Telefon (11)
Jess De Gruyter’s Telefon (2004), via mubi notebook
Jess De Gruyter’s Telefon (2004), via mubi notebook
Das Paramount Theater ist Austins ältestes noch existierendes Kino. Als es 1915 gebaut wurde, hieß es Majestic und war ein Vaudeville-Theater. Zwei Jahrzehnte später konnte man mit Vaudeville kein Geld mehr verdienen, Paramount kaufte das Haus und machte es zum Kino. In einem kleinen Film über die Geschichte des Kinos berichtet einer, dass nach den glanzvollen Vierzigern und Fünfzigern der übliche Abstieg einsetzte. Er erinnert sich daran, wie draußen für THE FIVE FLYING FINGERS OF DEATH mit Bruce Lee geworben wurde, und im Zuschauersaal, der gut gepolsterte 1200 Sitze hat, saßen nur 12 Hartgesottene. Zwar heißt der Film THE FIVE FINGERS OF DEATH und Bruce Lee spielt gar nicht mit, aber so ist das mit der Filmerinnerung. Seit dem Relaunch 1980 wird wieder ein gemischtes Programm angeboten, Konzerte, Theaterstücke, Tanzshows. Während des Festivals darf das Gebäude für eine Woche so tun, als wäre es ganz Kino.
Die Schlange der Akkreditierten zieht sich bis um die Straßenecke. Mich fragt jemand, ob er hier richtig sei für Billy Bob Thorntons Dokumentarfilm über Willie Nelson. Nein, Billy Bob Thorntons Dokumentarfilm über Willie Nelson kommt morgen um die gleiche Zeit. Ich kann ihm nicht sagen, was jetzt hier läuft; diesmal habe ich das Kino ausgesucht und nicht den Film. Die resoluten alten Damen am Eingang tragen rote Uniformen und legen einen professionellen Stoizismus an den Tag, als hätten sie seit THE FIVE FINGERS OF DEATH nichts anderes getan als hier zu stehen und für die notwendige Einhaltung der Regeln zu sorgen. Gegenüber Festivalbesuchern, die ihre Getränke mit ins Kino nehmen wollen, zeigen sie sich unnachgiebig. Auch im prunkvollen Saal stehen einige von ihnen und mahnen die Zuschauer mit strenger Miene, aufzurücken und keine Lücken zu lassen.
ANOTHER HAPPY DAY, mit Ellen Barkin, Ellen Burstyn, Demi Moore. Regie und Drehbuch: Sam Levinson, sein Debütfilm. Situation: Hochzeit. Genre: Dysfunktionale Familie. Ein Sohn heiratet, die traumatisiert in alle Winde zerstreute Familie findet sich zur Feier zusammen. Es gibt noch einen zweiten, bildhübschen Sohn mit Drogenproblem und Depressionen. Es gibt eine Tochter, die sich die Arme ritzt. Es gibt einen Großvater, der einen Hirnschlag nach dem anderen hat. Seinen Tod findet er, als er mit dem Rasenmäher gegen einen Baum fährt. Auf einem schwimmenden Autoreifen treibt der berauschte Sohn abends spät ins offene Meer hinaus. Giftige Auseinandersetzungen zwischen der Exfrau und der neuen Gattin des Vaters. Zum Ende hin schaukelt sich die Sache immer höher: Musik, Bild, Dialoge, alles drückt aufs Sentiment, und der Film zieht das durch, ohne Gnade. Gegen jede Wahrscheinlichkeit gefällt mir das sehr. Der Film ist toll, und zugleich würde ich niemandem empfehlen, ihn anzuschauen.
Einmal beschimpft die nervlich angeschlagene Mutter (Ellen Barkin) ihren Sohn als Son of a bitch, und er kontert blitzschnell: You just insulted yourself.
[Freitag, 18. März 2011, Paramount Theater, 713 Congress Avenue, Austin, TX 78701]
Jack Palance oder Anthony Quinn?
Attila, der Hunnenkönig oder Attila, die Geißel Gottes?
Welcher der beiden Filme aus dem Jahr 1954 war die Inspiration?
„Mein Lieblingsschauspieler war Jack Palance“, schrieb Peter Nau (Zur Kritik des politischen Films, 1978). Das Wahnsinnsgesicht des Amerikaners mit ukrainischen Eltern löste auch bei dem Kölner Horst Drenske etwas Folgenreiches aus, es kam zur Gründung der 1. Kölner Hunnenhorde, 1958. Das Außergewöhnliche dieses Vereins (und der vielen, inzwischen bald hundert anderen „Stämme“) war und ist die schillernde Verflechtung von Ethnologie, Kino und Karneval.
Die Stämme von Köln zeigen das Behagen in der Gegenkultur. Anja Dreschkes Film, der mehr ist als nur eine Ethnologie des Inlands, beschreibt und erlaubt das elementare Vergnügen sich selbst im Anderen wiederzuerkennen. Und so lassen sich vor den Toren der Stadt, wenn im Sommer die Hunnen und Mongolen ihre zahlreichen Lager aufschlagen, einige Visionen erhaschen – von dem Entstehen, der Blüte und Ausbreitung von Kultur – durch Kostümierung.
Die Beschäftigung mit etwas Fremden wirkt kindlich, wenn sie spontanem Wohlgefallen folgt. Es wird stattdessen ernst genommen, wer sich nur möglichst umständlich von oben über etwas beugt.
Bewunderndes Aufschauen, Imitieren und Sich-hinein-Versenken – all das gilt nicht als seriöse Erkenntnismethode, doch jede Kultur ist letztlich Schmuck und Schminke, Maskerade und Mobiliar: ein Gemisch aus Erfundenem und Erbeutetem.
Eigentlich schön, sich vorzustellen, dass sich die etablierten Instanzen des deutschen Dokmentarfilmfestivalbetriebs von diesem herrlichen Film pikiert abwenden, ganz so wie die großen uniformierten Karnevalsvereine an den faszinierenden Kölner Stämmen gebannt vorbeischauen.
Kino und Karneval sind lustige Geschwister der Religion. Denn auch das unbequemste Kostüm ist ein bequemes Heraus aus der nicht selbstgewählten Welt. In besonderen Fällen ein an- und ausziehbares Jenseits.
Kinostart heute in Köln. Festival-Premiere in London.
Ich schaue mir gern diese 26minütigen Filme aus der Reihe ‚Architectures’ / ‚Baukunst’ auf arte an. (Sonntagabend bzw. schon Montag, 16.5.2011, gab es zum Beispiel einen Film über die Stadtsparkasse in Wien, die Anfang des letzten Jahrhunderts erbaut wurde.) Richard Copans und Stan Neumann haben diese Serie konzipiert und zusammen mit anderen realisiert – unterdessen gibt es da einen beeindruckenden Katalog an Titeln (ab 1995, auf 6 DVDs), aber die Recherche und Produktion der Filme gehen weiter (zum Beispiel sind ganze Kontinente wie Afrika und Südamerika noch nicht vertreten).
Als Ausgangspunkt oder Ideensetzung für die Reihe kann man Stan Neumanns Film Paris, roman d’une ville von 1991 ansehen, dem Klaus Krug 1995 eine ganze Nummer seiner Zeitschrift ‚nordnordwest’ gewidmet hat (diese fünfte sollte auch die letzte sein) – während ich, mich dieser Nummer erinnernd, 1999 in ‚shomingeki’ Nr. 7 ausführlich über Une maison à Prague / Ein Haus in Prag (1998) von Stan Neumann geschrieben habe. Dieser Blick auf das lang schon verlassene Elternhaus und dessen Geschichte, der Blick auf die Stadt, in der man heimisch geworden war, ist spürbar in dem Interesse, das nun weitergehend und darüberhinausgehend den ins Auge gefassten Gebäuden entgegengebracht wird – wiewohl natürlich eine Reihe von ‚Regeln’ (wie die Gebäude zu filmen seien) etabliert und im Lauf der Zeit korrigiert und verfeinert werden mussten. Als besonders bemerkenswert sind mir (ich habe natürlich nicht alle Sendungen gesehen) etwa die Filme über eine französische Schokoladenfabrik in Menier, die Sendai-Mediathek von Toyo Ito, das SAS Royal Hotel in Kopenhagen oder die königliche Moschee von Isfahan in Erinnerung geblieben.
Über ein modisches Interesse an Architektur (oder an ‚Stararchitekten’) hinaus, werden hier also bedeutsame, natürlich immer auch die Zeit bezeichnende Gebäude vorgestellt – und zwar nicht nur von der Fussgängerperspektive aus, sondern von der Konstruktion (für jedes Gebäude ist eine Maquette hergestellt worden) und vom Alltag ihrer Benutzung her. Die Zeitläufte sind den Gebäuden nicht nur dadurch und durch Wind und Wetter eingeschrieben, sondern vor allem auch durch die politischen Grosswetterlagen. (Wie etwa am Beispiel ‚Bauhaus’ in Dessau besonders gut zu sehen.)
Viele der Statements, die am 10. April 1969 an der New York School of Visual Arts abgegeben wurden, sind zu kanonischen Texten der Institutional Critique geworden. Hintergrund der Protestveranstaltung war der Konflikt zwischen New Yorker Künstlern und den Museen der Stadt, insbesondere dem MoMa. In der »art workers’ coalition open hearing presentation« forderte Gregory Battock: »Do you realize that it is those art-loving, culturally committed trustees of the Metropolitan Museum who are waging war in Vietnam? Well, they are. They are the very same people who called in the cops at Columbia and Harvard; and they are justifying their sick, disgusting slaughter of millions of people struggling for independence and self-determination by their precious, conscious support of ART. Anyone who lends themselves to this fantastically hypocritical scheme needs their head examined.«
Neben Carl Andre, Dan Graham, Joseph Kosuth, Lee Lozano, Lucy Lippard, Hans Haacke und vielen anderen Künstlern nahmen auch ein paar Filmemacher an der Veranstaltung teil, namentlich Len Lye und – mit einem gemeinsamen Papier – Ken Jacobs, Michael Snow und Hollis Frampton. Hier ein Auszug aus ihrem Statement:

Alle Forderungen und Reden, die an diesem Tag zu hören waren, sind hier – auf der ohnehin sehr materialreichen Seite von Primary Information – versammelt. Der Text von Frampton, Jacobs und Snow wurde einen Monat später unter dem Titel »Filmmakers versus the Museum of Modern Art« im Filmmakers Newsletter (vol. 2, no. 7, May 1969) veröffentlicht. Viel hat sich – zumindest bis 1973 – nicht geändert, siehe Hollis Framptons Brief an Donald Richie hier.

Vince Barnett in Scarface (1932 Howard Hawks)
Der Sekretär zückt seinen Revolver, in Notwehr, gegen das Monster namens Telekommunikation.
Die Arbeit hat bei Hawks zwei Gesichter.
Bei einsamen Tätigkeiten ist das Desaster sehr wahrscheinlich.
Gemeinsames Tun mündet recht verlässlich in Ekstase.

Rosalind Russell & Cary Grant in His Girl Friday (1940 Howard Hawks)
Die Journalistin und der Journalist sind kein harmonisches Paar, nicht Mann und Frau, sondern eine wilde Improvisation gegen den Fortlauf der Welt.
Versagen oder Triumph, das ist bei Hawks in letzter Konsequenz: Tod oder Musik.
In den Berliner Eva-Lichtspielen kann man am Montag, den 16. Mai, einen weiteren klassischen Trümmerfilm sehen, „Liebe 47“ (1948/49) von Wolfgang Liebeneiner. Er basiert auf dem wohl berühmtesten Stück Trümmerliteratur „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert. Borchert hatte die Bühnenpremiere seines Theaterstücks nicht mehr erlebt, das 1947 uraufgeführt wurde. Wer das Werk in der Schule kennen lernte, erinnert sich an die völlige Ausweglosigkeit, die in immer neuen Anläufen bekräftigt wird. Der „Heimkehrer ist einer „von denen, die nach Hause kommen und die dann doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist.“ Der Film aber biegt im letzten Moment ab und lässt den heimkehrenden Soldaten (Karl John) eine – zunächst ebenso lebensmüde – Frau (Hilde Krahl) finden, mit der ein Neuanfang möglich ist.
Eva-Lichtspiele, Blissestraße 18, Wilmersdorf, montags 15.45. (Mit Einführung)
Drei Videoinstallationen und eine Diaserie in einem Raum. Davis Museum, Wellesley, Massachusetts.
“Looking Up” – Eine Aufsicht auf einen Platz mit quadratischen Platten, Passanten gehen durchs Bild, ein Mann bleibt in der Mitte stehen und schaut nach oben, als würde er etwas Bestimmtes beobachten. Passanten kreuzen in alle Richtungen. Irgendwann bleiben mehrere Leute beiläufig stehen, Paare reden miteinander, ein Mann schützt die Augen mit den Händen gegen die Sonne, um auch etwas zu erkennen. Eine Frau führt ihren Hund um die Grüppchen herum, bleibt auch stehen und guckt hoch. Der Mann ist auf einmal umringt von etwa zehn Personen, die seinem Blick folgen. In diesem Moment verläßt er das Bild. Nach und nach gehen auch die anderen wieder ihrer Wege und der Ort bleibt leer zurück.
Im Schatten einer Kolonnade, mit dem Rücken am Podest einer Säule, schläft ein Hund mit ausgestreckten Läufen. Im Hintergrund eine eher ruhige Straße, neben ihm Hosenbeine in schwarz mit Metallknöpfen an der Seite, herumstehend, ab und zu die Position wechselnd, einmal gehen zwei ebensolche Beine in weiß nach links durchs Bild und später auch wieder zurück. Der Hund schläft. Dann träumt er und die Pfoten scheinen laufen zu wollen, beruhigen sich wieder. Dann zucken aufgeregt die Hinterpfoten. So geht das ein paar Male, die Männerbeine treten auf der Stelle, der Hund trippelt im Schlaf… Einer der Männer verschwindet nach hinten auf die Straße, ganz in schwarzer Tracht mit einer Gitarre auf dem Rücken. Irgendwann wacht der Hund auf, hebt etwas den Kopf und schaut träge in die Welt.
Auf die Wand zwischen diesen beiden kompakten Sequenzeinstellungen wird ein geschnittener Film mit Ton und einer simplen Handlung projiziert: Ein Mann (der Künstler selbst, wie der initierende Passant im ersten Video) schiebt einen Eisblock durch die belebten Straßen von Mexico City. Alle möglichen Einstellungen, Verkehr und Passanten, an Läden vorbei, über Plätze, Kreuzungen, eine Treppe. Der Eisblock wird kleiner, seiner Natur gemäß. Als das Eis nur noch Ballgröße hat, tritt er es vorwärts, dann wird es zu einem Pingpong und am Schluß bleibt ein kleines Scheibchen auf der Straße zurück. Schnitt, eine kleine Pfütze, ein paar Jungs hocken drumherum, die Kamera schwenkt hoch zu ihren lachenden Gesichtern. Insert: Sometimes doing something leads to nothing.
Die Diaserie versammelt eine Vielzahl unterschiedlichster Ein-Mann-Transporte in den bunten Straßen der gleichen Stadt. Meist Straßenhändler, die auf dem Kopf oder den Schultern, mit Karren, Rädern, Dreirädern, all die Dinge mit sich schleppen, schieben, ziehen, die, eher bizarr, denn überzeugend wirkend, einen materiellen Wert für sie besitzen.
Die Projektionen sind in der Höhe gestaffelt, die Diaserie und der Hund sozusagen in Bordsteinhöhe, die Aufsicht auf den Platz halbhoch, das Eisschieben in typischer Leinwandhöhe.
Dieser Künstler geht auf die Straße, mit einfachen Ideen, die aus dem Alltag entspringen und sich dorthin zurück begeben. Worin besteht die Arbeit eines Künstlers? Er handelt mit etwas, nicht anders als ein Straßenhändler. So leichtfüßig kommen Alÿs’ Aktionen daher, da muß man nicht schwer nachdenken. Das Zeigen/Betrachten eines schlafenden Hundes in Parallelität zu seiner menschlichen Umgebung, der am Ende aufwachend zurückschaut, fast in die Kamera, vielleicht seinen Beobachter bemerkend. Der Kunstbetrachter schläft mit und bemerkt sich selbst wie im Traum. Ein einzelner Mensch, der einfach herumsteht und nach oben schaut, animiert anonyme Passanten, es ihm nachzutun. Ohne dass sich jemand dessen bewußt zu werden scheint. Ein ganz simples Geschehen, Menschen reagieren auf das Verhalten anderer, ein Alltagsexperiment über die Basis unseres Zusammenlebens. Und eine Kunst, die das überstrapazierte Wort Interaktion herrlich arbiträr auf die Straße holt.
Der Titel der Ausstellung stammt von zwei Fotos, in denen der Künstler auf einen Kaugummi tritt und einen klebrige Spur nach sich zieht. Man kann zwei der Installationsvideos auf der website des Künstlers anschauen, den Hund leider nicht, aber einen Fuchs im Museum und einiges mehr (www.francisalys.com).

Die Retrospektive von Robert Beavers‘ Gesamtwerk im Österreichischen Filmmuseum war eins der schönsten Ereignisse des letzten Jahres.
Harry Tomicek schreibt in der begleitenden Broschüre: »Es kommen bei Beavers also auf magische und auf eigens hervorgehobene hervortretende Art Dinge stets gedoppelt zum Vorschein: als sie selbst und als gefilmt. Oder, brüsk gesagt: als Hand, Baum, Buch einerseits, als vom Film Erschaffenes andererseits. So verzweigt sich jede Arbeit Beavers’ in die Welt und in den Film, um die von ihr getrennten Wirklichkeiten in einem gesuchten, hergestellten Maß erneut zu vereinen. Nichts anderes als dies ist die Sprache von Beavers-Filmen.«
Die Gelegenheit, Beavers’ Filme zu sehen, ist selten. Am kommenden Sonntag werden EARLY MONTHLY SEGMENTS (REEL 1) (1968-69/2002), THE GROUND (1993-2001), PITCHER OF COLORED LIGHT (2007) und THE SUPPLIANT (2010) im Berliner Kino Arsenal gezeigt. Die zwei erstgemannten sind Teil des umfassenden Filmzyklus MY HAND OUTSTRETCHED TO THE WINGED DISTANCE AND SIGHTLESS MEASURE, die beiden anderen nach dessen Fertigstellung entstanden.
Nach der Vorstellung spricht P. Adams Sitney mit Robert Beavers.
Sonntag, 15. Mai
19:30 Uhr
Kino Arsenal
Ein ausführliches Gespräch zwischen Beavers und Tony Pipolo findet sich hier (als html) und hier (als PDF, 8,6 MB).
In der US-Indieszene schon ein Name, vermutlich nicht in Deutschland. Gerade startet ihr neuer Film in den Kinos, “Meek’s Cutoff”, ein minimalistischer Western, Genre gegen den Strich gebürstet: 1:1,33 Format gedreht, fast dokumentarische Authentizität in Kostümen und Alltagsdarstellung (1845, drei Familien mit drei Ochsenkarren durchqueren wüstenartiges Niemandsland), wenig ‘Handlung’, reduziert auf den existentiellen (zwischenmenschlichen) Konflikt, den richtigen Weg zu finden, eine Frau im Mittelpunkt, offenes Ende. Die Schauspieler mußten einige Wochen lang den richtigen Umgang mit den Tieren und historischem Gerät lernen.
Vor allem möchte ich jedoch über die zwei ersten Filme der Regisseurin berichten aus den 90er Jahren. “River of Grass” spielt in einer gottverlassenen Kleinstadt in Florida, nahe den Everglades. Eine junge Mutter leidet an Vereinsamung und Überdruß und wünscht sich, dass doch einfach jemand käme und ihre Kinder mitnähme. Ihr Mann ist vor allem abwesend, ihr Vater ein Polizist, ein gealterter Rockmusiker, der nur lebt, wenn er Schlagzeug spielt. In der Ouvertüre des Films geht diesem die Dienstpistole verloren, als jemand seine Stammkneipe überfällt. Die Waffe gerät in die Hände eines jungen Losers und wird zum Katalysator der Ereignisse.
Die junge Mutter und der Loser begegnen sich in der Bar. Später draußen in der Nacht, beide betrunken mit der Waffe herumfingernd, löst sich ein Schuß – der vermeintlich einen Mann tötet. Die Beiden fliehen. Wie vom Schicksal besiegelt nehmen sie die Rolle der Gesetzlosen und Verdammten an.
Der Film atmet die gleiche Luft wie Malick’s “Badlands”, ohne daß sich etwas wiederholen würde. Eine abgründige Stimmung übertönt den kriminalistischen Handlungsfaden. Der Film hat Mut zum Konkreten, Fragmentarischen, Unerklärten.
Der halblange “Ode” erzählt die erste Liebe einer 15jährigen Pfarrerstochter. Dem wohlbehüteten Mädchen wird der Umgang mit dem Verehrer verboten. Der junge Mann erlebt eine gleichgeschlechtliche Entjungferung, die er nicht verarbeiten kann und tötet sich selbst. Der Film scheint im 18.Jh. zu spielen, obwohl es die 50er irgendwo auf dem Lande sind, oder die 90er? In super8 gedreht, mit bewußten Unschärfen, die wohl auch diese Zeitlosigkeit, vor allem aber mutig ungewohnte Bilder erzeugen. Der Film konzentriert sich ganz auf die immer zu kurzen Begegnungen der Teenager, in denen sich die ersten sexuellen Gefühle aussprechen, und sie können doch nicht aus ihrer Haut, die schon mit der Moral ihrer Umwelt gesalbt ist.