Donnerstag, 24.08.2023

Auf einer fränkischen Dorfstraße

 

Filmtitel: Auf einer fränkischen Dorfstraße

Alternativer Titel: Ein Tag auf einer fränkischen Dorfstraße

FWU-Film: Ja (F 224)

Produktionsland: Deutsches Reich

Produktionsjahr: 1939

Filmdauer in Minuten: 11

Filmmaterial: SW, stumm

Originalformat: 35 mm, 1:1.33.

Format der Verleihfassung: 16 mm

Produktion (Firma): Basse-Film GmbH, Berlin; Ikaros-Film Wolfang Kiepenheuer, Berlin; im Auftrag der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm (RfdU), Berlin

Regie (bzw. „Gestaltung“): Wilfried Basse

Seite des Films auf filmportal.de

 

Daten zur Kopie

Kopienherkunft: privat (Sammlung Kino im Sprengel, Hannover)

Sichtungsformat: 16mm-Kopie, SW, stumm, 11 Min.

Zusatzmaterial: FWU-Beiheft (von 1967), Begleitkarte (Ausleihkarte) der Stadtbildstelle Hameln mit Ausleihvermerken 1950 – 1960

Oranger Hinweiszettel: “Halt. Bitte vor dem Einlegen Staub und Krusten im Filmkanal sorgfältig entfernen. Schleifen nicht vergessen! Handknopf betätigen! Ich lebe dann 3x so lang. Die dankbare Filmkopie”

Augenscheinliche Mängel: Starke Laufstreifen, Kratzer, Dreck, Staub, Flecken, verblasst

Vermerkte Mängel: Kratzlinien im Bildstreifen, Randkratzer im Bildstreifen, Schleiflinien, Film verregnet, Querschrammen, Sprungschrammen, Filmschwach, Verschmutzung

Weitere Anmerkungen: Die Kopie hatte ein beschädigtes Startband sowie Knicke und Perforationsrisse am Filmanfang. Beim Versuch, sie zu projizieren, riss das Startband, der Film staute und es entstanden vermutlich weitere Knicke und Rissstellen. Einige Perfo-Risse wurden geflickt, ein neues Startband angeklebt.

 

Zum Inhalt:

Auf einer fränkischen Dorfstraße wurde 1939 im fränkischen Dorf Mürsbach gedreht und zeigt das Leben der ansässigen Bauern und Bäuerinnen. Über den Verlauf eines Tages hinweg werden sie mit der Kamera begleitet. Der Fokus liegt auf den alltäglichen Arbeiten der Dorfbewohner*innen, die relativ ausführlich gezeigt werden. So sind etwa Kinder beim Gänsetreiben oder Erwachsene beim Melken der Kühe und Brotbacken zu sehen. Der Schmied, der Tischler/Drechsler: das ganze Dorf arbeitet. Es scheint, als gebe es keinen Bezug zu einem Außen.

Der Umgang mit Tieren zieht sich wie ein roter Faden durch den Film. FG merkt an, dass Tier und Mensch zusammen und doch für sich auftreten: Während die Menschen über feste Straßen und Wege laufen, befinden sich die Tiere meistens eher abseits dieser Wege.

Es gibt nur wenige Einstellungen in dem Film, in denen kein Tier zu sehen ist. Tiere waren überall im Dorf, wirken wie gleichberechtigte Bewohner mit Rechten und Pflichten. Die Menschen, so wird da erzählt, hatten täglichen Umgang mit Tieren und man sieht diesem Umgang die physische Vertrautheit an. (TH)

In den Aufnahmen der Tiere zeigt sich außerdem ein “schöner Blick für Details” (TK), zum Beispiel in einer Einstellung, in der Tauben zu sehen sind, die im Dachstuhl wohnen. Eine andere Einstellung zeigt eine Katze, die sich putzt. Eine “schöne Parallele” (TK) zeigt sich in einer Aufnahme, in der kleine Kinder über einen Fluss laufen, in dem Entenküken schwimmen.

Der Film zeigt, dass Wilfried Basse ein großes Interesse am Alltagsleben der Menschen und der Natur hatte. (FM)

FG merkt an, dass auch der Brunnen ein wiederkehrendes Motiv des Films ist. Er schließt daraus, dass sich Wasserwege und grundlegende Infrastruktur an den Straßen orientierten oder ihnen anhafteten.

Der Film ist langsam geschnitten:

Durch Schwenks und Einstellungen in der Totalen wird ein Überblick über das Dorf gegeben. Sorgfältige Auswahl der Kameraeinstellungen und der Licht- und Schattenpartien im Bild. (SO)

Sowohl das Fortbewegen, als auch das Stehenbleiben wird abgefilmt und von der Kamera inszeniert. (FG)

Trotz des Fehlens von Erzähler und Musik entsteht der Eindruck einer dörflichen Idylle (Zusammenleben von Tier und Mensch; Eindruck von Ruhe und Gemächlichkeit, auch bei den mühseligen Arbeiten; Erzeugung von Atmosphäre durch die Kameraeinstellungen und das Licht). (SO)

Jedem von uns fällt beim Sichten auf, dass es in dem Film “keine Hinweise auf den zeitpolitischen Kontext [gibt]” (TH).

Es ist keine Spur der gesellschaftlichen Situation während der NS-Zeit zu sehen. (FH)

Von dem bevorstehenden Krieg ist nichts zu merken. (TK)

Einmal ist kurz ein Plakat an einer Hauswand zu sehen, ein Mann mit erhobener Hand, das uns alle aufmerken ließ. Beim Zurückspulen erwies sich, dass darauf stand: „Augen auf im Straßenverkehr!“ (TH)

Besonders bemerkenswert findet FM das deswegen, weil “insbesondere die Landwirtschaft […] stark von der Propaganda der Nationalsozialisten thematisiert [wurde]”.

Ich meine mich zu erinnern, dass Auf einer fränkischen Dorfstraße nicht während der Zeit des Nationalsozialismus gezeigt wurde – allerdings konnte ich nicht herausfinden, ob der Film tatsächlich der NS Zensur unterlag und falls ja, welche Änderungen durch die Zensur unternommen werden mussten. (FM)

SO formuliert später folgende Fragen zum Film:

Lässt sich rekonstruieren, in welchen Kontexten der Film zur Entstehungszeit gezeigt wurde? Sollte hiermit das Ideal einer ländlichen Lebensweise vermittelt werden? Wie verbreitet waren zu dem Zeitpunkt solche traditionellen Dörfer? Handelt es sich eher um das Porträt einer noch verbreiteten oder um das Dokumentieren einer aussterbenden Lebensform?

FM antwortet darauf:

Ich vermute, dass diese Lebensform noch bis in die Nachkriegszeit hinein nicht ungewöhnlich war. Dennoch wird es sich auch zu dieser Zeit schon abgezeichnet haben, dass diese Lebensform eher der Vergangenheit angehört, daher auch diese Idealisierung im Film.

 

Weiteres über den Film:

Wolfgang Kiepenheuer, dem die Ikaros-Film GmbH gehörte, arbeitete seit 1936 mit Basse zusammen. Während Basse 1946 verstorben ist, hat Kiepenheuer für die FWU nach dem Krieg zahlreiche NS-Aufarbeitungsfilme hergestellt. Dafür griff er womöglich auf Material aus Filmen zurück, die er und Basse in den 30er Jahren gedreht haben. Den Film Auf einer fränkischen Dorfstraße nahm Kiepenheuer zum Anlass, 40 Jahre später noch einmal im selben Dorf zu drehen, woraus Ein fränkisches Dorf 1940 und 1980 entstand. Auch dieser Film wurde im Seminar gesichtet.

 

Teil des Dossiers „Sichten, Schreiben, Beschreiben: Zur Arbeit mit analogen Filmarchiven anhand von 16mm-Kopien aus der Bildungsarbeit der BRD“

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