EINE KLEINE FABEL
Neulich geschah es, dass sich zwei Freunde – ein Anwalt und ein Mathematiker – in einem entlegenen Teil von London vor einer Buchhandlung trafen. Der Stand vor dem Geschäft zeigte eine Reihe von Romanen, die zum halben Preis angeboten wurden.
Nachdem die beiden Herren die gewöhnlichen Höflichkeiten ausgetauscht hatten und die notwendigen Fragen bezüglich ihrer Frauen und Kinder gestellt hatten, fielen sie in eine augenblickliche Stille zurück. Als der Anwalt bei seinem Freund Anzeichen von geistiger Anstrengung bemerkte, fragte er ihn, an was er denke. Der Mathematiker antwortete: ,,Ich blickte gerade zurück auf die Folge von kleinen äußeren Umständen, die mich von dem Ausgangspunkt meiner Haustür bis zu diesem unerwarteten Treffen auf der Straße führten.“
Als er dies hörte, geschah es, dass auch der Anwalt seinerseits zurückblickte. Er entdeckte ebenfalls, dass ihn eine Folge von kleinen äußeren Umständen auf abwegigen Pfaden auf das Stückchen Gehsteig, auf dem er stand, befördert hatte. „Nun“, sagte er, „und was hältst Du davon?“
„Ich habe vierzig Jahre lang“, verkündete der Mathematiker, „ein ernsthaftes Leben geführt.“
„So wie ich“, sagte der Anwalt.
„Und eben habe ich entdeckt,“ fuhr der andere fort, „dass ein Mann inmitten der Realität in unserem geheimnisvollen Leben auch ein Mann inmitten der Phantasie ist.“
Der Anwalt dachte ein wenig über diese Antwort nach. „Und auf was läuft Deine Entdeckung hinaus?“, fragte er.
„Nur darauf: ich war in der Schule; ich war auf der Uni; ich bin sechzig Jahre alt und meine Bildung ist nicht abgeschlossen. Guten Morgen.“
Sie trennten sich. Sobald ihm der Anwalt seinen Rücken zugekehrt hatte, lenkte der Mathematiker seine Schritte zurück in die Buchhandlung und kaufte einen Roman.
Der Anwalt sah sich in diesem Moment um. Etwas hatte einen starken Eindruck auf ihn gemacht. Er ging zurück zu seinem Freund. „Wenn Du mit dem Buch fertig bist“, sagte er „leihe es mir.“
„Eine kleine Fabel“ ist eins von Wilkie Collins‚ unveröffentlichen Schriftfragmenten. Wahrscheinlich stammt der Text aus den frühen 1880ern. Der Text wurde zuerst von der „Wilkie Collins Society“ im Juli 1996 veröffentlicht
Nun ja, es ist Dezember
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