Einträge von simon rothöhler

Sonntag, 05.11.2006

Notre musique

„[…] die ungebrochene Kraft des Kinos, Zeugnis von der Welt zu geben. Nicht im Sinne des Festschreibens von Bestehendem, sondern als ein momenthaftes Festhalten von Umständen, die das Potential zur Veränderung in sich tragen.“ (Eine Filmgeschichte der Gegenwart).

Mittwoch, 27.09.2006

* Michael Witt, Documentation: Voyage(s) en utopie

Mittwoch, 20.09.2006


Charlie White, The Inland Empire, 1999

Freitag, 11.08.2006

Grass Valley Viper

Miami Vice (Michael Mann) USA 2006

Der Film vibriert unterhalb des Gefrierpunktes. Darin ist er groß, makellos ohnehin. Die Handlungsträger sind keine (warum auch) und erfahren eine Verdinglichung der besonderen Art: wie Objekte geführt, nach rein bewegungsdynamischen Parametern in die glamourös-zwielichtigen set pieces eingepasst. Es sind die schönsten ihrer Art. Kapitalintensive Star- und Bildpolitik: teure Dinge hantieren mit teuren Dingen. Surplus entsteht durch ästhetische Koppelung spekulativer und spektakulärer Bewegungen: Gong Li (motorische Exotik) + go-fast boat (exotische Motorik). Kinetische Schauspielerführung und postklassisch-dislozierte Kontinuitätsmontage als Modulation hybrider Bewegungs- und Farbanschlüsse. In Perfektion: Timing, Drive, Dynamik; wie sich die alternierend einmontierten 35mm-Bilder an der hyperrealistischen HD-Flächigkeit aufrauen. Und doch: eine audiovisuelle Fabrik, die in den Neon-Noir-Clubszenen zu sich kommt und im Vexier-Screen-Casino ihre gleichmütige Metapher findet. Das unheimliche kulturindustrielle Regime des Blockbusters wird bei Mann radikal veräußerlicht und zum ästhetischen Prinzip verdichtet. Konsum der Welt in Bildern war gestern; der Blockbuster umgibt sich nicht mehr mit einer Welt – der Film wird zu Ende sein, wenn kein Geld mehr da ist… Kolumbien, Paraguay, Tahiti, Kuba, you name it. Es soll ja Filme geben, die nur drei Farbfilter brauchen, um den internationalen Drogenverkehr zu sortieren. Die Emotion ist bei Mann besonders; sie ist immer gestiftet durch eine Identifikation mit den Aggregatszuständen des Bildes (die tropisch-fluoreszierenden Nachtansichten von Biscayne Bay und Downtown Miami), in die sich sein Wert verkleidet. Jeder Blick ist sein Geld wert. Mindestens das unterscheidet Michael Mann von Raoul Walsh – he had money to burn and the flames are beautiful to behold.

*

Fabelhafte Sachen macht Dion Beebe mit der am gefährlichsten klingenden HD-Kamera der Gegenwart: der Grass Valley Viper von Thomson. Der in Cape Town aufgewachsene Australier gilt seit den dunkel-pulsierenden Bewegungsblöcken von In the Cut als Hollywoods experimentellster Kameramann. 2004 holte ihn Mann zum Set von Collateral, um Paul A. Cameron zu ersetzen. In der immer großartigen Fachzeitschrift American Cinematographer sind die Experten zwar stellenweise sehr unter sich („The filmmakers discovered that any levels below 20 IRE at +3dB or 30 IRE at +6dB on the actors‘ faces rendered an unacceptable amount of noise on the projected film image. Respectively, 20 and 30 IRE are roughly equivalent to 21/3 stops and 11/2 stops below medium gray (about 55 IRE) on a video signal.“); der Artikel über den Collateral-Dreh veranschaulicht aber zumindest ansatzweise die handwerkliche Komplexität der digitalen Praxis und gibt außerdem Einblicke in den kühlen Professionalismus von Michael Mann.

Freitag, 04.08.2006

Parallax Gap

The Unbearable Heaviness of Being Divine Shit
Burned by the Sun.
Pick Up Your Cave!
Copernicus, Darwin, Freud and Many Others.
Toward a New Science of Appearances.
Resistances to Disenchantment.
When the God Comes Around.
The Desublimated Object of Post-Ideology.
Danger?
What Danger?!

Ontic Errance, Ontological Truth.
Gelassenheit? No Thanks!
Toward the Theory of the
Stalinist Musical.

The Obscene Knot of Ideology, and How to Untie It
The Academic Rumspringa,
or,
the Parallax of Power and Resistance.
Human Rights versus the Rights of the Inhuman.
Violence Enframed.
The Ignorance of the Chicken.
Who’s Afraid of the Big Bad Fundamentalism?
Over the Rainbow
Coalition!…

(Kapitelüberschriften aus: Slavoj Zizek: The Parallax View. MIT Press 2006)

Wen das nicht abschreckt: Die Einleitung gibt es hier; eine vorbereitende Publikation ist bereits 2004 in der New Left Review erschienen; von Pakula ist nirgends die Rede.

Dienstag, 20.06.2006

The Passenger (1975/2006)

Tschad, frühe 1970er Jahre. Die politische Konstellation ist diffus; der Film vermittelt sie nicht, er abstrahiert. Man kann nachlesen, dass das Land 1960 seine formale Unabhängigkeit erlangt und kurz darauf in vorhersehbare postkoloniale Instabilität abgleitet. Ein Bürgerkrieg zwischen dem islamisch-arabisch geprägten Norden und dem christlich-schwarzafrikanisch geprägten Süden, aus dem der erste Präsident Francois Tombalbaye stammt, ruft neokoloniale Akteure auf den Plan und reaktiviert alte Strukturen des Austauschs. Der Reporter und der Waffenhändler bearbeiten mit unterschiedlichen Mitteln die gleiche weltpolitische Asymmetrie, was den Identitätstransfer, den der Film als Prozess der Desubjektivierung dramatisiert, auch auf einer anderen, symbolischen Ebene geradezu notwendig erscheinen lässt. Plansequenzen, die Räume und Zeiten ineinander schieben, als wäre jedes davor/danach nur eine Frage der Perspektive bzw. der Reproduktionsmittel (hier: ein Tonbandgerät). Die notorische Leere der Räume Antonionis wird plötzlich lesbar als Koordinatensystem einer politischen Geographie, die das Sahara-Hotel mit London, München und Barcelona verbindet. Darin zirkulieren Bilder wie Waffen. Robertson (Chuck Mulvehill), der einfach so wegstirbt, spricht noch von dieser Sehnsucht nach nicht-tautologischen Erfahrungen. Nicht zu haben in diesem vermachteten Raum, der nun wirklich keine Bühne mehr ist für jene alteuropäische Innerlichkeit, die sich in Industriellen-Villen zu Tode langweilt. Soll sie doch. „The Passenger“ ist filmgeschichtlich gesehen ein besonders produktiver Fall des Re-entry. New Hollywood gegengelesen durch das darin eigentlich schon prozessierte europäische Autorenkino, zusätzlich verfremdet durch Peter Wollens Script-Mitarbeit. Der Film war lange nicht verfügbar. Seit einigen Wochen gibt es ihn auf DVD; bis Ende Juni läuft eine makellose Kopie im NFT.

Donnerstag, 01.06.2006

Way Beyond!

URC (Universal Remote Control)

Dienstag, 16.05.2006

Ja gut, wird sich zeigen

Noch 24 Tage; die ARD ist schon in Hochform. Frühform sozusagen. Gerade hat die deutsche Nationalmannschaft den Verbandsligisten FSV Luckenwalde besiegt. Siebenzunull, lese ich im Videotext. Man spielte sinnigerweise nur zweimal dreißig Minuten. Dann abschließende Feierlichkeiten, die ahnen lassen, was auf uns, die wir dann doch wieder sämtliche WM-Spiele, Vor- und Nachberichte gewissenhaft verfolgen werden, zukommt. Überschrift der Sendung: Die Deutschen werden ins Trainingslager nach Sardinien verabschiedet; „fern der Heimat“, wie Monika Lierhaus nur halb ironisch anmerkt. Dann treten die bedauernswerten Sugababes auf und leiern offen konsterniert ihr Mädchen-Playback in das seltsam leer wirkende Provinzstadion. Die ARD hat außerdem einige hundert Schornsteinfeger auf dem Rasen versammelt. Glücksbringer. Günther Oettinger hat offenbar nichts Besseres zu tun und überreicht schwäbelnd Glückspfennige. Zwischendurch Gerüchteküche aus dem örtlichen Krankenhaus. Der zarte Phillip Lahm ist während des Spiels ungünstig auf den Ellbogen gefallen. Der greise Ottmar Walter sagt: „Zum Spiel der deutschen Mannschaft ist nicht allzuviel zu sagen“. Michael Antwerpes insistiert. Die im Spalier sich aufgestellt habenden Schornsteinfeger schwenken irgendwie demotiviert Deutschland-Fahnen. Dann wieder Walter, abgeklärt Antwerpes belehrend: „Was heißt schon Schlüsselspieler?“ Dann läuft die Nationalmannschaft noch mal ins Stadion ein und klatscht die Schornsteinfeger ab. Vom Band läuft Unfrisches von Robbie Williams. Torsten Frings schaut besonders grimmig; als hätte man ihm untersagt, seinen Hummer vor dem Stadion zu parken. In einem Artikel wurde das Auto des wortkargen Frings einmal „Panzerschrank auf Rädern“ genannt. Die Regie versucht durch eine halbherzig den Rhythmus des Songs aufgreifende Montage Aufbruchstimmung zu evozieren. André Heller ante portas. Dann Klinsmann, der viel zu nah vor dem reflektierenden Schlagzeug der schon lange wieder abgereisten Sugababes kadriert wird: „Ja gut, der Phillip ist auf seinen Ellbogen gefallen, bei dem Sturz, den er sich selber zugezogen hat.“ Michael Antwerpes faselt von frisch geduschten Männerkörpern und versucht Schweinsteiger in einen optimistischen Dialog zu verstricken. Der will aber erkennbar nur wieder zurück an seine Playstation und jedenfalls nicht mit Antwerpes über Männerkörper sprechen. Ballack sagt, bei Chelsea sei es „ganz nett“ gewesen. Wie wird die WM? „Ja gut, wird sich zeigen“. Was das mit Godard zu tun hat? Ja gut, rein gar nichts.

Freitag, 14.04.2006

Neulich im ruralen Mexiko: Bruder Ignacio – nome de guerre „Nacho libre“ – hält sich bereit für eine säkulare Zweitkarriere, die ihm nicht zuletzt die Zuneigung von Schwester Encarnación eintragen soll. Ab 17.8.2006 im Kino.

Samstag, 11.03.2006

Not the mother of Steve McQueen: Ida Lupino

Erste Rolle 1933; auf Wunsch des Regisseurs Allan Dwan Färben der Haare: platinblond. Auf den Plakaten steht: „Introducing the English Jean Harlow“. Im gleichen Jahr fünf weitere Filme in Großbritannien, darunter: „Money for Speed“ und „High Finance“. Im Anschluss daran Vertrag mit Paramount Pictures. Schwere Polio-Erkrankung 1934. Durchbruch erst Jahre später, als unsympathisches cockney girl in Wellmanns „The Light that Failed“ (1940). Erste Regiearbeit 1944: ein Werbespot im Auftrag der US-Regierung, der woman war workers adressiert: „Stay on the job, and finish the job, for victory“. Schauspiel-Arbeiten für Warner Brothers, darunter „They Drive by Night“ (1940) und „High Sierra“ (1941) von Raoul Walsh. Streit mit Bogart be- oder verhindert weiteren Aufstieg bei Warner Brothers. 1948 gemeinsam mit Ehemann Collier Young Gründung einer eigenen Produktionsfirma: Emerald Productions (später: The Filmmakers) stellt insgesamt acht Spielfilme her. Lupino inszeniert sechs davon. Den ersten 1949, als der Regisseur Elmer Clifton 72 Stunden nach Beginn der Dreharbeiten an einem Herzinfarkt stirbt. Der Film heißt „Not wanted“ und behandelt ein Tabuthema seiner Zeit: Freigabe zur Adoption aus sozialer Not. Verleih durch Eagle Lions Production (vormals: Producer’s Releasing Corporation), dem marginalsten Hollywood-Studio der klassischen Ära. Die Grundregeln des Regie-Handwerks hatte sich Lupino Mitte der 40er Jahre während einer 18-monatigen Suspension angeeignet, die über sie verhängt worden war, weil sie sich geweigert hatte, eine ihr dümmlich erscheinende Rolle anzunehmen, zu deren Verkörperung sie vertraglich verpflichtet gewesen wäre. Zusammenarbeit der Filmmakers mit Howard Hughes RKO ab „Outrage“ (Lupino, 1950). 1953: „The Hitch-Hiker“, gedreht on location im Baja Desert, Kalifornien. UPI entsendet einen Reporter. Ein PR-Interview mit dem Titel „Ida Lupino Retains her Femininity as Director“ wird publiziert. Lupino darin: „I retain every feminine trait. Men prefer it that way. They’re more co-operative if they see that fundamentally you are of the weaker sex even though you are in a position to give orders, which normally is the male prerogative, or so he likes to think, anyway. While I’ve encountered no resentment from the male of the species for intruding into their world, I give them no opportunity to think I’ve strayed where I don’t belong.“ RKO beendet die Zusammenarbeit, die der Filmmakers nationale Distribution garantiert hatte, während der Veröffentlichung von „The Bigamist“ (Lupino, 1953), was die unabhängige Produktionsfirma nicht überlebt. Lupino wechselt das Medium und inszeniert für das Fernsehen. Diverse Episoden für David Nivens „Four Star Playhouse“, für „Alfred Hitchcock presents“, „Bewitched“, „Gilligan’s Island“, „The Untouchables“ und „Thriller“. Nach dem Aus der Filmmakers wieder häufiger Arbeiten als Schauspielerin: für Lang („While the City Sleeps“, 1956) und Rapper („Strange Intruder“, 1956). Ein später Regie-Nachzügler 1966: „The Trouble of Angels“. 1971 mit Steve McQueen in Peckinpahs „Junior Bonner“. Dazu in einem Interview aus dem Jahr 1991: „I played Steve McQueen’s mother, but I was only twelve years older than him, and he complained to Sam. He said: „What’s going on here? How can I look at Ida and think of her as my mother?“ I said: „That’s good, because when I look at you, I’m not thinking of you as a son.““


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