Freitag, 08.07.2011


[14. August 1976]

Dienstag, 05.07.2011

Amerikanische Kinos (5)

Die Eingangstür zum Eckgebäude 2nd Ave/2nd St. ist aus Metall und ziemlich wuchtig. Immer, wenn jemand das zugige Foyer der Anthology Film Archives betritt, fällt sie mit einem lauten Knall zu und der Steinboden unter den Füßen bebt leicht. Gut möglich, dass die Kartenverkäufer in anderen Kinos binnen kürzester Zeit verrückt davon würden.

Narzisstischer Defätismus: Oft, wenn ich zu einer Veranstaltung wirklich hin möchte, male ich mir erstens aus, alle anderen wollten das auch und denke zweitens, dass es längst ausverkauft ist. Aber um zwanzig nach 6 ist noch nicht viel los, es ist kein Problem, eine Karte zu bekommen. Vor mir in der Schlange steht Luis Recoder, der Installationskünstler, dessen Filme ich zwei Wochen zuvor in New Orleans im Zeitgeist-Artspace gesehen hatte. Es dauert einen Augenblick, bis ich ihn erkenne, er hat sich in der Zwischenzeit den Bart abgenommen. Wir unterhalten uns kurz und tun so, als wäre es das Natürlichste der Welt, sich hier und jetzt wieder zu treffen, dann geht er seine Freundin abholen.

Heute abend stellt Michael Snow Dia-Arbeiten aus der Zeit um 1970 herum vor, es ist der Auftakt zu einer Reihe mit dem Titel „Single Frame“, „a new series focusing on the increasingly outmoded world of slide-based projection.“ Um 19.15 Uhr sind die knapp 70 Plätze des Maya Deren-Theaters ausverkauft, auch auf den Treppenstufen hocken Leute. Neben mir sitzt jemand, der mich fragt, ob ich schon mal was von Michael Snow gesehen hätte, und ich antworte nicht mit nein. Er selbst kenne gar nichts und sei von Amy Taubin hierher geschickt worden, bei der er gerade einen Filmkurs belegt. Amy Taubin hat außerdem erzählt, dass sie in der ursprünglichen Fassung von Wavelength eine Rolle spiele.

Bevor Michael Snow das Wort erteilt wird, gibt einer von den Anthology Film Archives einen kurzen Ausblick auf das Programm ab April; Bette Gordons Filme werden gezeigt, und Serge Bozon präsentiert neben LA FRANCE zwei Filme von Allan Dwan und Jacques Tourneur. Nach den Ankündigungen stellt der symphatische Anthology-Mensch noch kurz die Frage, ob Leute im Publikum seien, die etwas mit der Feuerwehr zu tun hätten. Wenn ja, dann entschuldige er sich hiermit für den überfüllten Saal, wenn nein: bitte nicht weitersagen. Während der Vorstellung läuft er manchmal nach links vorne, um die laut pustende Lüftung zu regulieren oder zum Schweigen zu bringen.

Drei Arbeiten von Snow werden gezeigt. Zuerst SLIDELENGTH, 80 Dias, die vom Filmemacher hinten im Saal durchgeklickt werden und je 15 Sekunden zu sehen sind. Als drittes SIDE SEAT PAINTINGS SLIDES SOUND FILM. Unangefochtener Höhepunkt des Abends: A CASING SHELVED. 45 Minuten lang ist ein einziges Dia zu sehen, darauf ein unaufgeräumtes Regal in Snows Atelier. Das Regal hat zehn Fächer. In der Mitte ist es durch eine vertikale Verstrebung getrennt, so dass symmetrisch links und rechts je 5 Fächer zu sehen sind. In diesem Regal erkennt man gebrauchte Farbtöpfe, Kisten, Stapel mit Papieren, nicht genau zuzuordnende Kabel, solche Dinge. Während das Dia unbewegt auf der Leinwand zu sehen ist, wird ein Audiotape abgespielt. Snow beschreibt, was zu sehen ist. Er beginnt systematisch oben links, schweift dann ab, weil er von einer Farbdose oben links an eine Farbdose unten rechts erinnert wird und dann da weitermacht. Auf diese Weise startet er immer wieder neue Anläufe zur Inventarisierung. Oft sucht er nach dem genauen Wort für eine Sache, erinnert sich, wofür er einen Gegenstand benutzt hat oder dass er etwas anderes immer benutzen wollte für eine Arbeit, es sich aber nie ergeben hat (bis jetzt, denn jetzt ist diese Sache ja Bestandteil dieses Dia-Films). A CASING SHELVED ist sehr simpel, aber es macht ungeheuren Spaß, die verschiedenen Methoden der Beschreibung zu verfolgen. Einmal fängt Snow an zu zählen: „There are one, two, three, four, five…“ bis ungefähr dreißig, und man hat keine Ahnung, wovon er spricht, bis er schließlich anfügt: „things made of plastic in this shelf“. Danach zählt er die Holz- und Metalldinge, dann alle schwarzen, roten, grünen und so weiter. Es könnte ewig so weitergehen.

„Fucking masterpiece“ denke ich begeistert und frustriert, als der Film vorbei ist.

[Donnerstag, 24. März 2011, Anthology Film Archives, 32 Second Avenue, New York, NY 10003]


[27. Juni 1976]

Freitag, 01.07.2011


[Februar 1976]

Donnerstag, 30.06.2011

Werbung


Gisela Trowe in Straßenbekanntschaft (1947/48 Peter Pewas). Mehr dazu in der neuen Ausgabe von CARGO.

Dienstag, 28.06.2011


[Ostern 1974]

Freitag, 24.06.2011


[Ostern 1974]

Dienstag, 21.06.2011


[8. November 1973]

***

Vom 8.11.1973 bis 5.12.1980 schrieb Peter Nau regelmäßig Kurzkritiken für den Berliner »Tagesspiegel«. Wir freuen uns, diese Kritiken ab heute in chronologischer Folge, dienstags und freitags, unserem Leserkreis zugänglich machen zu können.

Dienstag, 14.06.2011

Telefon (12 und 13)

Zuerst entferne den Balken aus deinem Auge.
Und dann sieh zu, wie du den Splitter aus meinem Auge ziehst. (Klaus Kinski)

„I know you’ve seen big eye shots before in your life, but this is one of the better ones!“ monstermoviemusic

Wim Wenders mochte Das Gesicht im Dunkeln (1969 Riccardo Freda), „in dem Klaus Kinski die Hauptrolle spielt. Der Film ist ein Farbfilm, in dem die Farben einen ganz seltsamen dunklen Glanz haben…“

„Dazu kommt noch, dass der Film einige Male in ganz ungewohnte selbstvergessene Zustände gerät und vor sich hin zu träumen beginnt.“


Fremde Stadt (1972 Rudolf Thome)


Eddi Arent und die Farben Rot und Blau in…


Das Geheimnis der weißen Nonne (1966 Cyril Frankel)


Zimmer 13 (1964 Harald Reinl)


Fremde Stadt (1972 Rudolf Thome)

Der Zimmerkellner (Stefan Abendroth), der seinen Auftrag, ein Telefonat, mit ein paar improvisierten Lügen bravourös erledigt, wird gelobt, er hätte Schauspieler werden sollen.
„Ja, das wollte ich eigentlich auch. Aber meine Eltern haben gesagt, ich soll erst einen Beruf erlernen. Dabei ist es dann geblieben.“

Von den Edgar-Wallace-Filmen gibt es bekanntermaßen fließende Übergänge zum italienischen Giallo und zu den deutschen Fernsehkrimiserien. Zum neuen deutschen Film hin hat man sich immer einen Graben gedacht.
Vielleicht war es nur eine zugemauerte Tür.


Dieter Borsche, Karin Baal, Die Toten Augen von London (1961 Alfred Vohrer)

Dominik Graf sprach kürzlich sehr schön über „das wachsamere Organ: das Ohr“. Alfred Vohrer bearbeitete in den 50er Jahren unzählige amerikanische Filme als Synchronregisseur.

Eine aktuelle Liste der „25 wichtigsten deutschen Regisseure“ stellt Vohrer auf den 13. Platz. „Ich lande da immerhin auf Platz 12.“ (Thome, Tagebuch, 10.5.11)
Nah beisammen.


Suzanne Roquette, Gisela Uhlen, Eddi Arent; „ihm traut man alles zu“ (Olaf Möller); in Der Bucklige von Soho (1966 Alfred Vohrer)


Vorstellbar: Für das, was Diana Körner in Die Blaue Hand (1967 Alfred Vohrer) durchmacht, nahm sie zwei Jahre später Rache – in Rote Sonne.


Iris Berben, Marquard Bohm, Ulli Lommel in Detektive (1968 Rudolf Thome)

Dass Berbens hamburgische Sprechweise und Bohms eigensinnige Betonungen bei der Nachsynchronisation verloren gingen, ist bei jedem Sehen des Films erneut ein Trauerfall. Enno Patalas hatte kurz davor noch geschrieben, dass Thome ein Fanatiker des Originaltons sei „und (ungleich Lemke, aber gleich Straub) das Nachsynchronisieren verschmäht.“ Klaus Lemke jedenfalls filmte Iris Berben im Frühjahr 1969 mit Originalton, in Brandstifter, wo sie auf die Frage, was sie denn so mache, leise lispelt: „Ich mach‘ nicht mit.“
Im selben Jahr spielte sie in Der Mann mit dem Glasauge.


Der Gorilla von Soho (1968 Alfred Vohrer)

Der deutsche Krimi – zwischen Helmut Käutners Schwarzer Kies (1961) und Käutners Auftritt in Derrick: Auf eigene Faust (1976 Zbynek Brynych) – eigentlich war alles möglich.


Renate Grosser, Im Banne des Unheimlichen (1968 Alfred Vohrer)

Wie gerne würde ich Renate Grosser in Mädchen Mädchen (1967 Roger Fritz) mal wieder sehen.

Willy Haas schrieb, dass er die Bücher von Edgar Wallace „mit der Autosuggestion lese, es handle sich um Parodien. Dennoch, wenn ich einmal drin stecke, kann ich nicht mehr aufhören. Von wie tief muss eine Wirkung kommen, die sogar ungefährdet die Schwelle der unfreiwilligen Lächerlichkeit überschreitet?“

Auflegen. Gerade hat ein Unbekannter angerufen. Mit einer vertrauten Stimme. Louis de Funes? Oder Klaus Kinski? Auch der hatte manchmal die Synchronstimme von Gerd Martienzen.

Karin Baal und Claudia Butenuth in Das Geheimnis der grünen Stecknadel (1969 Massimo Dallamo). Ein ernster, beinahe trauriger Edgar-Wallace-Film. Die Karussellorgel spielt Musik von Ennio Morricone.

Außerdem wird in Das Geheimnis der grünen Stecknadel unter der Dusche geraucht.


Überblendung


Klaus Kinski, Brigitte Grothum, Edith Hancke – Telefonterror
Die seltsame Gräfin (1961 Josef von Báky und Jürgen Roland)


I Tre Volti Della Paura – Il Telefono (1963 Mario Bava)

In einem Irrenhaus, das untergebracht ist in einem Keller, lacht eine alte Frau hinter Gitterstäben, neben einer Wiege aus Maschendraht!


Marianne Hoppe und Lil Dagover, Die seltsame Gräfin (1961 Josef von Báky und Jürgen Roland) ***

„Manchmal mag man ja auch Platten hören, die nur eine Andeutung sind von der Musik, die man gern hat.“ (Wenders: Terror der Gesetzlosen, 1969)


Eva Renzi in Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe (1970 Dario Argento)
Mehr als nur eine Andeutung von dem Kino, das ich gern hab.

Ein Edgar-Wallace-Film, der endet wie Fremde Stadt. Ich denke darüber nach, ob das möglich wäre, da ertönt plötzlich aus Lautsprechern im Supermarkt: „Liebe Kunden, wir öffnen Kasse 1 für Sie!“ Die Fröhlichkeit der Durchsage wird von einem Mann im Rollstuhl, ungezügelt laut und grimmig kommentiert: „Aufregend!“

Mittwoch, 08.06.2011

Die Spur führt nach Berlin

In den Eva-Lichtspielen werden weiterhin montags deutsche Nachkriegsfilme gezeigt, die selten auf dem Programm stehen. Am letzten Montag war der Streifen „Die Spur führt nach Berlin“ zu sehen.(Regie: Frantisek Cap, 1952) Ein Politthriller, der vor allem durch den Schauplatz Berlin besticht. Unheimliche Verfolgungsjagden durch Trümmer, Ruinen und Bunker, die zeigen, was nach der Zerstörung noch von der Stadt übrig war, von vielen Gebäuden, die heute nicht mehr existieren oder nicht aufgebaut wurden, wie die Gedächtniskirche. Solche Entscheidungen wurden eben nicht nur in der DDR auch aus politischen Gründen getroffen.

Mein Lieblingssatz, gesagt von einem der Ganoven: „Nimm die Knochen hoch, Junge!“ – Variante von „Hände hoch!“

Die nächsten Filme: 13.6., „Begegnung mit Werther“(R: Karl-Heinz Stroux, 1948/49)

20.6.: „Die Buntkarierten“ (R: Kurt Maetzig, 1948/49)

Eva-Lichtspiele, Blissestraße 18, Wilmersdorf, montags 15.45


atasehir escort atasehir escort kadikoy escort kartal escort bostanci escort