Mittwoch, 10.03.2010
Dienstag, 09.03.2010
Wirklich (komisches Wort)
Las Vegas, 1965, mit den Augen von Michael Pfleghar
Serenade für zwei Spione – einer jener Filme, über die man, wie Volker Pantenburg hier so schön vorschlug, schreiben sollte, bevor man sie sieht. 1965 fand der Spiegel: Mit seinem zweiten Kino-Film zerstört Michael Pfleghar („Die Tote von Beverly Hills“) die Hoffnung, ein Erneuerer des deutschen Films zu sein. 45 Jahre später, im winterlichen, und wie man mir erklärte, bekanntermaßen (!) ungeheizten Filmclub 813 siegten über die großen Erwartungen dann doch die unvorhersehbaren Kleinigkeiten: 1) Wie Hellmut Lange in einer offenen Straßenbahn durch San Francisco gondelt, während die Kamera parallel fahrend (in einem Kabrio?) vom angestrengten Lächeln des vernarbten Helden gelangweilt wegschwenkt, einfach mal so, nach vorne, in eine spektakuläre Stadtschlucht.
2) Wie Heidelinde Weis, in einer Regentonne badend, ihren Wunsch charmant artikuliert und rücksichtslos durchsetzt, Hellmut Lange nackt zu sehen. „Ganz! Sonst schreie ich!“
3) Wie eine Schießerei, nach wilder Verfolgungsjagd, auf dem Boden eines Bergsees – allerdings nur illusorisch unter Wasser, durch ein blubberndes Aquarium hindurch gefilmt – auf sonnigem Wüstenboden ausgefochten wird. Wirklich lustig ist was anderes.
Köln, 2013, mit den Augen von SPD und FDP (klein: die etwas dunklere „Sparversion“)
Nach neuesten Berechnungen ist der Leuchteffekt des fluoreszierenden „Siegerentwurfs“ teurer als geplant. Eine halbe Stunde der dargestellten Strahlkraft verschlänge in etwa die Energie einer gewöhnlichen Neutronenbombe. *
Wirklich traurig ist was anderes: Ende März schließt sang- und klanglos der ehemalige UFA-Palast (Riphahn/1931). In einer Januarnacht sah ich auf dem Ring bereits einen Fuchs über den verwaisten Bürgersteig laufen.
Mittwoch, 03.03.2010
Mein Geheimnis
Ich suche seit langem nach einem Anlass, ein paar Sätze von meiner Lieblingsautorin abzutippen. Frank Schulz erinnert sich, dass er mit 13, 14, begann, „massenweise Plagiate von Agatha-Christie-Krimis zu schreiben, die von einem hanebüchenen Indizienwahn geprägt waren.“ Von da an konnte er sich nichts Schöneres vorstellen, als zu schreiben. Obwohl es doch Schöneres gibt auf der Welt.
„Sex“ – dieses Wort war in Miss Marples Jugend nicht oft erwähnt worden; aber gegeben hatte es eine Menge davon! Zwar sprach man nicht so viel darüber – aber man fand bedeutend mehr Gefallen daran als heutzutage. Zumindest kam es ihr so vor. Und obwohl Sex als Sünde gegolten hatte, meinte sie doch, es sei damals eine schönere Sache gewesen als das, wozu man heutzutage verpflichtet zu sein schien. (Agatha Christie: Karibische Affaire, 1964)
Die Grabstätte von Scheich Adi, liegt in den kurdischen Bergen bei Mosul, und als wir dort in der Nähe gruben, haben wir es besucht. Ich glaube kein Ort der Welt besitzt solche Schönheit und solchen Frieden. In vielen Windungen steigt man einen Bach entlang durch Eichenwäldchen und an Granatapfelbäumen vorbei hoch in die Berge. Die Luft ist frisch und klar und rein. (…) Und so unschuldig ist dort der Mensch, dass die christlichen Frauen nackt in den Bächen baden können. (Agatha Christie: Erinnerung an glückliche Tage, Come, tell me how you live, 1946; aus dem Englischen übersetzt von Claudia Mertz-Rychner, 1977, Bastei-Lübbe-Taschenbuch)
Auf zwei tolle neue Bücher möchte ich nebenbei hinweisen. Laura Tonke: Meine schönste Zeit – Facebook Graffitis (bei MaasMedia), und Claudia Basrawi: Mittelmeer Anämie (bei b-books).
Agatha Christie, 1946
Erfolg vorherzusehen oder im Nachhinein zu erklären… Ich bilde mir nicht ein, das zu können. Der Leser ihrer Bücher lernt die Frage Wer-ist’s-gewesen? neu zu formulieren: Wer ist derjenige, der von sich ablenkt?
„Ich glaube, er fühlt sich nicht sehr wohl in seiner Haut“, sagt Miss Marple zur Entlastung eines Verdächtigen, in „A Caribbean Mystery“, und auf die skeptische Frage, ob ein Mörder sich denn wohlfühlen muss, antwortet sie: „Nun, nach meiner Erfahrung tun sie das gewöhnlich.“
So was liest man nicht alle Tage. Soviel weiß ich. Aber mehr fällt mir dazu nicht ein, „…denn was kann man eigentlich darüber sagen, wie man ein Buch schreibt? Zuerst muss einem etwas einfallen, und danach muss man sich dazu zwingen, sich hinzusetzen und es aufzuschreiben, das ist alles.“ (Ariadne Oliver in Agatha Christies „Wiedersehen mit Mrs. Oliver“, 1956)
Sonntag, 28.02.2010
Westernhinweis
„Von allen Filmen, die ich in Hollywood gemacht habe, hat Seminole die schlimmsten Kritiken bekommen. Ich selbst mag den Film sehr.“ (Budd Boetticher)
Seminole, 1953, mit Rock Hudson, Anthony Quinn, Barbara Hale, Lee Marvin, um 14:00 Uhr, ZDF,
und
Canyon Passage, Feuer am Horizont, von Jacques Tourneur, 1946, mit Dana Andrews, Susan Hayward, Brian Donlevy, auch im ZDF, um 15:30 Uhr. „Einer der schönsten alten Technicolor-Western, bei deren Erinnerung einem ganz warm ums Herz wird, auch wenn man bei längerem Nachsinnen entdecken muss, dass man sich an überhaupt nichts Konkretes mehr erinnern kann – nur an Hoagy Carmichael, wie er auf seinem Pony durch den wunderschönen bunten Wald von Oregon reitet und singt Old Buttermilk Sky!“ (Joe Hembus: Westernlexikon)
Sonntag, 21.02.2010
Abgesicherter Modus
In den letzten drei Wochen hatte er so viel über die copy + paste-Generation gelesen, dass er anfing, sich in die speichern oder abbrechen-Zeiten zurückzusehnen. Eher skeptisch schaute er in die Zukunft, in der, so fürchtete er, die suchen und ersetzen-Leute das Sagen haben würden.
Mittwoch, 17.02.2010
Langtexthinweis
* Volker Pantenburg: Brief über Delahaye
Sonntag, 14.02.2010
Radio
Am Rosenmontag im Deutschlandradio Kultur um 21:33 Uhr: Memoiren eines Butlers
Kriminalhörspiel von 1963, mit Theo Lingen, Gustav Knuth, Hanne Wieder.
Danach im WDR 3 um 23:05 Uhr: Frankenstein in Hiroshima, Science-Fiction-Hörspiel
von Jörg Buttgereit, mit Joachim Kerzel, Akiko Fujino-Yoshida, Thomas Danneberg.
In der Nacht zum Aschermitwoch im Deutschlandradio Kultur um 0:05 Uhr:
Der kleine Italiener, Eine Geschichte des deutschen Sexfilms, erzählt von Rinaldo Talamonti.
Am Aschermittwoch im Herbstradio um 18:00 Uhr: Claudia Basrawi und Mario Mentrup laden, aus Anlass seines neuen Films Bedways, RP Kahl zum Gespräch.
Samstag, 13.02.2010
Weißer Clown neben wilden Blumen
Auch ich muss lachen über ihn, doch die Fans des „großartigsten Jury-Präsidenten aller Zeiten“ (cargo) machen mich traurig. Denn eigentlich sollte es hier unmöglich zu übersehen sein, dass der betont willensstarke Filmemacher lediglich das federleicht behandelte Sujet abgibt – im Film eines ungleich begabteren Kollegen.
Zwischen den 148 aufgeregten Kommentatoren auf Youtube bleiben zwei ganz unbeachtet: „Calm down. Werner is upset because he’s having so much trouble making his movie (…). Perhaps you should watch the whole documentary cause it’s awesome. (Burden of Dreams by Les Blank)“ Daraus ist übrigens auch das Beste in Mein liebster Feind geklaut. Und: „This film, The Burden Of Dreams is available on DVD from Les Blank dot com. Please support his filmmaking!“
Haben die Freunde der Kinemathek noch ihre 16mm-Kopien von Les Blanks Filmen? In den 90ern liefen Hot Pepper oder Spend it all immer wieder im Arsenal und auch mal auf einer Hochzeit am Rhein. Was ist daneben Wörner’s Wörk? Nichts als betonte Willensstärke. Gut möglich aber, dass der melodielose Flunkerer das selbst genauso sieht.
Als ich las, dass die Bezeichnung »Public Viewing« im amerikanischen Sprachgebrauch die öffentliche Aufbahrung eines Leichnams bezeichnet, von dem sich die Verwandten und Freunde verabschieden, erinnerte mich das an die documenta 11, bei der die englischsprachigen Besucher auf Informationstafeln darüber in Kenntnis gesetzt wurden, dass sie ihre Body Bags nicht mit ins Fridericianum hinein nehmen durften.

