Sunburnt
[more on MORE]
Heroin heisst hier die Sonne, um die sich alles dreht, und man müsste darüber nachdenken, was das heißt, 1969. Der Film jedenfalls setzt den Stoff als das einerseits zentrale, andererseits völlig entleerte Signifikat ein, das den Spaß ebenso verbrennt wie die Liebe und die Politik.
An einer Stelle wird die Droge zum Herzstück einer utopielosen Gegenideologie gemacht und der Film ist überzeugend in der Überzeugungslosigkeit, mit der das verkündet wird: Die Heroin nehmen, wollen vor der Welt fliehen, sagt die Süchtige lakonisch, während die Hippies die Welt verstärken wollen mit ihrem Dope. Zwei Welten seien das, die nichts miteinander zu tun hätten. Dann nimmt sie noch einen Zug aus der Wasserpfeife und setzt sich noch einen Schuss.
Einmal, viel früher, gibt es bei einer Party eine Ratte auf einer Schulter zu sehen, da ist der Film plötzlich Jahre weit voraus bei ganz anderen Insignien einer ganz anderen Popkultur, deren Lust an der (Selbst)Zerstörung er vorwegnimmt, ohne daraus irgendwas blöd-Prophetisches ableiten zu wollen.
Die beiden jugendlich-bedrückten, seltsam leer wirkenden Protagonisten, „Stefan“ aus Lübeck und „Estelle“ aus New York stranden, nachdem die Paris-Erzählung, als die der Film begonnen hatte, plötzlich überraschend abgebrochen ist, auf Ibiza und hängen über kurz oder lang beide an der Nadel. Ein Nazi kontrolliert die Insel, Wolf heißt er und wirft im Kreise seiner zahlreichen Freunde Messer, in deren Klinge das Hakenkreuz noch eingeritzt ist. Er wird ganz sentimental dabei. Wir sind ziemlich unvermittelt auf eine politische Spur gesetzt. Da ist noch jemand hinter Wolf her, der ist ganz nach Karikaturen des „Jüdischen“ aus dem neunzehnten Jahrhundert modelliert und man denkt schon: gleich lässt er ihn hochgehen, aber das Stereotyp war eine Finte, und gegen das Heroin muss auch die moralische Entrüstung einpacken.
Der Film erzählt von der Entleerung der Zeichen, die ein Jahr vorher noch alles bedeutet haben mögen. Politik und Liebe sind hier nur noch als ausgestanzte Hohlformen zu sehen, Spurenelemente. Eines von vielen Bildern dafür ist, dass die freie Liebe zu dritt hier hinter dem feinmaschigen Gitter eines Mosquito-Netzes statt findet. MORE wirkt wie Zabrisikie Point minus Politik. In beiden Filmen gibt es Musik von Pink Floyd zu hören. Eine Wüste – eine Insel. Reisen und Stranden. Anders als bei Antonioni richtet sich in Schroeders Film aber alle Aggression nach innen und lässt keine hochmodernen Ingenieurshäuser gaaaannnnz laaaanngsam, Vorsicht mit der Axt, Eugène, gezeitlupt in der Wüste explodieren. Stattdessen: Ein ganz unspektakuläres, etwas hohles Geräusch am Schluß, als ein Sarg unten im Grab aufschlägt und die Kamera schamvoll nach oben schwenkt, in die Sonne.
(Volker Pantenburg)