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Sonntag, 12.05.2024

Emigholz über Arslan

Gedanken zu Thomas Arslans Film Verbrannte Erde von Heinz Emigholz

I will not go to hell in some dusty motel.
Mick Jagger

Der Verbrecher auf der Erbse

Die Prinzessin ist ein prekäres Wesen. Solange ihre Familie noch an der Macht ist. In einer Welt, die sich zwar von selbst dreht, aber dennoch unbedingt revolutioniert werden will, ist sie stets auf der Flucht. Sie stopft sich das Korsett mit Diamanten voll. Das wird die Kugeln nur bedingt abhalten, verlängert aber ihren Todeskampf. Dann wird sie unter einer Straßenkreuzung begraben, damit man ihr Grab nicht finden kann.

Verbrecher fangen gewöhnlich klein an und arbeiten sich manchmal an die Spitze eines Staates hoch. Als Schurke versucht er diesen zu seinen Gunsten umzuformen. Wird man in eine Klasse hineingeboren, die mit Geld umzugehen versteht, beansprucht diese Karriere nicht unbedingt viel Lebenszeit. Der Umgang mit wie auch immer beschafften Summen wird einem sozusagen in die Wiege gelegt. Solange er oder seine Familie aber nicht die Macht im Staat übernommen haben, steht er in einem ähnlich prekären Verhältnis zur Gesellschaft wie die Prinzessin – als Frosch mit der Maske. Das Gefängnis droht, wenn nicht die Todesstrafe.

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Montag, 06.05.2024

ZACK NORMAN (1940 – 2024)


Festival in Cannes (2001)

„Ein wahrhaft entzückender Schauspieler (…) Mit Details hält er sich gerne zurück, aber ich habe ihm entlockt, dass er Mitte der 60er Jahre im Playboy-Club in London als Kabarettist aufgetreten ist. Er war Stand-up-Komiker in Las Vegas und all diese Erfahrung kommt in seiner Arbeit sehr gut zur Geltung.“ (Alfred Molina)


Tracks (1976)

Unter seinem wirklichen Namen war Howard Zuker Immobilienmakler, besorgte aber auch die Finanzierung von Filmproduktionen. Wie zum Beispiel Les lèvres rouges (1971) oder Hearts and Minds (1974). Um Tracks (1976) und die folgenden beiden Filme von Henry Jaglom zu produzieren, habe er, so heißt es, das nötige Geld mühsam von Zahnärzten und Schönheits-Chirurgen aufgetrieben.

Zack Norman nannte er sich als Schauspieler.


Sitting Ducks (1980)

Michael Emil wusste nicht, dass Zack Norman zu ihm in die Badewanne steigen würde. Nackt.

„They had the ingredients of a great comedy team. They are each kind of foolish and yet each truly human.“ (Henry Jaglom, UCLA daily Bruin, 1980)

„… gute Schauspieler, die auch echte Menschen sind, und es gibt viele, die das sind, und viele, die es nicht sind.“ (Jaglom)


Ed McBain: Puss in Boots. 1987

Zack Norman schaltete viele Jahre lang wöchentlich eine Anzeige in der Variety. Selfpromotion als running gag, Konzeptkunst, trockener Humor.


The M Word (2014)

1982 kaufte Zack Norman „Hannibal“ von Basquiat im Atelier des Künstlers für 3200 Dollar. Das Werk wurde am 9. Oktober 2016 bei Sotheby’s London für 10,6 Millionen Pfund verkauft.

Stefan Ertl schreibt mir: „Zack Norman will ich nochmal sehen, wie er in Babyfever (1994) heimlich sein Haus filmt, weil er pleite ist und es verkaufen muss.“

Unter einer von Normans unzähligen Anzeigen stand: „I love him but none of my friends have ever heard of him.“ Signed, Evelyn Zuker (His Mother)

Vielleicht war Zack Norman der Glaubwürdigste unter den Schauspielern, der Sanfteste unter den Komödianten. Der Erstaunlichste unter den Erstaunlichen.

Sonntag, 28.04.2024

Dokfilmwoche Hamburg

Die andern fahren nach Cannes, Duisburg, Locarno oder Oberdingsbums. Ich besuche nicht mal die Berlinale. Aber dafür bin ich seit vier Jahren bei der Dokfilmwoche Hamburg und habe dort noch nie einen richtig schlechten Film gesehen (ich gebe zu, das ist beunruhigend). Hier, wie es heuer gelaufen ist.

Mittwoch, 20.03.2024

Hommage Jean-Marie Straub und Danièle Huillet

Metz, 10. bis 13. April 2024

Jean-Marie Straub (Metz 1933 – Rolle 2022) hat mit seiner Gefährtin Danièle Huillet, die 2006 verstorben ist, dann mit Hilfe seiner zweiten Gefährtin Barbara Ulrich Straub, eines der wichtigsten Kapitel der Geschichte des Kinos aufgeschlagen. Indem er die kinematographischen Mittel auf ihre strikte Notwendigkeit reduzierte, und später die von der Digitalisierung angebotenen Lösungen erforschte, hat Jean-Marie Straub einen neuen Kinofilm erfunden: ein Kino, in dem der Darsteller / die Darstellerin – ob professionell oder nicht-professionell – nicht eine Schauspiel-Ikone ist, sondern eine Präsenz, ein Körper, eine Stimme; ein Kino der rigorosen Temporalität und Materialität, mit einem unübertroffenen Gespür für die Kadrage, die Montage und den Ton; ein Kino, das den Zuschauer respektiert – in der Freiheit seines Blicks, in seinen Emotionen, selbst seinen Gedanken. In der Konfrontation mit anderen Künsten, Malerei, Musik, Literatur, Oper, haben die Straubs gezeigt, was allein das Kino vermag.
Daraus ist ein auf der ganzen Welt gefeiertes Werk hervorgegangen, ein intensiv-poetisches Werk, das die Grösse der Kunst ebenso restituiert wie die multiplen Vibrationen der Natur, beziehungsweise ihre Kohärenzen und Gewalten.

Hier ein Überblick des Programms.

Donnerstag, 04.01.2024

Paratexte der FILMKRITIK (19): LA VIE


Filmkritik, Nr. 281, Mai 1980, U3.

Dienstag, 02.01.2024

Paratexte der FILMKRITIK (18): DIE REPUBLIK

Filmkritik, Nr. 281, Mai 1980, U2.

Donnerstag, 16.11.2023

Neuerscheinung

Helmut Färber: Filmspuren
München 2022/23
586 Seiten
ISBN 978-3-9800178-5-5
49 Euro

Erhältlich im Buchhandel und beim Verlag des Autors
Helmut Färber, Fendstraße 4, München (Schwabing), D-80802

Bestellschein hier.
Ausführliches Inhaltsverzeichnis hier.

Donnerstag, 24.08.2023

Sichten, Schreiben, Beschreiben: Zur Arbeit mit analogen Filmarchiven anhand von 16mm-Kopien aus der Bildungsarbeit in der BRD

 

Im Sommersemester 2023 fand am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Universität Frankfurt/Main ein Blockseminar „Sichten, Schreiben, Beschreiben: Zur Arbeit mit analogen Filmarchiven anhand von 16mm-Kopien aus der Bildungsarbeit in der BRD“ statt. Die Mehrzahl der Studierenden kam aus dem Master-Studiengang „Filmkultur: Archivierung, Programmierung, Präsentation“. Das Seminar bot ihnen zum einen die Möglichkeit, im eigenen Umgang mit 16mm-Filmkopien die mannigfaltigen Aspekte von deren Materialität kennen und befragen zu lernen. Welche spezifischen Merkmale sind an der Archivkopie interessant? Welche kuratorischen Fragen ergeben sich aus einer kopiengeschichtlichen Perspektive und wie ergänzen sie möglicherweise das Verständnis und die Kontextualisierung „des Films“?

Zum anderen erhielt der methodische Schwerpunkt einen filmhistorischen Fokus: die zur Sichtung vorgelegten Filmkopien zirkulierten alle einmal in den Verleihnetzwerken der Bildungsarbeit in der BRD, also vor allem über Landes-, Kreis- und Stadtbildstellen. Bis auf drei Folgen der vom Bayrischen Rundfunk und dem Goethe-Institut produzierten Sprachkurs-Serie Guten Tag! kamen alle gesichteten Filme aus dem Konvolut sogenannter FWU-Filme – „Filme für Wissenschaft und Unterricht“, die ab 1950 vom Münchener „Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht“ als Lehrmittel für den Schulunterricht und die Erwachsenenbildung produziert und über die Bildstellen als 16mm-Kopien bereitgestellt wurden. Zu den meisten Kopien waren die FWU-Begleithefte noch in den Filmdosen enthalten. Die ebenfalls meist beiligenden Laufkarten der Bildstellen gaben Auskunft über die Frequenz der Ausleihe und die Ausleiher.

Das Seminar sollte dazu anregen, sich im Sichten von 16mm-Kopien zu üben, um diese in die filmhistorische Beschäftigung auch zukünftig einbeziehen zu können, insbesondere dann, wenn ein Film nur in diesem Format vorliegt. Zur Archivpraxis gehört auch, die mitarchivierten Paraphernalien auszuwerten, sowie eine sinnvolle und der jeweiligen Sichtungssituation angemessene Art, Beobachtungen zu verschriftlichen. Bei der Erstbegegnung mit der Archivkopie und den Materialien ist noch keine tiefgreifende, analytische Betrachtung zu erwarten und wäre womöglich auch hinderlich. Zunächst geht es darum, das Objekt und seine Eigenheiten wahrzunehmen, sich Notizen zu machen, eventuell Fotos.

Die im Seminar betrachteten und gesichteten Kopien kamen aus vier verschiedenen Quellen:

  • dem institutseigenen Filmkopien-Archiv, das von Heide Schlüpmann während ihrer Professur eingerichtet wurde, 16mm- und 35mm-Kopien enthält und weiterhin Gegenstand der Lehre und Forschung am Institut ist,
  • der Sammlung des Deutschen Filminstituts/Filmmuseums in Wiesbaden,
  • der Privatsammlung des Kurators Can Sungu in Berlin,
  • der Privatsammlung Kino im Sprengel, Hannover, die von Peter Hoffmann verwahrt wird.

Can Sungu und Peter Hoffmann waren auch jeweils einmal für eine Online-Sitzung zu Gast im Seminar. Bettina Schulte Strathaus führte zum Auftakt des Seminars in die Geschichte der institutseigenen Filmsammlung ein.

Gesichtet wurde im Seminarraum teils auf einem Steenbeck 16mm-Schneide- und Sichtungstisch, teils über einen fest installierten 16mm Projektor. Von Anfang an war vorgesehen, dass aus dem Seminar ein Online-Dossier mit Sichtungsprotokollen hervorgeht, zu dem die Seminarteilnehmer*innen gemeinschaftlich beitragen. Dafür wurde auf der Lernplattform des Seminars ein „Forum“ in der Form eines Blogs eingerichtet, in dem die Teilnehmer*innen ihre Beobachtungen und Kommentare zu den Kopien und den Filmen notieren konnten. Aus den gesammelten Notizen entstanden in der Redaktion von zwei Studentinnen und des Seminarleiters die hier vorgelegten Seiten: 16 Sichtungsprotokolle zu einer heterogenen Auswahl von Filmen aus den Jahren 1932 bis 1992.

Wenn man bedenkt, dass das „Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht“ seinen öffentlich finanzierten Bildungsauftrag quasi in Monopolstellung erfüllte und mit seinem Medienangebot (zu dem auch Tonbänder und Diaserien gehörten) einen beträchtlichen Einfluss darauf hatte, was und wie im Nachkriegsdeutschland gelernt wurde, ist es verblüffend, dass der FWU-Katalog in der medienwissenschaftlichen Forschung bislang eine eher marginale Rolle spielt.

Dabei ist mediengeschichtlich von zusätzlichem Interesse, dass mit dem Einzug von Video- und später digitalen Formaten die Verwendung von 16mm-Kopien im Unterricht zum Auslaufmodell wurde und nur ein Bruchteil der auf 16mm vertriebenen FWU-Filme in die neuen Medien „migrierte“. Ein großer Teil der Kopienbestände verwaiste in den Bildstellen, öffentlichen Bibliotheken und Lehrmittelräumen von Schulen. Das FWU – Medieninstitut der Länder gibt es noch immer. Das Medienangebot ist heute jedoch ausschließlich digital und zunehmend auf die Online-Vermittlung zugeschnitten. Ein zugängliches 16mm-Archiv scheint es am Institut selbst nicht zu geben. Das Vertriebsmodell des FWU war, die Kopien an die Leihstellen zu verkaufen, die damit eine an die Lebensdauer dieser Kopie gebundene Verleihlizenz erwarben. Spätestens in den 2000er Jahren haben sie sich ihrer verbliebenen 16mm-Archive auf die eine oder andere Weise entledigt.

Das Seminar und auch dieses Dossier sollen dazu anregen, die verstreuten Bestände an FWU-Filmen als Teile eines aufgelösten, aber nicht völlig verschwundenen Archivs zu beforschen. Denn die hohen Stückzahlen, in denen FWU-Filme im Umlauf waren, haben zur Folge, dass von vielen Filmen bis heute noch zahlreiche Kopien existieren und die Filme in Bestandslisten und Sammlungen, bei Trödlern, auf ebay und auf youtube auftauchen.


Protokolle zu den gesichteten Archivkopien:

Die Ko-Autor*innen des Dossiers sind: David Clausmeier (DC), Feven Haile (FH), Ferdinand Gutemann (FG), Franziska Kohler (FK), Christine Mai (CM), Felix Münz (FM), Simon Oetken (SO), die Redakteurinnen sind Sofia Mtiulishvili (SM) und Thessa König (TK). Seminarleiter war Tobias Hering (TH).

Die Fotos zeigen das im Seminar verwendete Material und wurden im Seminarraum von David Clausmeier und Christine Mai gemacht.

Freitag, 23.06.2023

Costardhinweise

Letztes Jahr ist im Verlag Brinkmann und Bose ein Buch zu Hellmuth Costard erschienen. Auf der Langtextseite gibt es dazu eine illustrierte Textcollage.

Kommenden Montag 26. Juni 19:00 Uhr wird im Berliner Arsenal der Film ECHTZEIT von Hellmuth Costard und Jürgen Ebert gezeigt (BRD 1981-83 111 Min. DCP OF); Einführung: Jennifer Borrmann, zu Gast: Jürgen Ebert, Sibylle Hofter

Donnerstag, 04.05.2023

Lemke in Zürich


GESCHÄFTSFREUNDE (1969 Martin Müller)

Fr 20.00 Uhr
ZEIGEN WAS MAN LIEBT (2016 Frank Göhre, Borwin Richter & Torsten Stegmann)
mit Iris Berben, May Spils, Werner Enke, Klaus Lemke, Martin Müller, Dominik Graf, Olaf Möller
 
Sa 20.00 Uhr
PAUL (1974 Klaus Lemke)
Paul ist Paul Lyss. Eine Frisur wie ein Handfeger, als wäre er fast erwürgt worden und hätte sich soeben erst wieder erholt. Im Glencheck-Anzug, sein Hab und Gut in einer Plastiktüte, stumm auf der Hut vor falschen Freunden, randalierend auf der Suche nach was Schönem. Ein trauriges Raubtier, ein besoffener Heiliger.
 
Sa 22.00 Uhr
ROCKER (1971 Klaus Lemke)
Dieser gröbste und zärtlichste Film übt einen wilden Zauber aus. Sein Erzählstrang ist virtuos verschlungen wie ein Schifferknoten und löst sich genau so leicht. Zuweilen glaubt man zu begreifen, dass es gar nicht Lemke war, der die Rocker und den kleinen Hans-Jürgen Modschiedler inszenierte; man ahnt, dass vielleicht Van Morrison die „Schatzinsel“ oder die Rolling Stones das „Dschungelbuch“ verfilmten. Bei jedem Sehen aber spürt man, wie einzigartig, ja isoliert Klaus Lemke dasteht, umgeben vom Geheimnis des Genies.

So 16.00 Uhr
SILVIE (1973 Klaus Lemke)
Das Model und der Matrose. Sylvie Winter im Hotel in New York und Paul Lyss im Postamt in München. Sie hält, damit er hört, wie die große Stadt klingt, den Telefonhörer zum Fenster raus. Das Gespräch, das keines ist, kostet ihn ordentlich was. Aber es gibt kein schöneres Telefonat in irgendeinem anderen Film. Überrascht, verwirrt, verliebt zu sein, das gab es nie und nirgends so zu sehen und zu hören wie in SYLVIE. „Mit Film“, sagt Lemke, „kann man länger verrückt sein als mit Drogen oder Alkohohl.“
 
So 18.00 Uhr
KLEINE FRONT (1966 Klaus Lemke)
GESCHÄFTSFREUNDE (1969 Martin Müller)
mit Klaus Lemke und Peter Berling
ANATAHAN ANATAHAN (1969 Martin Müller)
mit Klaus Lemke als Montgomery Hathaway
FLIPPER (1966 Klaus Lemke)

So 20.00 Uhr
AMORE (1977 Klaus Lemke)
Eine hochkomplizierte Geschichte, eigentlich Ozu plus Rohmer, aber so unglaublich gut erzählt, dass man nur eines wahrnimmt: Cleo Kretschmer! „Bei ihr wechselte der Look ständig, einmal war sie unfassbar glamourös und im nächsten Moment wieder total trutschig. Sie musste nur andeuten, was sie sagen wollte und schon hatte ich die Geschichte im Kopf, sie wusste sofort, worauf ich anspringen würde. Ich war unfassbar in Cleo verliebt.“ (Klaus Lemke)

präsentiert von Torsten Stegmann und Martin Müller

5. Mai – 7. Mai 2023, Rote Fabrik, Zürich


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