegene Schlafkoje, die von ihm durchschossen, aber glücklicherweise leer ist. Jederzeit kann es einen zufällig ganz übel erwischen, weil irgendwer einen scheußlichen Traum hat.

Cape Fear 2
Cape Fear (1962)

Es gibt die strotzende Überlegenheit über das Hilflose.

Ich habe noch eine zweite Hypothese, warum die Filme von Lee Thompson beim wiederholten Sehen noch besser sind: Weil sich dann ein Widerstand aufgelöst hat.
„Nicht um von Schrecken und Mitleiden loszukommen, nicht um sich von einem gefährlichen Affekt durch dessen vehemente Entladung zu reinigen – so verstand es Aristoteles –: sondern um, über Schrecken und Mitleid hinaus, die ewige Lust des Werdens selbst zu sein, – jene Lust, die auch noch die Lust am Vernichten in sich schließt… “ (Nietzsche: „Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt“, 1889)

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Mackenna’s Gold (1969)

„Die Indianerin nimmt ein Nacktbad in einem Studio-Pappmaché-Felsenweiher.“ (Joe Hembus, Westernlexikon)

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Mackenna’s Gold (1969), „ein schrecklicher Film.“ urteilte Hembus.

Am 1. August wäre der Hundertste Geburtstag von J. Lee Thompson gewesen. Ich hatte mir vorgestellt, punktgenau mit einem Text aufwarten zu können, der geschmückt mit den allerschönsten Perlen, fremden Federn, zweckentfremdeten Zitaten, einen fast Vergessenen feiert. Aber der Termin verstrich.
„Der Sommer ist schneller vorbei, als man denkt. Ein nächtlicher Wind hat die Blüten gekränkt. Die Zeit, die dir blieb, hast du lachend verschenkt,“ sang Udo Jürgens 1976.

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Taras Bulba (1963)

„Dabei hat sich aus der Gesammtheit meiner Erinnerungen der Eindruck in mir festgesetzt, als ob der betreffende nach gewöhnlicher menschlicher Annahme nur drei bis vier Monate umspannende Zeitraum in Wirklichkeit eine ungeheuer lange Zeit umfaßt haben müsse, als ob einzelne Nächte die Dauer von Jahrhunderten gehabt hätten, sodaß innerhalb dieser Zeit sehr wohl die tiefgreifendsten Veränderungen mit der ganzen Menschheit mit der Erde selbst und dem ganzen Sonnensystem sich vollzogen haben konnten.“ (Schreber: „Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“)

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Schwebefähre und Zündplättchenpistole, Tiger Bay (1959)

Hans Schifferle hatte Tiger Bay in seiner Entdeckungsliste in der letzten SGE-Ausgabe. Das war ein entscheidender Hinweis.

Ich sollte versuchen, aus den drei Worten der Überschrift wenigstens ganze Sätze zu bilden. Blicke, Waffen, Abgründe.

Über die vielen Waffen in den Filmen von Lee Thompson, ließe sich sagen, dass sie regelmäßig denen in die Hände fallen, die damit bedroht werden sollten. Aber jeder weiß das: Waffen waren schon immer in der Mehrzahl aus zweiter Hand. Und ich weiß: Alles was ich über „die aktuelle, noch nie dagewesene Situation“ denken kann, ist auch nur aus zweiter Hand.

1965 - John Goldfarb, Please Come Home - J. Lee Thompson
John Goldfarb, Please Come Home (1965)

„Der moderne Massenkrieg ist möglich, nicht weil mehr Menschen uneinig sind, sondern weil mehr Menschen übereinstimmen.“ (Chesterton: „Der stumme Ochse. Über Tomas von Aquin“, 1933)

In Return from the Ashes, in einer Rückblende – 1939 – sagt Maximilian Schell: Sollte der Krieg kommen, wird Deutschland ihn jedenfalls verlieren. Und als Ingrid Thulin daraufhin amüsiert fragt, was ihn da so sicher mache, sagt er: „Can you name one really outstanding german chess player?“

Happy Birthday to Me (1981)
Happy Birthday to Me (1981)

Einen Abgrund zu überwinden – oder auch nicht, das ist eine Standardsituation in den Filmen von Lee Thompson. Mutproben erweisen sich häufig als verhängnisvoll.

Kurz nach Kriegsende in Österreich: Major Burnside (David Niven), englischer Kommandant eines Flüchtlingslagers, erzählt eines Abends von einer Brückensprengung, die jemand „once upon a time“ im Alleingang, eigenmächtig, leider erfolglos versuchte. Er wünscht sich zurück in eine ähnliche Situation. Before Winter Comes (1969) erzählt davon, dass sich Mut nicht beweisen lässt zum selbstgewählten Termin, sondern nur im Umgang mit dem Unumgänglichen.

The White Balloon
The Yellow Balloon (1952) …

…“begins in Blitzed ruins and ends in an underground station closed since the war.“ (Christopher Mulrooney)

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North West Frontier / Flame Over India (1959)

„Hier eine höchst einfache Bemerkung: niemand hat jemals behauptet, er handle aus bösem Willen. Wir alle – unsere Feinde inbegriffen – sind ‚Menschen guten Willens'“
(Denis de Rougemont: „Der Anteil des Teufels“, 1942)

North West Frontier hat mich erst beim zweiten Sehen begeistert. Ein Abenteuer- und Reisefilmessay über Waffen und all die vergangenen und kommenden Kriege. Sehr nahe dran an John Ford; Drehbuch: Frank Nugent, nach einer short story von Patrick Ford.
Auch J. Lee Thompson fragte skeptisch, was nach dem Krieg kommt. Bestimmt nicht das, was man Frieden nennt.

Taras Bulba a
Taras Bulba (1963), „the cinematic equivalent of one fine chub of garlic sausage“ (Greg Klymkiw)

In fast allen Texten über J. Lee Thompson ist zu lesen, er habe mit ein paar Filmen seinen guten Ruf ruiniert. Aber es sind jedesmal andere Filme, die da genannt werden. Und speziell jene Titel, die als „Ausrutscher“ gelten, haben anderswo ihre Fans.

Christoph Huber hat ein famoses Interview gemacht mit jenem Produzenten, der dem „much-maligned craftsman“ Lee Thompson in den 80ern eine kontinuierlich rege Herstellung von Alterswerken ermöglichte, Menahem Golan (1927-2014). Ein wirklich famoses Interview.

Mackenna's Gold a
Mackenna’s Gold (1969)

Eine ausdrückliche Empfehlung: Der Affen- & Vogelpark Eckenhagen, im Sauerland. Das ist eine feine Mischform aus Kirmes und Zoo, wo zwischen elektromechanischen Schaukeln und Karussells mit Münzeinwurf, draußen im Grünen, die Tiere mit Menschen in Berührung kommen.

Lauren Bacall
North West Frontier / Flame Over India (1959)

Das Münchner Werkstattkino, das beste Kino der Welt, zeigte vorletzte Woche Harun Farockis drei Kinofilme von 1986, 1988, 1990, und dann als Auftakt einer Filmreihe im Gedenken an Lauren Bacall: North West Frontier.

Caboblanco.
Das verblüffende Ende von Caboblanco (1980)

Das Aufzeichnungsverfahren Papagei oder Der Sprung in der Schallplatte.

Indem er seinen Vornamen auf den Anfangsbuchstaben verkürzte und dazu noch auf den Bindestrich zwischen seinen zwei weitverbreiteten Nachnamen verzichtete, hat John Lee Thompson es dem Gedächtnis der Nachwelt nicht gerade leicht gemacht. Trotz seiner 45 Filme in vier Jahrzehnten, trotz Yield to the Night und North West Frontier und Tiger Bay und Cape Fear führen einige Lexika ihn falsch unter Thompson, nur manche korrekt unter Lee, die meisten überhaupt nicht.

Charles Bronson - Leuven - 2014

Als wir an einem sonnigen Januartag in Leuven diese Raupe bestiegen, klang aus den Lautsprechern „Whole Lotta Shakin‘ Goin‘ On“ von Jerry Lee Lewis und dann, in voller Fahrt, „Kili Watch“ von den Cousins. Mit der Erfindung des Rads ist es gelungen, die Drehbewegung in einer Konserve – also ein nicht geringes Maß an Euphorie – auf alle Zeit bereitzustellen.

Sonntag, 20.07.2014

Medien und Traditionsgeister

Neue und Traditionsgeister eingetroffen, Juli 2014

„Über 90 Jahre Geisterbahn-Erfahrung – Neue und Traditionsgeister eingetroffen!“ (Kirmes in Düsseldorf, im Juli 2014)

Freud schreibt 1919, „dass der Sprachgebrauch das Heimliche in seinen Gegensatz, das Unheimliche übergehen lässt, denn dies Unheimliche ist wirklich nichts Neues oder Fremdes, sondern etwas dem Seelenleben von alters her Vertrautes, das ihm nur durch den Prozess der Verdrängung entfremdet worden ist.“

Fritz Wepper - Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn - 1967 - Rolf Olsen
Fritz Wepper, Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn (1967 Rolf Olsen)

Hinter den Büchern: eine Pistole. Hinter dem Anschein: der Machtbeweis. Hinter dem Sohn: der Vater. „Dieser Film ist ein Tatsachenbericht“, ein St. Pauli-Krimi und ein Anti-LSD-Melodram. Kein Generationskonflikt, sondern die Verschmelzung von Vater und Sohn forciert das Drama. Eine Hamburger Ophelia halluziniert folgenschwer, sie verwechselt ihren Angebeteten mit dessen Papa! Die Alten und die Neuen, ununterscheidbar im Jahre 1967! Rolf Olsens Genrefilme sind – meist von ihm selbst geschrieben – so brachial wie subtil. Chirurgische Meißel.

Sein Mondo-Film Reise ins Jenseits (1975) ist ein weltumspannendes Grusel-Kompendium voll zwielichtiger Gestalten: Zahnärzte, Exorzisten und Elektroplasma-Experten, lauter schräge Onkels. Programmatisch ist die leibliche Präsenz des Gespenstigen, in Fleisch und Blut. Die internationalistische Geisterbahnfahrt rund um die Welt führt zuletzt in einen brasilianischen Verein, in dessen Partyräumen einander alle gegenseitig rituell und exzessiv vom Wahn befreien.

Stately Ghosts of England - 1965 - Frank de Felitta
Margaret Rutherford in The Stately Ghosts of England (1965 Frank de Felitta): „Shakespeare“

Ein kleiner Exkurs. Ein dokumentarisches Road-Movie. Die Miss-Marple-Darstellerin und ihr Ehemann (Stringer Davis), beide als sie selbst, sind unterwegs auf Gespensterjagd. Die Stationen ihrer Reise sind malerische Spukschlösser, deren Bewohner höflich Auskunft geben, während Portraits von den Wänden herabschauen. In einem leeren Flur, der so leer ist und furchteinflößend ausdrucksvoll wie sonst nur die Flure in Freddie Francis‘ Filmen, wird über Nacht eine Filmkamera als Wächter aufgestellt. Eine verborgene Treppe hinterm Bücherschrank ist in dieser Atmosphäre nichts weiter Bemerkenswertes. Unter gotischen Bögen soll der Gesang toter Zisterziensermönche mit einem Nagra-Tonbandgerät aufgezeichnet werden. Man lauscht ins Dunkel der Nacht. Bis der Abspann vorbei ist. Dann huscht noch die Schriftspur eines Fettstifts über den Filmstreifen. *

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Die New York Times berichtete 1965, es seien 7.000 Meter Film beim Entwickeln flaschengrün geworden.

„Durch Rigipswand und Verstand / Nicht nur über die Leitung von der Telefonschnur / Die Mutter hört stundenlang stur Telefonstimmen zu und sagt: Ja, Ja./ Irgendjemand benutzt sie.“ (Das weiße Pferd: Inland Empire – „Höhere Gewalt“, 2013)

Sebastian Haffner schreibt über die Dämonen: „Sie haben sich in den Maschinen häuslich niedergelassen und verwirren von dort aus in althergebrachter Weise das Leben der Menschen.“ („Der Dämon in der Hörmuschel“, 1936)

Derrida hat ganz Ähnliches weniger gut formuliert. Sein Buch über „Marx‘ Gespenster“ griff ich mir aus einem Regal und las drin rum, bis ich endlich was fand, das mir gefiel: „… dass jeder mit seinen Gespenstern liest, denkt, handelt, schreibt, auch wenn er es auf die Gespenster des anderen abgesehen hat.“ Marx ereifert sich über Max Stirner, „der wie er von den Gespenstern besessen“ … „noch vor ihm “ … „alle Exorzismen ausprobiert, und mit welcher Eloquenz, mit welchem Jubel, mit welchem Genuss!“ In Stirners „Der Einzige und sein Eigentum“ (1844) spukt Alles; „auch die sogenannte Menschheit ist als solche nur ein Gedanke (Spuk); ihre Wirklichkeit sind die Einzelnen.“

Night of the Demon
Dana Andrews in Night of the Demon (1957 Jacques Tourneur)

Wovon Marx tatsächlich besessen war, erfuhr ich erst aus Günter Schultes „Kennen Sie Marx?“ (1992). In vergleichbar „aufschlussreiches Erschrecken“ versetzte mich nur „Die grausame Wahrheit der Bibel“ (1995).
Ich hatte ja keine Ahnung, wie sehr es im „Kapital“ spukt. Dass dort ein Tisch nicht lange „ein ordinäres sinnliches Ding“ bleibt, denn „sobald er als Ware auftritt, verwandelt er sich in ein sinnlich übersinnliches Ding. Er steht nicht nur mit seinen Füßen auf dem Boden, sondern er stellt sich allen andren Waren gegenüber auf den Kopf und entwickelt aus seinem Holzkopf Grillen, viel wunderlicher, als wenn er aus freien Stücken zu tanzen begänne.
Die Ware ist ein Weibsteufel, ein Nachtgespenst namens Lilith. So bedrohlich weiblich wie Pamela Prati in Sukkubus (1989 Georg Tressler). Die Ware zerrt ihren Erzeuger in den Vergleich und durchs Verglichenwerden ins Verderben.

Und was geschieht mit den Töchtern? Das ist die wilde Sorge in einigen der schönsten Gruselfilme. Der gleiche brennendheiße Kummer befeuert aber auch Rolf Olsens Anti-LSD-Melodram Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn – und die Marxschen Schriften und den Fundamentalismus.

„Pelikan und Igel wohnen dort, darinnen hausen Eule und Rabe. Die Messschnur der Leere spannt er darüber aus…“ (Jesaia 34/11)

Stockstadt (Main)

Zughalt auf der Strecke Köln – Nürnberg, in Stockstadt am Main.
Es wäre doch schön, wenn ein solcher Wohnungsbau mal gleichermaßen effektvoll in Szene gesetzt würde, wie es einst mit den Spukschlössern gelang.

„Bei allem, dessen ich bisher Zeuge gewesen bin, und ebenfalls bei all den Wundern, die von den Amateuren des Geheimnisvollen in unserem Jahrhundert berichtet worden sind, wurde ein menschliches Medium benötigt.“ (Edward Bulwer-Lytton: „The Haunters and the Haunted“, 1859)

Reginald Beckwith in Night of the Demon (1957 Jacques Tourneur), Zelda Rubinstein in Poltergeist (1982 Tobe Hooper), Geraldine Chaplin in El Orfanato (2007 J.A. Bayona), Vera Farmiga in The Conjuring (2013 James Wan). Diese vier Medien fallen mir ein, ohne lange nachzudenken.

Stefan Ertl gab mir den Hinweis auf Rolf Olsens Dokumentarfilm über den schwedischen Jenseitsforscher Friedrich Jürgenson. Schon vor langer Zeit war ich in „Gdinetmaõ“ auf dessen Autobiografie eingegangen. Nun protokollierte ich in SGE#23 den von Olsen verfassten Kommentartext seines nur auf VHS vermarkteten und deshalb recht unbekannten Films.

1987 - Die Brücke zur Unsterblichkeit - Rolf Olsen

Last Gate To Eternity – Die Brücke zur Unsterblichkeit – Friedrich Jürgenson und seine andere Welt (Gestaltung, Kommentar und Realisation: Rolf Olsen; Regieassistenz: Ilse Olsen-Peternell; Schnitt: Barbara Riekel; Kamera und MAZ-Bearbeitung: Hubert Eisner; 1987 Scout Movies Production, München. Länge: 62 Minuten). *

Abtippen ist nicht mein Plaisir, aber Sätze wie die folgenden machen mir Freude: „Spätherbst – auch im Leben dieses Mannes, der in der Weisheit seines Alters, dem Frieden seiner Umgebung, nunmehr sein Lebenswerk vollenden möchte… Der ehemalige Opernsänger, Historiker und Archäologe verdient sich seinen Lebensunterhalt als Maler, dessen Bilder sich großer Beliebtheit erfreuen. Das versetzt ihn in die Lage, sich sein bedeutsames Hobby, die aufwendige Tonbandstimmenforschung, leisten zu können und dafür auch die nötige Zeit und Geduld mitzubringen.“

The Conjuring
The Conjuring (2013 James Wan)

Teleskop und Mikroskop machten vor langer Zeit das Unsichtbare sichtbar. In diese Traditionsreihe stellt Friedrich Jürgenson sein Instrument: das Audioskop, das Unhörbares hörbar macht. Die Stimme der verstorbenen Mama war es, die er eines Tages mit Vogelstimmen zusammen aufzeichnete, und die ihn mit Nachdruck auf die vielen anderen hinwies, mit denen es von nun an zu kommunizieren galt. Der Empfang der Totenstimmen verlief über eine Mittelwellenfrequenz, auf der Skala zwischen Moskau und Wien. Das Unvermeidliche, der Tod, das Schwert über uns, es verliere seine Bedrohlichkeit, sagt Jürgenson, sobald man die Toten singen und scherzen hört.

Friedrich Jürgenson - Erste Jahre der Forschung in Mölnbo
Friedrich Jürgenson, Jahre der Forschung in Mölnbo

HÖÖR, SÜDSCHWEDEN, NOVEMBER 1986. „Heute lebt Jürgenson mit seiner Lebensgefährtin im beschaulichen Städtchen Höör im gemütlichen Haus seines ehemaligen Freundes, des dahingeschiedenen Mannes von seiner jetzigen Partnerin.“ Dessen Mitteilungen aus dem Jenseits sind die schönsten im ganzen Film, weil sie durch einen lauten Sturm von Mittelwellenrauschen hindurch vom frohen Viervierteltakt eines Schlagers getragen und von Jürgenson einmal nicht geduldig wiederholt werden, bis mit Mühe zu verstehen ist, was er versteht, sondern hier der Forscher schubweise in den rhythmischen Gesang des Geistes einfällt in munterem Schwung. Es muss auch erwähnt werden, dass der Anblick von Jürgensons rotem Pullover neben der mit Pferden bedruckten roten Bluse seiner Lebensgefährtin vor dunkelroten Topfpflanzen im Bildhintergrund, als wildharmonische Bildvariante trauten Glücks, hier in der Mitte des Films einem Sich-Sträuben auf die Sprünge hilft, nicht mehr nur ganz Ohr zu sein, stattdessen schauen zu wollen – an diesem beschaulichen Ort namens Höör.

the uninvited 1944
Blick aufs Meer in The Uninvited (1944 Lewis Allens)

Als Friedrich Jürgenson zu Besuch bei einer Anhängerin, die Radiobotschaft „Hundekontakt in Vemmenhög“ erläutert, rauscht mitten hinein ins mühsam Unverständliche eine diagonale Wischblende und entführt uns von einem weißgetünchten, offenen Kamin auf eine regennasse und laut befahrene Straße. „Düsseldorf. Hier in der lebendigen Großstadt, Zentrum für Mode und zeitgemäße Industrie, ist auch der Sitz von Deutschlands größtem Tonbandstimmenforscherverein.“

Der Vereinsvorsitzende, Diplompsychologe und Schriftsachverständige Fidelio Köberle nahm Jürgensons Buch mit dem Titel „Sprechfunk mit Verstorbenen – Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits“ als Skeptiker in die Hand, aber schon nach wenigen Seiten war er bekehrt und fand: „Der Mann ist echt, da ist was dran.“ – „Wie können Sie denn feststellen,“ wird Köberle gefragt, „ob es sich um ein paranormales Phänomen oder um einen Irrtum oder gar um eine Täuschung handelt?“ Nach nüchterner Darstellung zahlreicher verläßlicher Kriterien spricht der Experte von hochprozentiger Sicherheit. Aber auf die Frage „Kann man also Irreführungen aller Art so gut wie ausschließen?“ antwortet Köberle mit einem überraschend gutgelaunten: Nein. Man kann tricksen. Das ist sogar leicht, sagt er schmunzelnd. Gegen einen tricksenden Fachmann wären die Prüfer machtlos, sagt er ernst. Gefragt, ob es denn Betrüger gäbe, sagt er nachdenklich: „Im Anfang war es sicher kein bewußter Betrug, sondern Selbsttäuschung.“ Der Mann ist echt, das möchte man auch über Fidelio Köberle sagen.

Fidelio Köberle - 1987 - Die Brücke zur Unsterblichkeit
Fidelio Köberle

Mir gefallen auch die Räume, die Köberle bewohnt, die wahlweise mit Holzfurnier oder mit Audiokassetten dicht an dicht getäfelt sind.
Die großen Gespensterfilme, von The Uninvited (1944) bis The Conjuring (2013), stellen in ihr architektonisches Kraftfeld hinein, mitten ins ängstigende Mobiliar, die Maschinen der Melancholie: ein Klavier oder einen Kassettenrekorder.

13 Monde gingen vorüber, bis sich mein Interesse am „NSA-Skandal“ regte. Die Radiomeldung, der NSA-Untersuchungsausschuss erwäge, um sich vor Ausspähung zu schützen, den Rückgriff auf mechanische Schreibmaschinen, hielt ich erst für einen Scherz. Dann las ich es schwarz auf weiß. Bei einem der letzten Treffen wurde aus Gründen der Abhörsicherheit bereits laute Musik eingesetzt: Griegs Klavierkonzert.
Was wird gespielt, und was wird zu hören sein, wenn sich nach der Sommerpause ein Nordrhein-Westfälischer NSU-Untersuchungsausschuss dem ungleich größeren, dem NSU-Skandal widmet?

Der 91jährige Lewis Allen gab im Interview mit Tom Weaver, 1997, Auskunft über das Geheimnis, wie man einen wirklich guten Geisterfilm macht: „Nun, ich denke das Entscheidende ist, so ehrlich und geradeaus zu sein, wie Du kannst. Kein Schwindler zu sein. Ich behandelte The Uninvited, als ob ich daran glaubte. Das ist meine ganze Erklärung.“

Room 666
JLG in Room 666 (1982 Wim Wenders)

Fernsehen und Video waren die Gespenster im Hotel Martinez in Room 666, während der Filmfestspiele in Cannes (1982). Godard nahm sich Zeit, um das Kleine (den TV-Schirm), das Große (Hollywood) und das Kurze (die Werbung) als böse Mächte zu benennen, vor denen die Menschen machtlos „wie Kinder“ seien. Unter den vielen, die auf Wenders‘ Wunsch über den nahenden Tod des Kinos nachdenken sollten, bekamen nur zwei Musikuntermalung: JLG und RWF*. Fassbinder zog einen Bannkreis um sich und beschwor das „ganz nationale Kino Einzelner“.

Spielberg hingegen warnte vor Investoren, die das Zehnfache des Ausgegebenen als Einspielergebnis fordern. Sie seien geradezu gefährlich in ihrem Desinteresse an Filmemachern, die beispielsweise von ihrer Schulzeit erzählen wollen, oder davon wie es war, zum ersten Mal zu onanieren.
E.T. ist trotzdem entstanden, und lief als Abschlussfilm in Cannes.

Das „Heimliche-Heimische“ kehre als Unheimliches aus der Verdrängung wieder, schrieb Freud 1919. Doch: „Nicht alles was an verdrängte Wunschregungen und überwundene Denkweisen der individuellen Vorzeit und der Völkerurzeit mahnt, ist darum auch unheimlich.“

Ich versuche mir vorzustellen, Rolf Olsen (1919 – 1998) wäre mit einem Film in Cannes gewesen. Immerhin war 1982 Romero mit Creepshow eingeladen. Aber Olsens letzter Spielfilm – im Jahr zuvor – trug den Titel Ein Kaktus ist kein Lutschbonbon.

Georg Gerlich, Schloss am Meer 1965 Museum Charlotte Zander Bönnigheim
Georg Gerlich, „Schloss am Meer“, 1965, Museum Charlotte Zander, Bönnigheim. Mein Lieblingsmuseum.

Im Archiv: Mehr Verborgenes hinter Bücherregalen und mehr über E.T.


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