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Samstag, 17.12.2022

Vierundzwanzig (17)

Mit dem völligen Verzicht auf die Farbe Rot in seinem ersten Selbstportrait brachte Dracula die Kritiker auf seine Seite. (2021)


Rio Misterioso, Parque de Atracciones, Monte Igueldo, San Sebastian

Eine Villa im Bauhaus-Stil, mit Blick auf beide Buchten von San Sebastian, trug den schmiedeeisernen Namen „Verzicht“. Da mussten wir lachen.

Freitag, 16.12.2022

Vierundzwanzig (16)


The Time Machine (1960 George Pal)

Meistens weiß ich, ob es oben oder unten, auf der linken oder der rechten Seite zu finden ist, ich weiß aber nicht, ob das Zitat, das ich suche, vorne oder hinten im Buch steht.

Als ich gerade über eine Liste meiner Lieblingsfilme in der Kindheit nachdachte, meinte ich mich genau zu erinnern, ob ich diese Filme an einem Nachmittag oder an einem Abend gesehen hatte, ich weiß aber nicht, wie alt ich da war.

Nachmittags
The Wizard of Oz (1939 Victor Fleming)
The Thief of Bagdad (1940 Michael Powell u.a.)
Gentleman Jim (1942 Raoul Walsh)
Scott of the Antarctic (1948 Charles Frend)
Brigadoon (1954 Vincente Minnelli)
Journey to the Center of the Earth (1959 Henry Levin)
The Time Machine (1960 George Pal)
Mysterious Island (1961 Cy Endfield)
Hatari! (1962 Howard Hawks)
The Flight of the Phoenix (1965 Robert Aldrich)

Raum und Licht sind dem Erinnern hilfreich. Zeitliche Reihenfolgen werden hingegen oft falsch, entlang von vermuteten Kausalitäten, umsortiert. Gedächtniskünstler bedienen sich realer Wegstrecken um das Unzusammenhängende wie Wegmarken aufzureihen. Räume lassen sich im Geiste abgehen. Die Zeit sollte das auch mit sich machen lassen, aber der Fluss ohne Wiederkehr ist nicht zu verstehen. Wo sind seine Ufer?

Stoff für Überlegungen: Warum waren die Filme am Nachmittag Abenteuer und am Abend Kammerspiele?

Arsenic and Old Lace (1944 Frank Capra)
The Gunfighter (1950 Henry King)
Dial M for Murder (1954 Alfred Hitchcock)
Twelfe Angry Men (1957 Sidney Lumet)
The Nutty Professor (1963 Jerry Lewis)
My Fair Lady (1964 George Cukor)
Wait Until Dark (1967 Terence Young)
The Party (1967 Blake Edwards)
Oscar (1967 Édouard Molinaro)
Jo (1971Jean Girault)


nachmittags

Donnerstag, 15.12.2022

Vierundzwanzig (15)


Die Jäger im Schnee (1565/2020)

„I never cared where I was, I like to know where I’m going.“
(Ray Harryhausen im Gespräch mit John Landis)

Mittwoch, 14.12.2022

Vierundzwanzig (14)

Im Mai 1952, noch vor der ersten Umfrage von Sight and Sound druckten die Cahiers du Cinema das Ergebnis einer Umfrage des Festival Mondial du film et des Beaux-Arts de Belgique. 100 Filmmacher weltweit waren um eine Liste der 10 besten Filme gebeten worden. Unter den 55, die antworteten, war auch Cecil B. DeMille.
Die Cahiers wiesen auf die Besonderheit hin, dass DeMille unter den „besten Filmen“ vier eigene nannte.

Cabiria (Giovanni Pastrone 1914)
The Birth of a Nation (D W Griffith 1915)
Ben Hur (Fred Niblo 1925)
The 10 Commandments (Cecil B. De Mille 1923)
The King of Kings (Cecil B. De Mille 1927)
The Big Parade (King Vidor 1925)
The Sign of the Cross (Cecil B. De Mille 1932)
Gone with the Wind (Victor Fleming 1939)
Going My Way (Leo McCarey 1944)
Samson and Delilah (Cecil B. De Mille 1949)

Erstaunliche sieben andere Regisseure taten immerhin einen einzelnen eigenen Film in ihre Liste:

Luis Bunuel – L’Age d’or
King Vidor – The Big Parade
Marcel L’Herbier – El Dorado
Edward Dmytryk – Give Us This Day
Claude Autant-Lara – Le Diable au corps
William Dieterle – The Life of Emile Zola
Henry Hathaway – The Lives of a Bengal Lancer

DeMille, der Star dieser belgischen Befragung, hatte übrigens belgische Vorfahren. So auch Hathaway.

Bemerkenswert in jeder Hinsicht ist Dmytryks Give Us This Day (1949). Ein wegen Hollywoods schwarzer Liste in London entstandenes New York vermittelt da eine absolut glaubwürdige Vorstellung von der Hölle. Ein realistischer Arbeiterfilm – von biblischer Brutalität. Als Dmytryk sein Meisterwerk unter die „Besten“ zählt, ist er gerade vor Hollywoods Kommunistenjagd in die Knie gegangen. Aber das Finale seines Films ist wie es ist: So grauenhaft und finster, als hätte Dario Argento einen bösen Traum nach dem Betrachten von A Corner in Wheat (1908 Griffith).

Ich bin gespannt darauf, Sight and Sound durchzublättern und nach denjenigen zu suchen, die heute noch mit ausreichend großer Unverschämtheit gesegnet sind, ihre eigenen Filme unter die Besten aller Zeiten zu zählen.

2012 nahm der eher schüchterne Les Blank Burden of Dreams (1982 Les Blank) in seine Liste. Als einziger. Womit der Film in guter Gesellschaft auf dem Platz 894 landete.

Mit dem Filmemachen habe er begonnen, nachdem er Bergmans Siebentes Siegel gesehen hatte. Es habe ihn inspiriert, erzählte Blank, dass es jemanden gab, der noch depressiver war, als er selbst.

Der von Blank mehrfach porträtierte Maestro Gaxiola erstellt in seinem Song „The Code of the Cowboy“ – ausdrücklich zum Mitschreiben – eine Liste aller Fragen des Lebens.

„When to speak softly and when to speak loud
when to be a person and when to be a crowd
(…)
When to be the wind and when to be the kite
when to turn and run and when to stay and fight
(…)
That’s the code of the cowboy.“

Dienstag, 13.12.2022

Vierundzwanzig (13)


Del Rosa… al amarillo (1963 Manuel Summers) / Sündige Grenze (1951 R.A. Stemmle)

Eine schöne Armbanduhr hat der Schmuggler (Jan Hendriks) in dem wilden Aachener Western Sündige Grenze (1951 R.A. Stemmle). Auf deren Zifferblatt zückt im Sekundentakt eine gemalte Pistolera ihren Colt.


Lisa and The Devil (1973 Mario Bava)

Eine Uhr zerbricht. Und die Zeiger bilden ein Kreuz.

Wieder passt Pierre Klossowskis Formulierung, vom „Leben, das sich unablässig wiederholt, um in seinem Sturz seiner selbst inne zu werden.“
Im Jahr 2000 überlebte Leni Riefenstahl einen Hubschrauberabsturz. Auf einem Foto des havarierten Helicopters ist es bei wacher Anwendung der kritisch-paranoischen Methode unmöglich zu übersehen, “wie der zerschlagene Rotor verzweifelt versucht, ein Hakenkreuz zu formen.” (Heinrich Dubel) ***

Montag, 12.12.2022

Vierundzwanzig (12)

Balzac, Ernst Jünger und Chabrol, alle Drei genossen das tägliche Wannenbad.
Balzac berichtete, er habe sich tagtäglich eine volle Stunde in einer heißen Wanne eingeweicht.
Chabrol erklärte, zum Übergang vom Schlaf in den Tag sei ihm ein Wannenbad am Morgen eine unverzichtbare Notwendigkeit.
Der morgendliche Sprung in die kalte[!] Badewanne leitet Jüngers Schriftstellertag ein. In einem TV-Interview nannte er ihn „meine Formel“.
(Theweleit: „Männerphantasien“)


Machorka Muff (1963 Danièle Huillet & Jean Marie Straub)

Kinder blieben einst vor Apotheken stehen, auch ich, vor dieser Schaufensterdekoration. Nur weil sich da was bewegte: Ein alter Mann am Turnreck, in denkbar falschem Schwung. Noch Jahrzehnte lang gab es aus Mangel an Herzeigbarem in Apothekenfenstern diese Deko. Sie diente der Erinnerung an die schon als Kind bei näherem Hinsehen erlebte Enttäuschung.

Sonntag, 11.12.2022

Vierundzwanzig (11)


The Bowery (1933 Raoul Walsh)

„Here, look at yourself“ sagt er (George Raft) zu seinem leblosen Double. Es geht um eine Wette und um Betrug. Die ganze Stadt wird Zeuge sein, wie er dann doch selber von der Brooklyn Bridge springen muss. Das Selbstbild der Menschen ist fast immer verwackelt. Die Motive bewegen sich zu schnell. Anhänglichkeit und Rivalität drehen sich umeinander im Tanz der Erzählung, bis das Gröbste und das Zarteste untrennbar vermischt sind. Schließlich ist der Film von Raoul Walsh. Seine Nostalgie ist utopisch: So hätte es gewesen sein sollen! So gegenwärtig! Das blitzt sogar auf, in der Art wie der hölzerne Doppelgänger in den Spiegel schaut, etwas scheu, hereingezogen in den Taumel alles Lebendigen. Da, wo Obsession und Freiheit nicht zu unterscheiden sind, auf der Vergnügungsmeile, die dem Film den Titel leiht, trägt ein Lokal den Namen „Suicide Hall“.


Smultronstället (1957 Ingmar Bergman)

In Malaga sprach ich in einer Kneipe mit einem Punk-Sänger, der durch den Zufallskauf einer Single zum Heino-Fan geworden war. Aber er wusste nicht, dass es eine vielbeachtete LP gab, auf der Heino vor ein paar Jahren Lieder der Ärzte und von Kraftklub nachgesungen hat. Ich mochte zwei drei Stücke von dieser Platte. Aber mein Gesprächspartner begriff einfach nicht, wovon ich ihm berichten wollte. Erst recht nicht, als ich, ohne selber Bescheid zu wissen, Heinos Streit mit den Toten Hosen erwähnte und dabei einen angeblich wahren von dem echten Heino unterschied. Am nächsten Tag wurde mir klar, dass der Punk-Sänger wohl nur deshalb mit mir über Heino gesprochen hatte, weil ich nachts in der dunklen Kneipe eine Sonnenbrille trug.


Northern Pursuit (1943 Raoul Walsh)

Als Geza von Cziffra 1953, zum erstenmal nach dem Krieg, in Paris war, und das Grab seines Freundes Ödön von Horvath suchte, schickte ihn der Friedhofsbeamte zum Grab Nummer 813, zum Grab von Heinrich Heine, zum einzigen Grab, „das hier ein Deutscher, für den er mich offenbar hielt, suchen könnte.“

Unter jenen Sammlungen, die vielleicht schon nach zwei gesammelten Stücken komplett sein könnten, ist auch meine Sammlung „Heine im Kino am Telefon“

Heine im Kino am Telefon (Teil 1): „Die Welt ist dumm, die Welt ist blind.“
Gesprochen von Laurence Harvey, in Anthony Manns A Dandy in Aspic (1967), in Berliner Telefonzellen. Immer die gleiche geheime Losung: „Die Welt ist dumm, die Welt ist blind.“

Heine im Kino am Telefon (Teil 2): Jean Gabin, der in La traversée de Paris (1956 Claude Autant-Lara) das folgende auf Deutsch ins Telefon spricht:
„Ja, Jung, ich bin der liebe Gott,
Und ich regier die Erde!
Ich hab’s ja immer dir gesagt,
Daß ich was Rechts noch werde.“


Vargtimmen (1968 Ingmar Bergman)

Walsh, Bergman, Heino und Heine, Doppelgänger und Gespenster

Vielleicht bringt ein Zitat von Ernst Mach ein wenig Klarheit.
„Die Gespensterfurcht ist die wirkliche Mutter der Religionen;“ schreibt er, 1886. Und sie werde noch lange fortleben, bis wir erst nach vielen Generationen das unnötig gewordene „Gruseln“ verlernen.

„Ja meinen Sie denn, ich glaube an Gespenster? Was hilft mir aber dieses Nichtglauben?“
„Sehr einfach. Sie müssen eben keine Angst mehr haben, wenn ein Gespenst wirklich zu Ihnen kommt.“
„Ja, aber das ist doch die nebensächliche Angst. Die eigentliche Angst ist die Angst vor der Ursache der Erscheinung. Und diese Angst bleibt. Die habe ich geradezu großartig in mir.“
(Kafka: „Betrachtung“, 1912)


Doppelgänger (1969 Robert Parrish)

Anna Freud fand, die angsteinflößende Vorstellung eines allsehenden Gottes sei bei nicht religiös erzogenen Kindern auf den Mond verschoben, der nachts zum Fenster herein sieht.

Aber da muss es doch noch andere Verschiebungen geben. Geradezu großartige.


White Heat (1949 Raoul Walsh)

Samstag, 10.12.2022

Vierundzwanzig (10)


It’s Always Fair Weather (1955 Gene Kelly, Stanley Donen)

Manches Gerät sah tatsächlich so aus, als wäre Fernsehen etwas Gefährliches. Die Strahlen! Und die Bildröhre konnte jederzeit explodieren. Noch unheimlicher klang: implodieren. Deshalb: “Lieg nicht so nahe davor!”


The Man in the Grey Flannel Suit (1956 Nunnally Johnson)

„Ihr solltet längst im Bett sein“, sagt Gregory Peck.
„Er bringt ihn ja gleich um, Daddy, just a minute.“


Rock a Bye Baby (1958 Frank Tashlin)

In den Sommerferien 1978. Im dritten Programm. Für uns Kinder. Eine Retrospektive!


The Lady in Cement (1967 Gordon Douglas)

„Kaum konnte er lesen, hatte er auch die Geschichten der großen Entdeckungen verschlungen. Aber er nahm die Schilderungen nicht etwa kritiklos hin. Wenn er Robinson Crusoe gewesen wäre, hätte er vieles anders angepackt, vor allem aber die Insel niemals wieder verlassen.“
(Jules Verne: „Fünf Wochen im Ballon“)

Ich sah mir die Programmvorschau am Samstagmorgen im Dritten an. Texttafeln. Nichts als Texttafeln. Aber immerhin. Wochentags war da nur das Testbild.

Freitag, 09.12.2022

Vierundzwanzig (9)

„Ich lese gerade O. W. Fischers ‚Engelsknabe war ich keiner‘. Ein schwebendes Buch. Als wäre alles durchsichtig; das Menschsein nichts als Rolle, Vortäuschung. Fischer fand, dass wir unter einer Art selbstgewählter Hypnose leben; wir blenden die multidimensionale Wucht von Allem aus, weil wir sie nicht ertragen können und – vielleicht zu Recht – befürchten, davon verrückt zu werden oder zu sterben. Und blenden aus, dass wir das ausblenden. Fischer war sich sicher, im früheren Leben eine kurz vor seiner Geburt verstorbene Prostituierte gewesen zu sein, die bei seiner Mutter um die Ecke wohnte und von der diese fasziniert gewesen sei.“ (Silvia Szymanski) ***


Frankenstein Created Woman (1967 Terence Fisher)

O.W. Fischer ist stets ein Outsider gewesen, ein Besonderer. ‚Eigentlich war ich ja immer so ein ganz klein wenig abseits‘, schreibt er. ‚Selbst die wüsten Eskapaden lebte ich wie halb im Traume. Distanz zwischen mir und mir war da immer. Immer so ein bisschen grade überm Teppich. Nie ganz da.‘ Fischer hat im Grunde nur gesellschaftliche Außenseiter dargestellt im deutschen Kino der fünfziger Jahre, großsprecherische Ganoven, exzentrische Künstler und verträumte Politiker wie den bayerischen Märchenkönig in Käutners Meisterwerk Ludwig II.“ (Hans Schifferle, SZ)


Lausbubengeschichten .(1964 Helmut Käutner)

„Ein bizarr-schönes Abenteuer aus den Kindertagen ist O. W.s heimlicher Trip ins Irrenhaus. Er entdeckt dort ein halbnacktes Mädchen, ‚eine helle Loreley‘, das in einem vergitterten Bett liegt. Er macht das Gitter auf. ‚Sie zog mich zu sich ins Bett. Küsste mich wie die Madonna ihren Knaben . . . Plötzlich ein Aufschrei. Nicht von ihr oder mir. Nein, die Pflegerin kam ins Zimmer. Riss mich weg und schmiss das Bett zu. Und dann kam das Wutgeheul einer Bestie. Riss und tobte an den Maschen. Wo war plötzlich die Madonna? Eine Tigerin ohne Junges. Jemand hat es ihr genommen. Man hat Mutter angerufen. Sie erzählte abends schluchzend Vater, es wär eine ganz Gefährliche gewesen. Unheilbar. Ich lächelte, urerwachsen, als ich’s hörte.‘
(…)
Ein wunderliches, ein wunderbares Buch.”
(Hans Schifferle über O. W. Fischers wilde Memoiren: „Meine Geheimnisse”, 2000)

Donnerstag, 08.12.2022

Vierundzwanzig (8)

The Greatest Films of All Time

Liberty (Leo McCarey, 1929)
Le Schpountz (Marcel Pagnol, 1938)
Oss Oss Wee Oss! (Alan Lomax, 1953)
The Raid (Hugo Fregonese, 1954)
The Night of the Hunter (Charles Laughton, 1955)
The Birds (Alfred Hitchcock, 1963)
Jo (Jean Girault, 1971)
The In-Laws (Arthur Hiller, 1979)
The Social Life of Small Urban Spaces (William H. Whyte, 1980)
The King of Comedy (Martin Scorsese, 1983)


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