Freitag, 04.07.2014

Heute

Mädchen, Mädchen (1967 Roger Fritz) 21:00 Zeughauskino Berlin
Nakinureta haru no onna yo (1933 Hiroshi Shimizu) 21:45 Sala Scorsese Bologna
Solo (1970 Jean-Pierre Mocky) 21:45 Cinémathèque française Paris
Rocker (1971 Klaus Lemke) 22:30 Münchner Freiheit

Mittwoch, 02.07.2014

Filme der Fünfziger XIII: Die Dritte von rechts

Der Revuefilm wurde im „Dritten Reich“ als deutsche Variante und Ersatz des amerikanischen Musicals entwickelt. Mit dem bundesdeutschen Film der 1950er Jahre wird das Genre nicht verbunden; immerhin nennt Wikipedia für die Zeit nach 1945 noch 19 Filmtitel, reichlich unscharf allerdings auch Hans Deppes „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ (1953) oder „Bonjour Kathrin“ (1955). Es werden also deutlich weniger sein.

Geza von Cziffra, schon im Stummfilm aktiv, hatte 1943 mit der Eiskunstlaufrevue „Der weiße Traum“ eine der erfolgreichsten Produktionen des „Dritten Reiches“ realisiert; Anfang 1950 drehte er für die Real-Film in Hamburg den ersten Nachkriegsfilm mit Zarah Leander „Gabriela“ und machte darin das deutsche Publikum mit seiner Entdeckung, der Schauspielerin Vera Molnar, bekannt. Die Real-Film, 1947 von Walter Koppel mit Gyula Trebitsch gegründet, produzierte 1950 mit „Die Dritte von rechts“ bereits ihren siebzehnten Spielfilm. Nur die DEFA hatte mehr Filme gemacht.

Im Sommer 1950 wurde auf dem Real-Film Gelände ein großes neues Filmatelier errichtet, am 27. September fiel die erste Klappe für „Die Dritte von rechts“ und bereits am 1. Weihnachtstag war Premiere in Berlin. Cziffra war ein Routinier, ein schneller und verlässlicher Arbeiter. „Ich stehe auf dem Standpunkt, dass ein Film kein Kunstwerk sein kann. Ein Kunstwerk kann nur ein einzelner schaffen, bei der Herstellung eines Films wirken aber mindestens zehn Personen mit.“ Diese skurrile Formel äußert Cziffra in seiner zweiten Autobiografie „Ungelogen“ (1988), einer gekürzten und um einige Invektiven gegen den schon damals nicht mehr Jungen Deutschen Film angereicherten Fassung von „Kauf Dir einen bunten Luftballon“ (1975).

„Die Dritte von rechts“ war der erste deutsche Revuefilm nach dem Krieg. Vera Molnar ist innerhalb des Handlungsverlaufs zunächst nur eine kleine Tänzerin, die ein Star werden will, was dann auch wirklich eintritt. Dafür sorgt der schmierige Finanzier des Revuetheaters (Oskar Sima), der die Tänzerin in seine Wohnung lockt und vor Erfüllung seiner Wünsche angeschossen wird. Er fällt geradewegs aus der Senkrechten in die Waagerechte auf den gedeckten Abendtisch. Zu der Handlung gehören ein umtriebiger Kriminalkommissar (Willi Rose), ein spielsüchtiger Dirigent und Chef der Showtruppe (Peter van Eyck), seine enttäuschte Geliebte (Marianne Wischmann), ein Faktotum (Paul Kemp) und eine gute Kameradin (Grete Weiser), ein zwielichtiger Cabaret-Besitzer (Rudolf Platte) und ein blasser Tänzer (Robert Lindner), der Partner von Vera Molnar. Eva Pflug, die später durch die Fernsehserie „Raumpatrouille“ deutschlandweit bekannt wurde, ist ein Mitglied der Girltruppe.

Zwischen den Revueszenen und der Handlung gibt es keinerlei Verbindung; deshalb kündigt auch ein Nummerngirl auf Rollschuhen die Revuebilder aus Gesang, Ballett und Show-Orchester an. Alles gibt es doppelt und vielfach, die schiere Masse steht für das, was fehlt im Leben: Reichtum, Glanz und Sorglosigkeit, Lustreisen und die Erotik. Das ist das Zeitkolorit eines Films ohne Gegenwart oder Vergangenheit. Laya Raki tanzt mit Blütenkospen auf den Brüsten einen Schönheitstanz, Gerhard Wendland singt als Bill aus Mexiko (das Bild heißt „Mexikanische Vision“), Evelyn Künneke hat Auftritte als singende Pariser Puffmutter („Winke, winke, winke, winke, mit den Augen, mit den Händen, mit dem Mund“) und südländische Bardame („Wo sind die Männer noch so voll Glut und Leidenschaft, die soviel Freuden schafft…“). Noch ein Zigeunerlied und dann intoniert Bruce Low, mit viel Theaterschminke maskiert, die „Heimkehr des alten Negers auf dem Missouri, der enttäuscht die große Stadt verlässt und in seine paradiesisch schöne Tropenheimat zurückkehrt“. Alles, was Palmen hat und mit ihnen oder dem eigenen Körper wedeln kann, wiegt sich auf der Bühne am Ufer des Missouri. Nur ein nackter Busen, von Cziffra ins Bild gesetzt, musste aus dem Film entfernt werden.

Weil die Handlung etwas dürftig ist und die Revue so opulent, ist Vera Molnar, die gerade etwas tanzen und singen gelernt hatte, nicht sehr prominent ins Bild gesetzt. Sie war auch vom Pech verfolgt. Im Vorfeld des Films war bekannt geworden, dass sie wegen Schwarzhandels im Gefängnis gesessen hatte; im Frühjahr 1950 kam sie nach einem Verkehrsunfall mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Vorbei waren die Filmpläne mit Jean Cocteau und Helmut Käutner.

Bei den vielen Tanz- und Gesangsnummernwirkt die üppige Architektur von Herbert Kirchhoff fast schon selbstverständlich; Willy Winterstein, der Kameramann des Films, wurde kritisiert, weil er so statische Bilder geschaffen habe. Die Kritik verglich die Revue mit dem amerikanischen Musical – „The Barkleys of Broadway“ in Technicolor mit Fred Astaire lief zur gleichen Zeit in den Kinos – und senkte den Daumen. Aber der Revuefilm wollte gar kein Musical sein; in ihm jubilierte es vor und um die Kamera und alles sollte von vorn gesehen werden. Die spektakuläre Szenerie lehnt sich an die  Kino-Erlebnisse aus NS-Zeiten; alles war so schön wie früher, jetzt eben mit Paris. Mexiko, Amerika, dem „Negersänger Bruce Low und den Sunshines“, nur ohne nackte Busen. Die mussten auf Drängen der FSK herausgeschnitten werden.

Gleichzeitig mit dem Film erschienen auch die Lieder auf Schallplatte. Der katholische „film-dienst“ tat der Real-Film den Gefallen, „Die Dritte von rechts“ wegen „Pansexualisierung der Öffentlichkeit“ mit 3 = Abzuraten einzustufen. Hinter dem „Doppelten Lottchen“ und noch vor der „Sünderin“ rangierte die Revue 1951 auf Platz zwei der umsatzstärksten Filme.

Alle Zitate aus dem Pressematerial im Schriftgutarchiv der SDK. Kein Video, keine DVD.

Was nicht im filmportal steht:
Standfotograf: Michael Michaelis; Filmverleih: Allianz Film
Es singen: Evelyn Künneke, Iska Geri, Kurt Reimann, Bruce Low, Gerhard Wendland, Das Gellert Quintett, Vier Sunshines
Es spielen: Gerhard Gregor auf der Rundfunkorgel des NWDR Hamburg; Alfred Hause, der virtuose Geiger; Laszlo Nyaky, der ungarische Cymbal-Virtuose; das Horst-Wende-Trio und das verstärkte Unterhaltungsorchester des NWDR
Es tanzen: Vera Molnar, Robert Lindner, Maria Litto, Erwin Bredow, LayaRaki, Gabor Orban und Die Original Hiller-Girls unter der Leitung von Gertrude Söderling-Hiller.
Ausserdem: Hagenbecks Seelöwentruppe, Juan Coll’s Schimpansentruppe

Platten auf Ariston:
Vera Molnar und Gellert Quintett: Wenn ich will…
Evelyn Künneke und die drei Glorias: Winke, Winke/ Oh Juan.
Bruce Low: Leise rauscht es am Missouri.
Fritz Sengl: Du und das Glück/ Des Zigeuners Geige.

Auf Odeon:
Wenn ich will/ Leise rauscht es am Missouri

Auf Polydor (Grammophon):
Winke/Winke

In der Deutschen Kinemathek gibt es im Nachlass Kirchhoff/Becker (Signatur: 198904) 19 Architekturskizzen, ein Drehbuch, Graue Literatur, 932 s/w Fotos (incl. Negative), Presseausschnitte und Verträge.

Donnerstag, 26.06.2014

Plansequenzen sind eine Frage der Moral

In der inzwischen schon berühmten vierten Folge der HBO-Serie True Detective dringt Detective Rust Cohle (Matthew McConaughey), undercover getarnt mit White-Scum-Bikern, in ein housing complex ein, um Drogenproduzenten und -dealer auszurauben. Die Szene ist voll von Stereotypen: mehrere der schwarzen Drogendealer sind dick, alle haben moderne Schnellfeuerwaffen, hören Rap-Musik, Frauen und Kinder sind in den Räumen, in denen Drogengeld aufbewahrt wird und Drogen hergestellt werden, (das Kind, das alleine vor einem Fernseher sitzt (!), wird von Cohle in Sicherheit gebracht (!!)), die Frauen sind leicht bekleidet und in die Geschäfte involviert. Ist diese Darstellung rassistisch? (Das ist sicher nicht die erste Szene, wo man diese Frage, wie auch die nach dem Sexismus der Serie stellen könnte.) Relativierend könnte man anführen, dass in der selben Folge genau zuvor der Biker’s Club ebenso ausführlich wie stereotyp gezeigt wurde: skinny old men, Schmutz, nackte Stripperinnen, Brutalität, Wahnsinn. Ein Unterschied ist jedoch, dass die Biker sich nicht in einer Wohnsiedlung verschanzen, keine Kinder vor Ort sind und von den Frauen keine Gefahr ausgeht, weil eher ausgebeutet und Opfer. Es gibt aber noch einen Unterschied. Der Überfall des Drogenhauses ist in einer virtuosen Plansequenz gedreht, die gleich nach der Ausstrahlung die Zuschauer begeisterte, wie sich im Internet leicht ablesen lässt. Wer nun also die berühmte Plansequenz aus True Detective sucht, der sieht, wie Weiße in Polizeiuniform (die Tarnung der Biker) in ein Schwarzenghetto eindringen, das ziemlich verwahrlost ist, wo die Gewalt sofort eskaliert und Schießereien entstehen, weil dort so viele Waffen im Umlauf sind. Und wer die ganze Episode gesehen hat, wird sich speziell diese Szene auch mehrmals ansehen, wenn man sich für die Technik begeistert. Und so sieht man auch, wie Weiße (Darsteller McConaughey, der die ganze Szene über ruhig und kontrolliert auftritt, Regisseur Cary Fukunaga, Kameramann Adam Arkapaw und Komponist T Bone Burnett, der das ganze mit düsteren Klängen untermalt) furios den schwarzen Chaos-Dschungel bewältigen. An den Biker’s Club erinnert man sich erst mal nicht mehr, der war konventionell aufgelöst. Mit dem Internet und der Möglichkeit des instant replay wird die Plansequenz zu einem nicht zu unterschätzenden Mittel der Schwerpunktsetzung.

Sonntag, 22.06.2014

Sonntag

„Eine gewisse Neigung hatte er für das Kino und forderte Isolde schon am ersten Abend auf, ihn in eines zu begleiten. Isolde schlug ihm verschiedene vor : da war ein Kriminalfall, ein Wild-West-Drama, etwas Belehrendes über die Gefahren der Trunksucht, ein Sportstück und eine Liebestragödie. „Gehen wir in das nächste,“ sagte Strowisch; es ist mir gleich, was ich sehe.“ Isolde war erstaunt und fragte,warum er so gern gehe, wenn das Stück ihn doch nicht interessiere. „Es ist mir angenehm,“ sagte er, „wenn Bilder an mir vorübergleiten. Es gibt mir das Gefühl, auf Reisen zu sein.“ “
Diese Romanfigur ist aber zuvor durch eine weitaus exzentrischere Äußerung eingeführt worden. „Als er etwa sechs Jahre alt war, beunruhigte er uns Geschwister einmal durch die Erklärung, er könne nicht an Gott glauben. Wir drangen in ihn, das sei durchaus notwendig, und warum er es denn nicht tun wolle; da sagte er: wenn es einen richtigen Gott gäbe, so hätte er nicht nach sechs Tagen Arbeit schon auszuruhen brauchen, woraus dann der lausige Sonntag entstanden sei…Wir anderen pflegten uns wie die Narren auf den Sonntag zu freuen, er dagegen sagte, der Sonntag mache ihm übel und er möchte ihn ausspucken, weil man da nicht arbeiten dürfe.“

(Ricarda Huch, Der wiederkehrende Christus, eine groteske Erzählung, 1926)

Dienstag, 17.06.2014

Remember Chicago

* Kevin B. Lee: TRANSFORMERS: THE PREMAKE (complete version)

[jetzt auch auf vimeo, ohne Zugangssperren]

Samstag, 07.06.2014

Infrastruktur

The Hello Machine - 1974
The Hello Machine (1974 Carroll Ballard) *** Musik: Richard Rosmini, Kamera: Caleb Deschanel

Euphorie. Leicht zu erklären ist sie nie. In einer wohltemperierten Emulsion aus akustischen und elektronischen Klängen baden Bilderfolgen, die einen Abschiedsmoment zelebrieren: Das allerphantastischste Werkzeug, die menschliche Hand ist im Einsatz um Mechanik durch Elektronik zu ersetzen. Zum letzten Mal scheint das Sichtbare begreiflich, weil Finger es anfassen. Kommentarlos vollzieht sich – in den Farben eines Kindergeburtstags – diese Abschiedsfeier, die ein wunderschöner Irrtum ist. Denn der Hände Arbeit endet nicht. Nie kommen sie zur Ruhe. Arbeit zu erleichtern, Mühsaal abzuschaffen ist eine endlose Beschäftigung. Der Telefonmonopolist AT&T hat der „Informationsgesellschaft“ dieses frühe Denkmal gestiftet. Die Welt als fingerfertig geknüpfter Teppich, ein Gewebe gegenseitiger Grüße.

Operator 1969
Operator (1969 Nell Cox) ***
Musik: The New York Rock & Roll Ensemble, Kamera: Richard Leacock

Saul Bass entwarf 1969 für AT&T / Bell System ein neues Logo und eine Uniform. Abseits dieser Modernisierungskampagne wurde im selben Jahr ein Instruktionsfilm gedreht, über die Arbeit mit Switchboard und Telefonbuch. Zum Glück hat Operator nichts gemein mit jenen tristen Filmen, die aussterbende Berufe dokumentieren wollen. Wer weiß denn schon so genau, welche Berufe wirklich aussterben. Menschen, die am Telefon ihr Geld verdienen, gibt es heute viel mehr als 1969. Es ist gleichermaßen ein Dilemma und ein Glück, wenn aus unbezahlbaren, menschlichen Qualitäten die Instrumente der Berufsausübung werden. An beides, das Dilemma und das Glück, kommt Operator ganz wunderbar nah heran.

Liza's Pioneer Diary (1976 Nell Cox)
Liza’s Pioneer Diary (1976 Nell Cox)***

Nell Cox hat fürs Fernsehen einen Siedler-Western gedreht, in dem Frauen im Mittelpunkt stehen. Das ist der Film, den ich nicht kannte, aber irgendwie erträumte, als alle so begeistert waren von Meek’s Cutoff (2010 Kelly Reichardt). Weibliches Vertrauen in männliche Führer ist hier nicht das Sujet, sondern ausgetauschte Erfahrung; es wird viel geredet, und es wird gemeinsam gesungen. So wichtig wie die Mitgift in John Fords The Quiet Man, so wichtig ist in Liza’s Pioneer Diary ein Klavier. Es geht nicht um Schonung. Das muss vom Mann verstanden werden.

In dem kurzen Kinder-und-Hunde-Kriminalfilm Something Queer at the Library widmete sich Nell Cox 1978 einer interessanten Frage, die zehn Jahre später auch mich zu einem Super-8-Film inspirierte. Die Frage: Wer schneidet Bilder aus den Büchern einer Leihbibliothek?

Storm Center - 1956 - Daniel Taradash

Storm Center (1956 Daniel Taradash) erzählt von politischer Radikalisierung. Schon der von Saul Bass gewohnt grandios gestaltete Vorspann verheißt Ungewöhnliches. Die Bibliothekarin der Public Library soll ein bestimmtes Buch aus dem Bestand entfernen. Den jovialen Stadtväternn ist die stolze Verfechterin demokratischer Grundsätze zwar argumentatorisch überlegen, doch das verhindert nicht ihre Entlassung. Der daraus folgende innere Rückzug mündet in Vereinsamung.

Die Bibliothekarin wird gespielt von Bette Davis. Im „Modern Screen Magazine“ sagte sie: “Librarians almost always have been pictured as dowdy. Movies, novels, and short stories haven’t done right by librarians, and it is time somebody did something about it.” Bette Davis tut das auf ihre eigene höchstgefährliche Art, ganz so wie später unter Robert Aldrichs Regie ist sie nicht um sympathische Wirkung bemüht, sondern erzeugt in unerklärlichen Mischungen und Mengen: Furcht und Mitleid.

Storm Center - 1956 . Daniel Taradash

Das ist aber nur der halbe Film. Storm Center erzählt auch noch von der Radikalisierung eines neunjährigen Bücherwurms. Kritiker schrieben von einander ab, es gäbe für den Wahn des von Kevin Coughlin dargestellten Kindes keine zwingende Erklärung. Dabei gibt es unübersehbar gleich drei: Das Unterlegenheitsgefühl eines ungebildeten Vaters, die Überlegenheitsgefühle unterlegener Frauen, und der gelogene gesellschaftliche Konsens, der Kämpfe überflüssig nennt. Vater, Mutter, Staat. Das Monster mit den drei feuerspeienden Köpfen, das den Kleinen bei der Lektüre von Hawthornes „Wonder Book“ in Furcht versetzt, kann dafür als Gleichnis gelten. ***

public-library-post-card.

Drehbuchautor Daniel Taradash – hochgeschätzt für seine Adaptionen (From Here to Eternitity und Picnic), „a man I admire very much“ (Fritz Lang) – hat nur einen einzigen Film inszeniert. Schön, dass es IMDB-Kommentatoren gibt, die im Unterschied zu herablassenden Kritikern diesem unbekannten amerikanischen Klassiker zeitlose Aktualität bescheinigen. In Deutschland kam Storm Center nie ins Kino. 1975 strahlte der NDR ihn aus. Damals beschäftigte der Radikalenerlass das Bundesverfassungsgericht. Im Selbstvorwurf, nicht genug gekämpft zu haben, und im Schwur, „nur über meine Leiche wird noch mal ein Buch aus meiner Bücherei entfernt“, gibt Bette Davis in Taradashs Film der Demokratie ein Gesicht, das Feuer kennt.

The Wicker Man (1973)
The Wicker Man (1973 Robin Hardy) via

Öffentliche Bibliotheken gelten als „freiwillige“ Leistung. Über viele verschuldete Gemeinden sind sogenannte „Schutzschirme“ gespannt. Daher die „endgültige Maßnahme: Schließung„. Nicht erzwungen, sondern zwanghaft ist der Verzicht. Der Verzicht auf Vermögensteuer. Zudem werden Kapitaleinkünfte geringer besteuert als Arbeitseinkommen. Und so weiter.

Ich erinnere mich, es war 2007. Eine Urlaubsresidenz im Bauhaus-Stil, mit Blick auf beide Buchten von San Sebastian, trug in Schmiedeeisen den deutschen Namen „Verzicht“. Da mussten wir lachen.

Mittwoch, 04.06.2014

Devianz

Jack goes boating (USA 2010) von und mit Philip Seymour Hoffman meint: es schneit, es ist Winter, aber Jack wird mit Connie im Sommer Boot fahren. Die Zeit bis dahin ist der Sicherheitsabstand, den der lebensuntüchtige und schüchterne Jack braucht, um sich mit dem Gedanken vertraut zu machen. (Diese Figur sei „a regular dysfunctional guy rather than a freaky dysfunctional guy“, sagt Simon Hattenstone in ‚The Guardian’, 28.11. 2011). Wie Philip Seymour Hoffman diese Rolle modelliert, ist wunderbar: bestes amerikanisches Kino in der Tradition der Grossstadt-Aussenseiter – der psychisch Angeschlagenen und Zurückgebliebenen. Die Dialoge sind so, dass man eigentlich immer fürchtet, Jack werde etwas ‚Falsches’ sagen – aber er nimmt sich nur ein bisschen Zeit, um zu antworten. (Er selbst fürchtet halt, dass seine Antworten nicht ‚adäquat’ sein könnten.) Hauptsache er sagt etwas: und das ist dann fast regelmässig nur leicht ‚daneben’ und eigentlich schon in Ordnung, ja liebenswert. Es ist letztlich die Art und Weise, wie er sich ausdrückt und die Welt sieht. Gegenüber den ‚normalen’ Ränkespielen, Eifersüchteleien und Begierden wird diese Haltung sich sogar bewähren – fast schon eine antikapitalistische Lektion im new yorker Grossstadtdschungel.
(Der Film basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Robert Glaudini, 2007.)

(Zu sehen gewesen auf arte, am 2.6.2014, um 22 Uhr 15: sicher als späte Hommage an den am 2. Februar dieses Jahres verstorbenen Philip Seymour Hoffman.)

Samstag, 24.05.2014

Film Maudit

Der Abend des „Film Maudit“ von Helmut Färber – ohne Helmut Färber, der nicht nach Berlin kommen konnte, war für mich der bewegendste Filmabend dieses Jahres. Dabei sah ich nur den ersten Teil und passierte in der Pause die Raucher vor der Tür . Was sich einer unter ihnen vorstellte, als er von „Zölibat“ hier schrieb, habe ich nicht verstanden. Denn das Thema des Abends und des schönen Heftchens dazu, das Helmut Färber zusammenstellte, ist ja nicht die bewusste Entsagung, die Enthaltung, die gewählte Askese, sondern im Gegenteil die aufgezwungene Aufgabe, das Unterbrochenwerden, das Zerstörtwerden. Wie schon im einleitenden Zitat von Robert Bresson erkennbar:
„Ich bin sicher, daß um uns Leute sind von Talent und Genie, dessen bin ich sicher, aber die Zufälle des Lebens…Es muß so vieles zusammentreffen, damit es einem Menschen gelingt, etwas von seinem Genie zu haben. Ich habe den Eindruck, daß die Menschen viel intelligenter sind, viel begabter, aber daß das Leben sie platt macht. Schauen Sie die Kinder an, in der Bourgeoisie…Ich nehme die Bourgeoisie, weil das genau dort ist, wo man sie platt macht. Auf der Stelle. Man macht sie platt, denn es gibt nichts, was mehr Angst macht als Talent oder Genie. Man hat eine Heidenangst davor.“
(Bresson 1966, Übersetzung nach Steffen Schneider)

Mittwoch, 07.05.2014

Neben Rauchern vor der Tür

Gleich nach dem Sehen von CHRONIK DES REGENS kam mir der Gedanke eines Films von Novizen, einübend und schon gefangen in ein Zölibat, dessen Charakter sich noch keiner von ihnen bewusst ist.

Kinohinweis Berlin: Carte Blanche für Helmut Färber

Heute, Mittwoch den 7.5., stellt Helmut Färber in zwei Programmen (um 19.00 und 21.15 Uhr) acht Filme vor, im Arsenal, in Berlin.
Im ersten Programm um 19.00 Uhr kann man »Chronik des Regens« wiedersehen, über dessen Produktion Michel Freerix vor ein paar Tagen hier etwas geschrieben hat. Teil des zweiten Programms ist Jean-Marie Straubs »Corneille – Brecht ou Rome l’unique objet de mon ressentiment« von 2009, zu dem Bert Rebhandl heute im Blog von Cargo eine Notiz veröffentlichte.

19:00 Kino 2
*Chronik des Regens Michael Freerix D 1991
35 mm 72 min
Sonate Frans van de Staak Niederlande 1975
16 mm niederl. und engl. OF 4 min
Rückkehr Volkmar Umlauft D 2001
DigiBeta 37 min

21:15 Kino 2
*Wilhelm, der Schäfer Josie Rücker D 2004
35 mm 26 min
Meine Heimat, mijn vaderland Frans van de Staak
Niederlande 1976
16 mm niederl. und deutsche OF 32 min
Sepio Frans van de Staak Niederlande 1996
16 mm engl. OF 34 min
Corneille – Brecht ou Rome l’unique objet de mon ressentiment
Jean-Marie Straub F 2009
Beta SP OmU 26 min
De nåede færgen Sie erreichten die Fähre
Carl Theodor Dreyer Dänemark 1948
35 mm OF 11 min


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