Einträge von Rainer Knepperges

Freitag, 27.06.2008

heute Nachmittag

in Pesaro um 15:00
Stadt des Lichts von Mario Mentrup und Volker Sattel

„Heute Nachmittag sammelten wir einige Zweige von Meertang, womit von den westlichen Inseln an bis an die Amerikanische Küste die See ganz übersäet ist; einer dieser Zweige aber hatte etwas Besonderes.“ (Benjamin Franklin, 1726)

in München um 17:00
Zaungäste von Matl Findel und Leszek Dawid

„Heute Nachmittag sahen wir einen Vogel, der im Fluge wie eine gelbe Ente aussah.“
(Benjamin Franklin, 1726, Tagebuch einer Reise nach Philadelphia)

Montag, 16.06.2008

morgen und übermorgen

Der Programmwechsel der Lichtspielhäuser war damals freitags. Am 16. Juni 1978, heute vor 30 Jahren, startete GREASE in deutschen Kinos. Weil ich es zuvor schon, aus Dummheit, unterlassen hatte, die tief melancholische Milieustudie SATURDAY NIGHT FEVER anzusehen, war mir der Grund in GREASE zu gehen unklar. John Travolta. In unserer unschuldigen Altersstufe, in der wir Olivia Newton John zwanghaft Olivia Nutten John nannten, war manches unklar. Mit unentschuldbarer Verspätung, erst Mitte der 90er, entdeckte ich an den beiden Filmen die kraftvollen Züge amerikanischer Meisterschaft. Und auch URBAN COWBOY ist klasse.

An der Gesamtschule Köln-Porz wird GREASE gerade auf der Bühne gespielt. Der Anlass ist kein Jubiläum, sondern die Musik, die Texte, die zeitlose Qualität des Ganzen. Das Problem, dem Musical zwischen den vielen wechselnden Szenen, mit jedem liebevollen Bühneumbau, den Schwung nicht zu rauben, ist ohne Schnürboden und Drehbühne unlösbar. Um so erstaunlicher, wie Darsteller, Bläsercombo und Schulchor dann doch immer wieder alles neu in Fahrt bringen. Die simple Erklärung dafür mag sein, dass die Hauptdarstellerin eine wirklich famose Stimme hat, und in der vermeintlichen Nebenrolle des bad girls Rizzo gelingt Julia Vieregge ohne Mühe, was auch Stockard Channing im Film gelang, das Unglaubliche, dass man Travolta vergisst.

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Ein Kinotipp für bevorstehende EM-freie Abende: Forgetting Sarah Marshall (Nie wieder Sex mit der Ex). Mit (und geschrieben von) Jason Segel, Regie: Nicholas Stoller. Eine Judd Apatow Produktion der Spitzenklasse.

Freitag, 06.06.2008

Die Kraft gesprochenen Wortes

Kürzlich konnte ich nicht anders, ich musste einen Filmmonolog in seiner ganzen Länge abtippen:

„Es war im Golf von Pueblo Hindenburg auf den Bahamas. Das war in der Zeit damals mit Orson. Eine leichte Brise trieb unseren Katamaran aus der Lagune in die offene See. Wir bemerkten es nicht. Orson hatte mir gerade das Boot abgewonnen. Ich hatte Full House mit drei Damen. Er einen Achterpoker. Jetzt ging es um meine Schwester in Paris. Plötzlich war Orson verschwunden. Die Saugnäpfe der Riesenkrake zogen den Lack vom Bootsdeck. Meine Freunde, die Eingeborenen, nennen sie die Neunschwänzige. Ich brüllte: Orson! Ich hatte einen Flash auf der Hand und das Boot gehörte schließlich ihm. Das Meer war wie Blei, auf dem das einzige Auge der Krake schwamm.“

So spricht 1968 der gesellige Bösewicht in Klaus Lemkes zweitem Film NEGRESCO**** (Drehbuch: Max Zihlmann). Serge Marquand, dessen stolzes Lächeln ungewöhnlich lange Zähne zeigt, hat die Synchronstimme Robert Redfords (Rolf Schult) und lässt sich ganz unbekümmert vorwerfen, die Geschichte habe er nun schon mehr als einmal erzählt. Gut gelaunt fährt er fort:

„Es war der graue Kardinal, der gehasste Einzelgänger unter den Mörderrochen, wie ihn mir meine Freunde oft beschrieben hatten. Er segelte über mein Boot. Ich konnte das Glitzern seiner rasiermesserscharfen Schwertflossen wahrnehmen. Die Krake war wie gelähmt. Und so zerschnitt der graue Kardinal ihr das Auge. Die Südsee verwandelte sich in einen Vulkan. Wie Lava-Stöße stieß die verwundete Krake ihre Fangarme in den azurblauen Himmel der Südsee, doch unfähig, da blind, den Kardinal zu treffen.
Plötzlich sah ich Orson. Die Neunschwänzige hatte ihn erwischt. Er wirbelte hoch, glitschte über das Deck des Bootes, kam vor mir zu liegen – und lachte!“

Dazu nun August Strindberg, 1903: „Gewiss hatte ich bei unserem ersten Zusammentreffen festgestellt, dass die Freunde die alten geblieben waren, und mich darüber gewundert; gleichzeitig jedoch hatte ich beobachtet, dass man nicht mehr so schnell lächelte wie früher und dass man in seinen Reden eine gewisse Vorsicht walten ließ.
Man hatte die Kraft und den Wert gesprochenen Wortes entdeckt. Zwar hatte das Leben unser Urteil nicht gemildert, doch die Klugheit hatte gelehrt, dass die Worte auf den Sprecher zurückschnellen; und gleichzeitig hatte man eingesehen, dass die Menschen nicht mit ganzen Tönen zu schildern seien, sondern dass man Halbtöne anwenden muss, wenn man seine Meinung über einen Menschen genau ausdrücken wollte.
Nun aber lässt man die Hemmungen fallen, man legt die Worte nicht mehr auf die Goldwaage, respektiert nicht mehr andere Ansichten; man verfällt wieder in den alten Trott, die Unterhaltung geht mit uns durch; aber es wird lustig.“

Dazu noch diese Fotos, „probably NSFW“

Sonntag, 04.05.2008

Super

Zum Beweis, dass es sich bei IRON MAN um einen jener „unsäglichen und Europäern sowieso unverständlichen“ Superheldenfilme handelt, lieferte der Rezensent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (am letzten Wochenende) eine komplett falsche Inhaltsangabe und fand die Taliban im Film verzerrt dargestellt: „Menschen, die in Wirklichkeit nur für ihren Glauben kämpfen“.
Robert Downey jr. als der Eiserne (und die von Jon Favreau inszenierte Komik der Unbescheidenheit) hat mir Lust gemacht auf mehr Superhelden. Passend zeigt Gregor Overzier im Filmclub 813 in Köln unter der Überschrift „Supereroi dimenticati – Die Rückkehr der guten Laune“ am 17. Mai Die drei Supermänner räumen auf – FANTASTICI TRE SUPERMEN von Frank Cramer (= Gianfranco Parolini), am 24. Mai Argoman, der phantastische Superman – COME RUBARE LA CORONA D’INGHILTERRA von Terence Hathaway (= Sergio Grieco) und am 31. Mai Draculas Tochter und Professor Satanas – LA MUJER MURCIÉLAGO von René Cardona. Alle Filme (35mm Kopien) aus den Jahren 1966/1967 und in Farbe.
Gestern lief bereits Das rote Phantom schlägt zu – SUPERARGO CONTRO DIABOLIKUS von Nick Nostro. Minutenlang wurde da durch Grotten getaucht; Bergwerke, Fabriken und Raketenschächte waren auf wenigen Quadratmetern untergebracht; das Auto, das später mal Netzer, Beckenbauer und Overath gehörte, wurde auf nachtblauen Landstraßen geduldig eingefahren; die rothaarige Assistentin von Diabolikus wusste mit einer Reitpeitsche umzugehen und trug in jeder Szene ein neues Kostüm.
Auf die Frage, wie es denn möglich sei bei einer so teuren Produktion wie IRON MAN, so viel zu improvisieren und Dialoge „für den nächsten Tag“ zu schreiben, sagt Jon Favreau: „Well, these movies don’t really have scripts which are locked in a traditional sense. I mean it’s sort of the dirty secret about these superhero films…“

Freitag, 11.04.2008

The Naked Jungle

„Jetzt will er wieder schlafen, von neun Uhr an, und leben wie ein Murmeltier; wer hätte das gedacht vor vier Jahren!“
Sie hatten nicht unrecht, die Freunde, dass sie mich im Unmut verließen. Gab es ja doch heute abend eines der glänzendsten musikalischen, tanzenden und deklamierenden Butterbrote in der Stadt, und hatten sie sich nicht alle mögliche Mühe gegeben, mir, dem Landfremden, einen angenehmen Abend dort zu verschaffen?
(Wilhelm Hauff, 1826)

Mit einem singenden Butterbrot der dritten Art beschenkt Mario Mentrup heute abend die Stadt Düsseldorf. Ein Double–Feature in der Black Box, mit zwei gefährlich meditativen Abenteuerfilmen: „Stadt des Lichts“ (2005, 58 Min.) + „Ich begehre“ (2007, 76 Min.)
Obendrauf noch, im Salon des amateurs: Pasadena Projekt & Gina D’Orio.

Einen einzigen anständigen Nachruf las ich am Anfang der Woche.
„I always liked Charlton Heston… but I never thought for a minute he’d like me.“
Und: „Hey, I may not be deep, but I know what I like.“

Mittwoch, 26.03.2008

Marseilles

In die winterliche Zeit nach Ostern passt MERLUSSE von Marcel Pagnol. Ein Internat in den Weihnachtsferien, „gefilmt, wie eine Wüste leise“ (automatische Google-Übersetzung der französischen Arte-Webseite). „Ein Film selten, dunkel und effizient; unverzichtbar in der Durchführung von Pagnol.“ — „he only casually dramatises the situation, making this perhaps the first do-it-yourself weepie.“ (Time Out Film Guide)

Freitag 15:00 arte
Merlusse – mit Henri Poupon – 1935

Donnerstag, 06.03.2008

Westernhinweis

Schon Monate vor den Dreharbeiten ließ er die Kulissen der Westernsiedlung bauen.
„In my backyard, Oregon / I wanted the weather, the rain and the snow to age the buildings, not painters’ spray and cotton wool for snow on the roofs / Had I shot in color, the green pine trees covered with snow, the soft glow of candles, the dancing tongues of flames in the fireplaces would have radiated warmth and safety and the joy of peace on earth / I wanted to shoot DAY OF THE OUTLAW with the harsh contrast of black and white / using minimal artificial lights / I didn’t want the virgin snow to be defiled by the tracks of the poor electricians dragging cables and lamps on overtime.”

Anthony Slide: „What specific problems were there in shooting at the height of winter?“

Andre de Toth: „None, if you put the drama where it belongs: in front of the camera.“

In der Nacht von Freitag auf Samstag, RBB um 0:45 Uhr
Tag der Gesetzlosen – mit Robert Ryan und Burl Ives – 1959

Donnerstag, 24.01.2008

nach Westen

Auszug aus einem Brief Roger Meltons an Rupert Sent Leger vom 11. Juni 1906:

Mein Lieber Neffe, als du ausgerissen warst, um zur See zu gehen, machte ich mir heimlich meine vielfältigen Handelsverbindungen zunutze, um herauszubekommen, was aus dir geworden sei. Du warst von so abenteuerlicher Natur, dass sogar mein ausgedehntes und weitreichendes System, mit dessen Hilfe ich Informationen sammelte – mein privater Geheimdienst sozusagen -, dir nicht gewachsen war. Mein System reichte eben nur für den Osten aus – im großen und ganzen. Aber du gingst nach Norden und Süden und auch nach Westen, und da betratest du Bereiche, in denen Handel und Angelegenheiten realer Natur keinen Platz haben – Welten der Gedanken, Welten von spiritueller Bedeutung, der psychischen Phänomene – allgemein ausgedrückt die Welt der Geheimnisse. Da ich bei meinen Erkundigungen oft ins Leere stieß, musste ich mein System erweitern und rief zu diesem Zweck – nicht unter eigenem Namen, versteht sich – eine Reihe neuer Magazine ins Leben, die sich mit gewissen Sparten der Forschung und des Abenteuers befassten. Mit Hilfe des „Journals für Abenteuer“, des „Magazins der Geheimnisse“, des „Okkultismus“, „Ballon und Aeroplane“, der Zeitschrift “Unterseeboot“, „Dschungel und Pampas“, „Geister-Welt“, „Der Forscher“, „Wald und Insel“, „Ozean und Flüsse“ war ich sehr oft darüber gut informiert, wo du dich zu welchem Zweck aufhieltest…

(Bram Stoker: Das Geheimnis des schwimmenden Sarges, 1909,
übersetzt von Dr. Ingrid Rothmann, Bastei-Lübbe-Taschenbuch, Bergisch Gladbach, 1982)

Samstag, 29.12.2007

Eastern Promises

In seiner Filmadaption eines Romanfragments aus dem Nachlass von Bryan Edgar Wallace beweist David Cronenberg im Umgang mit der Thematik des Mädchenhandels an der Themse so viel guten Geschmack (keine Harpunen! keine Froschmasken! keine tödlichen Peitschen!), dass die Filmkritik leider einige naheliegenden Vergleiche nicht zog. Ob etwa Naomi Watts eine noch naivere Heldin ist als Karin Dor, in ähnlichen Rollen, vor 40 Jahren? Eine andere interessante Frage: Viggo Mortensen oder Blacky Fuchsberger? Wer verleiht dem charmanten Schurken und Scotland-Yard-Beamten in seiner albernen Doppelexistenz mehr Glaubwürdigkeit? Und gar keine Frage: Der gefeierte Thomas-Mann-Imitator (Name vergessen) lässt als Mädchenhändler den genialen Dieter Borsche (1909 – 1982) bitter vermissen.

Mittwoch, 19.12.2007

3:10 TO YUMA

Erfolgreiche Unternehmung, dem Western das Erleben von Ort und Dauer, von Raum und Zeit gründlichst abzugewöhnen und im Ausgleich dafür den Helden mit guten Gründen für sein Handeln so üppig einzudecken, dass es plötzlich möglich scheint, deutsche TV-Reglements könnten das US-Kino als Exerzierplatz erobern. Wenn der Teufel das will.
Dann mitternachts auf 3sat: Die Letzten von Fort Gamble, der letzte Film von Sam Wood: AMBUSH (1949). Da hatten die Männer wieder Leiber, die Frauen noch Wünsche, die Indianer tolle Gesichter und Namen. Landschaften waren Schauplätze, ich war sehr froh.


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