Freitag, 17.07.2015

Filme der Fünfziger XV: Stern von Afrika (1957)

Unter diesen Jungs, sagt Major Niemeyer (Alexander Kerst) zu dem Jagdflieger Hans Joachim Marseille (Joachim Hansen, in seiner ersten Filmrolle), komme er sich vor wie ein Vater mit vielen Söhnen. Und deshalb ermahnt er Marseille auch, sich an die Regeln des Fliegens zu halten, weil er sonst seine Kameraden in der Luft gefährde. Dann befördert er ihn zum Leutnant. Er ist halt Papas Bester.

Marseille ist ein toller Hecht; schon in der Fliegerschule hält er sich nicht an vorgegebene Flughöhen, landet bei einem Erkundungsflug einfach auf der Autobahn, um nach dem Weg zu fragen, und setzt seine Uniformmütze keck und schief auf den Kopf. Um ihn herum, den erfolgreichsten Jagdflieger der deutschen Wehrmacht, sind die guten Kameraden Robert Franke (Hansjörg Felmy in seiner ersten Filmrolle), der etwas zynische Albin Droste (Horst Frank ebenfalls in seiner ersten Filmrolle), Werner Heydenreich (Werner Bruhns), der auf jede Situation einen Reim weiß, und Answald Sommer (Peer Schmidt). Das Kampfgebiet ist die Wüste Afrikas, man lebt wie die Pfadfinder in Zelten und wartet auf die Einsätze. Der Einsatzbefehl lautet: Jagd Frei! Und Marseille schießt die Engländer ab, dass es eine wahre Pracht ist. „Das ist grossartig; acht Abschüsse an einem Tag!. Das ist noch nie dagewesen.“

In der Höhlenbar tanzt Mathias voller Lust am eigenen Körper (Roberto Blanco in seiner ersten Filmrolle). Als Marseille das Ritterkreuz bekommt, macht ihm Kamerad Sommer den farbigen Mathias zum Geschenk. Mathias ist für die Wäsche zuständig und mit breitem Lachen stets zu Diensten. Christian Doermer hat einen kurzen Auftritt als Unteroffizier Klein; er wird aber gleich von den Engländern abgeschossen, was zu einer ebenso kurzen Nachdenklichkeitsphase führt. Dieser schmutzige Krieg!

Und schon wieder schießt sich Marseille von Rekord zu Rekord, bekommt die höchsten Auszeichnungen und verlobt sich in einer romantischen Einlage mit der Lehrerin Brigitte (Marianne Koch). Soll Marseille seinem persönlichen Glück folgen oder der Pflicht gehorchen? Er kann die Jungs nicht im Stich lassen, und so geht es heim nach Afrika und in den Heldentod.

Sind die Flieger in der Luft, grüßen sie sich von Kabine zu Kabine – so wie Jäger, die sich bei der Pirsch absprechen. Die wahren Helden sind aber die Messerschmidt-Maschinen , am Boden von der Kamera immer von unten aufgenommen; nach dem Einsatz brausen sie noch mal – Huii – im Formationsflug über das Basislager. Aus der Nase der Messerschmidt schiessen die Piloten wie aus Kampf-Phalli ihre Munition ab. Als Marseille schließlich abstürzt, sieht man nur die Trümmer seiner Maschine. Die Manneskraft ist versiegt, der Krieg verloren. Es ist tragisch.

Das Drehbuch schrieb Herbert Reinecker, Regie führte Alfred Weidenmann. Beide hatten zum Ende des „3. Reiches“ an „Junge Adler“ zusammengearbeitet. Dreimal wurde der Film neu montiert (die Schrecken des Krieges sollten mit Wochenschau-Aufnahmen und belegter Kommentarstimme doch nicht vergessen werden), dann gab ihn die FSK ab 12 Jahren frei. Die Presse identifizierte den „Stern von Afrika“ als glasklaren Propagandafilm und sorgte sich darum, welches Bild Deutschlands der Film im Ausland vermitteln würde. Dem Publikum war das gleich. „Ausgezeichnete Ergebnisse“, schrieb eine Fachzeitschrift als Resumee des Jahres 1957, „brachten alle Kriegsfilme mit ‚heldischer’ Tendenz. ‚Der Stern von Afrika’ (aus Deutschland) und ‚Panzerschiff Graf Spee’ aus England zum Beispiel. ‚Haie und kleine Fische’ rangieren gleichfalls in der kommerziellen Spitzengruppe.“

„Der Stern von Afrika“ wird am 18. Juli um 20.15 Uhr im Arsenal anlässlich der Präsentation der Buchreihe „Post_koloniale Medienwissenschaft“ gezeigt.

Verfügbar als DVD (Bonus: Interview mit Joachim Hansen) bei Kinowelt.

Was nicht in Filmportal steht:
Modellaufnahmen: K. L. Ruppel; Modellbauer: Zirzow; Maskenbildner: Jonas Müller; Garderobier: Anton Dissertori; Requisite: Kurt Squarra, Paul Prätel; Produktionssekretärin: Gerda Nürnberger; Atelier-Sekretärin: Annemarie Kalter; Geschäftsführung: Alma Pewny; Pyrotechniker: Erwin Lange; Militärischer Berater: Eduard Neumann; Standfotos: Lars Looschen; Presse: Siegfried M. Pistorius

Dienstag, 14.07.2015

Langtexthinweis

* Michael Pehlke: Atemnot. Deutsche Schauspieler

Erstveröffentlichung Filmkritik 5/1983, ausgewählt von Johannes Beringer.

Eine Notiz zu Pehlke auch hier.

Sonntag, 12.07.2015

Arbeitshypothese

„In nahezu allen Experimental- und Avantgardefilmen wird bewußt oder unbewußt immer wieder neu die Behauptung aufgestellt, der Film befinde sich noch – wie zu den Zeiten von Méliès – im Stadium der Unschuld, im Stadium seiner Erfindung. Diese schöne, demonstrativ naive Geste ist geradezu eine Arbeitshypothese dieser Filmarbeit. Fatal ist nur, daß diese Geste oft wirklich naiv ist, das heißt: Bei vielen, die mit dem Film zu experimentieren beginnen, ist die Kenntnis der frühen Arbeitstechniken und Erfindungen nur bruchstückhaft vorhanden.“

[Helmut Herbst: Kopf-Werk & Hand-Zeug – Zusammenhänge zwischen Technik und Filmästhetik, in: Ingo Petzke (Hg.): Das Experimentalfilmhandbuch, Frankfurt/Main: Deutsches Filmmuseum 1989, S. 103-143: 103]

Mittwoch, 08.07.2015

Made In Hell

Was Brighton Rock, das Buch, von Brighton Rock, den Verfilmungen (Boulting 1947; Joffe 2010), unterscheidet, ist nicht das Medium, sondern das Genre. Die Filme sind Krimis, Gangsterstücke, sie handeln von Gangs und ihren Taten. Graham Greene dagegen schrieb einen theologischen Roman; er handelt von einer marriage made in hell. Im Mittelpunkt der Filme steht Pinkie, der kindliche Mörder, im Mittelpunkt des Romans stehen Rose und Ida.
Rose ist, wie ihr Name schon sagt, Inkarnation Mariens (deren Sinnbild die Rose ist), einer der Verdammnis verfallenen Maria. Ida ist, wie ihr Name schon sagt, Personifikation von Arbeit und Tatkraft (althochdeutsch id), aber auch von wohlbeleibtem well-being; ihr Wahlspruch ist: „It’s a good world if you don’t weaken.“
Die Filme sind zynisch, Verbrechen geschehen ungehindert, Rettung kommt zufällig, wie ein Witz. Im Roman gibt es keine Rettung, aber eine seltsam jenseitige Welt, der Rose und sogar Pinkie angehören, und eine hiesige, die von Ida verteidigt wird, die zwar nicht mehr Gut und Böse unterscheiden kann, aber doch Richtig von Falsch, und Mord „wouldn’t be right“. Religion betreibt das Geschäft der Welt, die Welt das der Religion. Der von Ida vertretene Pragmatismus, der absolute Werte in relative Zwecke übersetzt, tut, ohne noch zu wissen, weshalb, das gute Werk, das nun so gut nicht mehr erscheint. Die von Rose verkörperte Liebe dagegen folgt der invertierten Jesusfigur, credo in unum Satanum, Pinkie, in die Hölle, und die befindet sich hienieden. Es ist eine unbedingte, nicht ganz einseitige Liebe zwischen unschuldiger Jungfrau und „cruel virginity“, die standesamtliche Trauung bloß der Tribut, der für diese Liebe entrichtet werden muss.
Was der Roman nicht einmal andeutet, muss der Film zeigen, der erste reflektiert sich dabei immerhin selbst. Frank, der Wäschereibesitzer, bei dem die Gangster untergekrochen sind, ist auch im Roman blind und muss sich von seiner Frau betrügen lassen. Im Film ist er darüber hinaus ein ohnmächtiger Zeuge, der den zweiten Mord hört, aber nicht sieht. Und auch beim ersten Mord ist ein Blinder zugegen. In einer Parodie auf die Divina Commedia lässt er sich von einem Mädchen in eine Geisterbahn führen, „Dante’s Inferno“. Als sie aussteigen, weint das Mädchen, er weiß nicht, warum.
Die erste Verfilmung von Brighton Rock bleibt nicht wegen ihres Zynismus, sondern Carol Marshs wegen in Erinnerung. Wer ihr geflüstertes „Yes, Pinkie“ gehört hat, wird es nicht mehr vergessen. Sie selbst hat den Film nie gesehen.

Montag, 06.07.2015

Liebe 47

Der Schauspieler Karl John war in den vierziger Jahren als Typ des kumpelhaften Draufgängers in den Propagandafilmen Karl Ritters („Stukas“, „U-Boote westwärts“ – beide 1940/41) bekannt geworden. In „Großstadtmelodie“ (1942/43), seinem letzten Film vor Kriegsende, spielte er neben Hilde Krahl einen flotten Bildjournalisten; Hilde Krahl, die Ehefrau des Regisseurs Wolfgang Liebeneiner, ist in „Großstadtmelodie“ eine moderne, junge Frau, die ihren Beruf und das Leben in der Großstadt liebt. John und Krahl unter der Regie von Liebeneiner, das war die Erinnerung an eine intakte Stadt, an das Glück des Alltags und an Hoffnung auf Zukunft. Manche Besucherin von „Liebe 47“ – die Reklame warb um das weibliche Publikum – wird auf diese Konstellation gesetzt haben.

Die Kinogängerin sah einen Glockenfriedhof mit Flusslandschaft, vor der eine desillusionierte Anna Gehrke (Hilde Krahl) und ein ganz und gar verlassener Fritz Beckmann (Karl John), beobachtet vom Tod (Albert Florath) und dem lieben Gott (Erich Ponto), über ihren Selbstmord sprechen. Beckmann ist erst wenige Tage aus dem Krieg zurück; er hat nichts und niemanden mehr, noch nicht einmal eine Unterkunft. Anna denkt praktisch; wer erst so wenige Tage im Elend ist, der darf nicht aufgeben. Beckmann kann ihre Wohnung haben, die sie nun nicht mehr braucht. So führt sie ihn zu sich nach Hause –„aber machen Sie sich keine falschen Hoffnungen“.

Beide erzählen einander ihr Leben; Anna von ihrer Ehe, von Enttäuschungen, zerstörten Illusionen, ihrem bitteren Lernprozess, „wie die Herren sich bezahlen lassen“ für Gefälligkeiten, Schutz und Unterkunft. Beckmanns Erzählung seines Kriegs- und Heimkehrer-Traumas zeigt mit einem Kabarettauftritt, Albtraumsequenzen und Allegorien nur Fragmente seiner Verstörung und Sinnsuche. Der Kameramann Franz Weihmayr und die Trickabteilung strengten sich mächtig an: Beine gehen übergroß auf einem Bürgersteig, der klein gebliebene Beckmann liegt im Rinnstein und fürchtet, von einem Besen in den Müll gekippt zu werden. Heute erinnert man sich an Bilder aus „The Incredible Shrinking Man“, aber der stammt aus dem Jahr 1957.

Vieles war anders, neu und leider einmalig in „Liebe 47“. Der Mann breitet sein Innenleben aus, die Frau ihre Erfahrungen mit der Außenwelt; sie reflektiert nüchtern ihre Situation, er findet aus dem Lamento seiner Schuldgefühle nicht heraus. Von statischen Theaterelementen wechselt der Film ins Kammerspiel, dann zur weitausholenden Montage retrospektiver Lebenserzählung, gelegentlich auch ins Kunstgewerbe und damit verbunden in den „Botschafts“-Modus, in dem nicht nur gezeigt, sondern auch erklärt wird, wie man das Gezeigte zu verstehen hat. Und dennoch: das war ein furioser Neuanfang für Liebeneiner, der heute – wenn überhaupt – nur durch „Ich klage an“ (1941) und eventuell „Die Trapp-Familie“ (1956) bekannt ist. Hilde Krahl bekam 1949 für ihre darstellerische Leistung einen Preis auf dem Filmfestival von Locarno. Zu Hilde Krahl siehe auch Rainer Knepperges Beitrag Etwas zum Staunen

Die literarische Vorlage für „Liebe 47“ war Wolfgang Borcherts Theaterstück „Draußen vor der Tür“, von Liebeneiner 1947 in Hamburg inszeniert; Hans Abich und Rolf Thiele produzierten den Film 1948 als ersten Spielfilm ihrer neugegründeten Firma „Filmaufbau“. Als er 1949 in die Kinos kam, liefen die Besucher scharenweise aus der Vorführung; einen „Film vom Neubeginn des Lebens  im dunklen Strom der Zeit“ (Werbung des Filmverleihs) wollte niemand mehr sehen, „der dunkle Strom“ war nach der Währungsreform dem hellen Zauber der Warenwelt gewichen, der Neubeginn sah anders aus als es der Film sich vorstellte. Der Verleiher versuchte es – vergebens – mit einer Version, in der die Beckmanns Traumsequenzen geschnitten waren.

„Was brauchen wir die Welt zu verändern?“, fragt Anna zum Ende des Films. „Fangen wir lieber bei uns selber an. Ich helfe Ihnen und Sie helfen mir.“ Das passte 1949 nicht mehr in die Zeit. Die fünfziger Jahre hatten bereits begonnen.

Mittwoch, 01.07.2015

Michael Pehlke in der ‚Filmkritik’

In der alten ‚Filmkritik’ (auf die sich die ‚newfilmkritik’ doch beruft) gibt es auch Texte, unter denen (oder über denen) weniger bekannte oder ganz unbekannte Namen stehen – also vergessene Namen, vergessene Texte.
Der Name Michael Pehlke (der als Dramaturg an verschiedenen grossen Theatern arbeitete und auch Regie führte) gehört in diesen Zusammenhang: grossartige Texte von einem, der kein Filmkritiker war – aber etwas vom Inszenieren verstand und immer ein gutes Stück Zeitdiagnostik ablieferte. Die bewährte sich vor allem bei seinen zwei langen Texten über die ‚Berlinale 1983. Atemnot. Deutsche Schauspieler’ und den ‚Notizen zu einigen Besonderheiten der Berlinale 1984’. (‚Filmkritik’ 5/1983 und 3-4/1984.) ‚Wäre tun so leicht als wissen, was zu tun ist …’ (‚Filmkritik’ 10/1983) geht über den Marcel Opuls Film Le Chagrin et la Pitié. Einiges in der Kolumne ‚Im Kino’: The Blade-Runner von Ridley Scott, Wolfen von Michael Wadleigh, Domino von Thomas Brasch, The Riffs von Enzo G. Castellari. Ein besonderes Vergnügen scheint für ihn gewesen zu sein, Die wilden Fünfziger seines Theaterkollegen Peter Zadek auseinanderzunehmen (‚Filmkritik’ 11/1983).
Mitarbeit auch bei Filmen von Günter Peter Straschek und Harun Farocki (Wie man sieht, 1986).
Michael Pehlke (7. März 1943 – 17. Mai 2015) ist letzten Freitag auf dem Friedhof Heerstrasse in Berlin-Westend die letzte Ehre erwiesen worden.

Samstag, 20.06.2015

Die ‚Rencontres Internationales’, dieses Jahr vom 23. – 28. Juni im Haus der Kulturen der Welt in Berlin, zeigen als ‚special screenings’ die neuen Filme von Jean-Marie Straub, Kommunisten (Mittwoch, 24.6., 19 Uhr), und von Claire Denis, Voilà l’enchaînement (Donnerstag, 25.6., 20 Uhr). Der Eintritt ist frei.
Das Interview mit Straub aus ‚Les Inrockuptibles’ (11.3.2015) ist in deutscher Übersetzung hier zu finden.
Im Juni 2015-Heft von ‚konkret’ ist gerade eine ausführliche Würdigung des Straub-Films von Stefan Ripplinger erschienen.

Freitag, 12.06.2015

Baillie on YouTube

Im Oktober letzten Jahres hat Bruce Baillie, inzwischen knapp 85 Jahre alt, begonnen, seine Filme bei YouTube zugänglich zu machen. Darunter neben QUIXOTE und den Kurzfilmen von Vol I. seiner DVD-Edition auch viel Unbekannteres (etwa LITTLE GIRL: „This film made in 1966, never released, recently restored by Academy Film Archives, Los Angeles.“)

Freitag, 05.06.2015

35/100

Die Geschichte vom kurzen Augenblick, in dem ich in einem Text über zwei New Yorker Celluloid-Retrospektiven statt „The DCP changeover“ „The DCP hangover“ las.

Etwas zum Staunen

die Mücke a

Als schwarze Silhouette schreitet die Hauptdarstellerin vom Dunkel ins Licht, hinein in den Filmtitel, zwischen die mannshohen Buchstaben. Dort wendet sie sich um, zieht an einer Zigarette und lässt den bodenlangen Mantel einen Spalt weit offen. Weiß leuchtet das enge Kleid. Dann die Pose, dann der Blick. So wie sie den Mantel öffnet, so auch die Augen, die Lippen, nur so weit es ihr gefällt.

die Mücke b
Die Mücke (1954 Walter Reisch)

Walter Reisch: „Her name is Hilde Krahl, a very good actress. I had guided her through her very first picture, Silhouetten, directed by me in Vienna. She called me one day wanting me to come and make a picture for her. Nothing could have pleased me more. I had about four months‘ leave of absence from Fox, and gave up a lot of money just to make a picture with her. I wrote and directed a picture for her called Die Mücke [Madame Mosquito, 1954]—that’s an insect, you know—the story of an aging spy à la Mademoiselle Docteur [Edmond T. Greville, 1937] who in today’s age of computers and electronic devices, when her beauty and her feminine charms can no longer beguile and deceive officers of the enemy’s army, has lost her job. A very good picture.“

die Mücke c

Als die Spionin zu Fuß unterwegs ist in den leeren Straßen von Bad Pyrmont, verfolgt von der Limousine eines Waffenhändlers, da fährt eine Dampflok aus einer Häuserecke und zwingt den Verfolger anzuhalten.

die Mücke d

Vom Waffenhändler bekommt die Spionin den Auftrag, herauszufinden, ob seine Frau (Margot Hielscher) ihm treu ist.

Wenn die beiden Frauen sich gemeinsam amüsieren, und über allem ein Geheimnis liegt, da, in der Mitte, gefällt mir der Film am besten. Ob zuletzt das Dunkle oder das Frivole siegt, ist nicht vorhersehbar. Doch Walter Reisch ist zu sehr Drehbuchautor. Mit Wendungen zügelt er die wilde Richtungslosigkeit seines Films.

die Mücke e

In einem Kino in Triest hat der Waffenhändler ein heimliches Geschäft abgeschlossen.
Dieser Böse, dargestellt von Gustav Knuth, könnte in Walter Reischs Film durchaus auch jenen schönen Satz sagen, der mir im neuen Film von Hakan Algül sehr gut gefiel: „Auch wir, die Bösen, auch wir lieben.“

(Pferde, Luxus und Gefahr. Auch das gibt’s in der türkischen Tierarztkomödie Niyazi Gül Dörtnala.)

die Mücke g

Dem Detektiv in Josephine Teys Kriminalroman „Wie ein Hauch im Wind“ ging 1950 etwas Hoffnungsvolles durch den Kopf. „Zumindest hatten sie Verstand, die heutigen Kinder. Das Kino sorgte dafür, nahm er an. Es waren immer die auf den billigen Plätzen – die Stammkunden -, die alles begriffen, während diejenigen auf den Balkonplätzen noch im Dunkeln tappten.“

Die BRD-Filme der vielgescholtenen 50er Jahre wurden unsinnigerweise Papas Kino genannt. Die vielen Frauenfilme von Alraune (1952 Rabenalt) bis Barbara (1961 Wisbar) waren Kino par excellence – sowohl Die Sünderin (1951 Forst) als auch Die Rote (1961 Käutner), all der Skandal und das Verruchte – es war Mamas Kino.

Die kurze Zeit, in der das deutsche Filmschaffen ohne staatlichen Auftrag war, zwischen Nürnberger Prozess und Oberhausener Manifest, diese Phase will rehabilitiert werden. „Ach rüttel mich, ach schüttel mich.“ Wer sich nicht fürchtet, es könne ihm ein Apfel auf den Kopf fallen, dem kann Die Mücke überzeugende, optische Argumente liefern. Auch dank des Kameramanns Kurt Hasse, in dessen Filmografie sich erstaunliche vier (!) SGE-Kanon-Filme befinden: Himmel ohne Sterne (1955 Helmut Käutner), Mein Vater, der Schauspieler (1956 Robert Siodmak), Raubfischer in Hellas (1959 Horst Hächler), Stadt ohne Mitleid (1961 Gottfried Reinhardt).
Da sind außerdem die Titel von drei Barbara-Rütting-Filmen: Liebe, wie die Frau sie wünscht; Alle Sünden dieser Erde; Ich war ihm hörig. Und dann die ersten fünf Filme von Alfred Vohrer: Schmutziger Engel, Meine 99 Bräute, Verbrechen nach Schulschluss, Mit 17 weint man nicht, Bis dass das Geld Euch scheidet… In den Titeln steckt das volle Programm: Mamas Kino, von dem der Junge Deutsche Film sich losreißen wollte. Um was zu werden. Was? Literaturverfilmung. Fernsehen. Patriarchat.
Kurt Hasse war übrigens auch Kameramann bei der Raumpatrouille (1965).

tol'able time tunnel

„Ein gigantisches schwarzweißes spiralenförmiges Ding, dessen Ausmaße schlicht unfassbar sind,“ sollte ich noch nachliefern. Claudia Basrawi hat mich gebeten, ihre Vision vom zweiten Teil der Quereinsteigerinnen nicht zu verfilmen, sondern stattdessen mit ein paar Bildmontagen zu illustrieren. Besonders lag ihr der „Fassjunge“ am Herzen.

Noch eine Empfehlung. Neu im Kino: Melissa McCarthy, Miranda Hart und Rose Byrne in Spy (2015 Paul Feig). Etwas zum Lachen. Eine Action-Komödie für die Stammkunden. Ein makelloser Film.


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