2003

Montag, 05.05.2003

Geständnisse

Etwa in der Mitte des Films geht ein leises, aber deutlich vernehmbares Raunen durch das West-Berliner Kino: Eben war eine Episode in der CIA-Parallelhandlung als „West-Berlin, Neunzehnhundertsoundsoviel“ eingeführt worden. Sam Rockwell – „Dangerous Mind“ – ist als Gameshow-Erfinder Chuck Barris wieder unterwegs in geheimer Mission. Wenig später robbt er durch eine Art unterirdischen Schützengraben rüber in den Osten. Dort liegt Schnee, er trifft seinen Verbindungsmann Rutger Hauer, in den tristen Straßen steht eine ganze Reihe von Wartburgs und Trabants. Vorher allerdings, noch in West-Berlin, gibt es einen

// Schnitt //

in einen Bierkeller: Stimmengewirr, gute Laune, eine dralle Bierzensi stemmt mehrere massähnliche Krüge durch das („urige“, würde man wohl sagen) Steingewölbe. Genau hier raunt das Publikum, als fühle es sich schlecht behandelt, weil das abrufbare Berlin-Bild des Zuschauers natürlich keine Maßkrüge oder Bierzensis vorsieht. Die Irritation, die aus dieser Regelverletzung folgt – unabhängig davon, ob dies „gewollt“ oder ein produktionstechnischer Unfall ist wie die Digitaluhr in Ben Hur – ist interessant. Klar, man fragt sich gezwungenermaßen, wie das zusammengeht, Berlin und Bierkeller, Trabbi und Hefeweizen, aber vor allem wird in der vermeintlichen Verletzung die Konvention sichtbar, von der sich – I confess – auch ich nicht frei machen kann. Es zeigt sich, wie sehr man selbst in Establishing Shots denkt und in Postkartenmotiven, die Orten wie „Berlin“, „Paris“, „London“ schnell zugeordnet werden können; wie jedes Bild zugleich eine Reihenbildung enthält, als Festlegung des Erwartbaren wirkt, Ausschlußmechanismen generiert.

Am Einfachsten wäre es, den „Fehler“ auf das undifferenzierte Deutschlandbild der amerikanischen Filmemacher zu schieben (auch wenn ich Clooney / Kaufman für cleverer halte und die Szene dementsprechend für kalkuliert). Vielleicht weist er aber auch auf Undifferenzierte im Blick des Zuschauers hin, der Erwartetes miteinander verrechnen möchte und auf der Suche nach gemeinsamen Nennern ist. Was spricht eigentlich dagegen, – auch in den 70er Jahren – in Berlin in eine bayerische Kneipe zu gehen oder in ein indisches Restaurant oder zu McDonalds? Noch dazu in einem Film, der scheinbare Unvereinbarkeiten zum Thema hat und in seiner gesamten Struktur zwischen den Genres springt. Gameshow und Geheimdienst, Herzblatt und Kopfschuß, Bayern in Berlin.

Samstag, 03.05.2003

Langtext-Hinweis

Neu auf new filmkritik für lange texte –
Johannes Beringer, Einige frühe Filme von Yasujiro Ozu
[In diesem Zusammenhang der Hinweis auf die ebenso lesenwerten Texte, die Ekkehard Knörer zur Ozu-Retrospektive im Februar/März in Jump-Cut publizierte: Die Filme von Yasujiro Ozu 1, 2 und ]

Donnerstag, 01.05.2003

Film-Hinweis

Film- und Tonmontagen von Peter Roehr (1944-1968) präsentiert von Paul Maenz
Samstag, 3.Mai 2003
zwei Screenings: 18:30 und 19:30

Galerie chouakri brahms berlin, S-Bahnbogen 47, Holzmarktstrasse 15-18, 10179 Berlin

Dienstag, 29.04.2003

For the first two months of their relationship, Marcy and Cameron didn’t watch TV.

Montag, 28.04.2003

Langtext-Hinweis

Auf new filmkritik für lange texte @ antville: Innen, Politik. Ein Text von Volker Pantenburg zu The Core, USA 2003, Regie: Jon Amiel

Samstag, 26.04.2003

Film-Hinweise

Gestern, 19:30 Uhr, im kleinen Arsenal unterm Potsdamerplatz, Berlin: das Buch Kinowahrheit von Hartmut Bitomsky (Hrsg. v Ilka Schaarschmidt, Berlin: Verlag Vorwerk 8) wird vorgestellt. Zwei Einleitungen von Männern hinterm Stehpult, eine mit Sklovskijzitaten, eine mit welchen von Bitomsky, dann zwei Filme Bitomskys: INFRASTRUKTUR BERLIN-WEST, von 1987; DEUTSCHLANDBILDER, von 1983. Nach der Projektion, gegen halb zehn, steht man im Arsenal unterm Potsdamerplatz und die Geräusche der Belüftungsanlage klingen wie niederprasselnder Regenschauer. Man steht dann noch ein paar Minuten herum und redet, raucht eine Zigarette oder zwei, bis man merkt, dass man falschem Sounddesign aufgesessen ist. Draußen ist es warm und trocken. Ein paar Tage zuvor, nach dem Viertelfinalspiel zwischen ManU und Real, hatte Christian gefragt, wieso noch keiner was hier geschrieben habe über das Buch.

Im Arsenal wollte ich mir eigentlich nur den Infrastrukturfilm angucken, den kannte ich noch nicht. Einer meinte vorher, der Film sei in Deutschland erst zweimal gezeigt worden. Eine kleine Fernsehproduktion für einen französischen Sender, 10 Minuten lang. Eine Morgens-Abends-Klammer, eine Sammlung von 16mm-Aufnahmen, ein Querschnittsfilm ohne ruttmannsche Emporhebung: Sackgassen, Industriebaracken, Schrottplätze, Schiffe, Müllabfuhr, Kopfsteinpflaster. Immer immer wieder Autos, haltende, abfahrende, aufgebockte, durch Schnitte zwischen den Bildern hin- und herfahrende. Schilder, Geräusche, Details. Ein Westberlin in Abwicklung, 1987, lose Fadenenden, die in der Montage enganeinandergesetzt sind. Hartmut Bitomsky: „Auch dieser Film hatte eine Aufgabe: er sollte von Berlin handeln und ohne die deutsche Sprache auskommen. Wir suchten die Zonen auf, über die früher die Stadt versorgt wurde. Jetzt liegt dort Müll und Abfall. Der Müll ist bunt, die Farben schreien. Das Geschrei ersetzt die Sprache.“ DEUTSCHLANDBILDER, danach, meinte ich vom Videogucken und Textelesen gut zu kennen, auf der Leinwand aber im Arsenal erschien er ganz neu. Das geht aber immer so im Kino. Man steigt nie in den selben Fluss.

Obwohl jemand wie ich ihm viel zu verdanken hat: von oder zu Bitomsky schreiben möchte ich eigentlich nicht. „Über“ schon gar nicht. Mit Bitomsky geht es mir da wie mit den anderen, denen ich zu Dankschreiben verpflichtet sein sollte: Frieda Grafe, Manny Farber, Serge Daney, Jean-Luc Godard, Helmut Färber, Jonathan Rosenbaum zum Beispiel. Aber wieso, wenn man nicht über von zu an schreiben will, schreibt man dann Sachen, in ein Weblog zum Beispiel? Man müßte dies Nichtwollen überwinden, in dem man andere Formen von Reverenz und Referenz findet, aber selbst ein Zitat abzuschreiben wie eine Fron aus eigenem Willen und zu veröffentlichen scheint mir beschämend. Wegen des Verdachts, dem man beim Gelesenwerden sich aussetzt, vom Glanz des Zitierten beschienen werden zu wollen, um schöner größer heller zu erscheinen als man ist und emporgehoben auf eine Stufe mit dem Glanzerzeuger. Wenn ich das aufschreibe, kommt es mir vor wie ein theologisches Problem, das sich nur lösen läßt durch Monotheismus und Bildverbot. Ich fand es immer ganz großartig, wie Peter Nau, einer der in die polytheistische Aufzählung oben gehört, mit dem Problem der Reverenz umgegangen ist: ausschließlich Goethe zu zitieren, als seien dessen Texte Natur. Aber ich schweife ab, tue nur so, als wüßte ich nicht, wie sich’s machen ließe.

Weitere Filme von Hartmut Bitomsky in den nächsten Tagen im Kino Arsenal:
REICHSAUTOBAHN | DER VW-KOMPLEX | HIGHWAY 40 WEST
Termine | Programmtexte

Staatsfeind Nummer zwei

Zwischen zwei Kriegen: Vor ein paar Monaten, in der Zeit nach dem Afghanistan- und vor dem Irakkrieg, warb die Dresdner Bank im Fernsehen mit einem technisch hochgerüsteten und inhaltlich konfusen Werbespot für ihren „Fondsmanager“: „Aus der Tiefe des Raumes“ (Karl Heinz Bohrer über Günter Netzer), in diesem Fall des Weltraumes, stößt da die Kamera blitzschnell auf ihr Ziel nieder, das durch ein fadenkreuzartiges Rechteck hindurch anvisiert wird. Das geschulte Auge erkennt auf Anhieb die Halbinsel Manhattan, drei Schnitte weiter läßt sich das markante Portal unweit von Ground Zero ausmachen. Schließlich folgt eine Nahaufnahme vom Eingang zum „New York Stock Exchange“ in der Wall Street, teilweise verdeckt von einer übergroßen Amerikaflagge.Günter Netzers Stimme – doch! er ist es tatsächlich – souffliert dazu aus dem Off: „Hier analysiert der dit chancenreiche Aktien.“ Die Sequenz dauert insgesamt knapp fünf Sekunden und ist von etwa 20 Schnitten zerhäckselt; eine Frequenz, die wohl deutlich machen soll, wie schwer es dem Kapital des Kunden fallen muß, mit einem derart wildgewordenen „Turbokapitalismus“ Schritt zu halten. Kein Wunder also, sondern Globalisierung, daß die nächsten fünf Sekunden schon – nach demselben Schema: per Satellitenbild gezielt, dann Zoom und Schnittmassaker – dem zweiten Finanzstandort London gewidmet sind. „Hier spricht der dit über Märkte der Zukunft“. In Frankfurt schließlich finden wir Netzer selbst vor der Börse zwischen den markanten Ochsen wieder. Dort darf er sein vorletztes Sätzlein nach schräg oben in die Kamera sprechen: „Hier sucht der dit Anleihen mit viel Rendite und wenig Risiko.“

Die Zeit wird knapp (und ist Geld). Denn in den verbleibenden fünf Sekunden muß nun noch die Verbindung zum Privatkunden hergestellt werden, an den sich die Werbung richtet. Der liegt als jungdynamisches, heterosexuelles Paar, wie wir jetzt sehen, sorglos im heimischen Garten und blickt überaus entspannt ins all-seeing-camera-eye. Netzer: „Und hier genießen Sie, daß Ihr Geld in professionellen Händen ist.“ Ein letzter Überschall-Zoom zurück ins All: Schluß.

Neben der aufdringlichen und technikverliebten Visualisierung von Geschwindigkeit und globaler Hektik, gegen die die Montage das Paar auf den Liegestühlen als vermeintlichen Ruhepol setzt, gibt es in den Werbebildern eine zweite Ebene. Eine Untiefe, die die tröstliche Nachricht (‚Wir kümmern uns um alles, machen Sie sich keine Sorgen‘) konterkariert.

Man muß nicht paranoid sein, um sich angesichts der düsteren Musik und der auffälligen Überwachungsästhetik eher unangenehme Fragen zu stellen: Aus wessen allmächtigem Auge sehen wir all dies? Steht an Stelle dessen, was in der Vergangenheit einmal das Auge Gottes gewesen sein mag, nun der Fußballgott Günter Netzer? Oder vielleicht eher das des weltumspannenden Kapitals? Und wie beruhigend soll ich es finden, daß sich die Fondsmanager via Satellitenschaltung nicht nur auf dem internationalen Finanzparkett, sondern auch in meinem gutgehegten heimischen Vorgarten ein bißchen genauer umschauen? Geld kennt keine Grenzen – das sagen die Bilder -, also auch nicht die zwischen öffentlichem und privatem Raum. Darin verhält es sich durchaus analog zum umfassenden System visueller Überwachung.

In ihrer Machart gleichen die Aufnahmen exakt den Überwachungssequenzen, mit denen Tony Scott 1998 seinen Spielfilm „Enemy of the State“ einleitete. Die dort im Vorspann gezeigten Machtzentralen – unter anderem das damals noch unbeschädigte Pentagon – sind hier lediglich gegen die Knotenpunkte des Aktienmarkts ausgetauscht. In Scotts Film gerät Will Smith wider Willen als „Staatsfeind Nummer 1“ in die Mühlen der Überwachungsmaschine aus CIA, NSA und FBI. Die Bildsequenzen, die sich ihrerseits an den hinlänglich bekannten Satellitenbildern aus dem ersten Golfkrieg orientierten, stehen dort für das allgegenwärtige Überwachungsauge des Staates, das einen technologischen Krieg gegen den Einzelnen führt.

Was sagt das über die Dresdner Bank aus? Falsch ist das, was im Spot implizit gezeigt wird, sicher nicht: Sollte es heute noch ein vereinheitlichendes Auge geben, nach dessen Blick sich die Welt ausrichtet, dann ist es wohl tatsächlich am ehesten das des Kapitalismus. Ob jedoch eine Bank in verblüffender Ehrlichkeit für die Kapitalisierung und Öffentlichmachung des Privatlebens – die immer auch mit Techniken der Überwachung einhergeht – werben kann, indem sie den Überblick über den Geldmarkt in Bildern darstellt, die an Überwachung und militärische Angriffe erinnern, ist zumindest fragwürdig.

Das letzte Bild des Werbeclips zeigt wieder die Erdkugel von außen und nimmt damit die Metapher vom globalen Kapitalismus beim Wort. Aber: Wenn wir gegenüber dem Finanzmarkt in der Rolle des unschuldig verfolgten Will Smith sind, wer wäre in diesem Film dann Gene Hackman, der uns da rausholt?

„Wenn er über das Menschliche und Natürliche hinausgeht, dann mit der größten Coolness. Er deutet nur zart an, er verschmäht die Fotografie als Hieb, als Gag, all die schreienden Platituden, die Mache, mit der ein Illustriertenmann sich vom andern absetzen will. Wie aber ist es möglich, dass solche Banalitäten so sehr beeindrucken? Wie können ein rosa Plastikfisch oder ein ausrangiertes Schaukelpferd zu Hauptdarstellern von Tragödien werden? Wie ist es zu erklären, dass ich an der Schönheit dieser Ketchup-Flasche, dieses Parkschilds, dieses Sondermülls mein Leben lang achtlos vorüberging? Die Antwort auf die letzte Frage bleibt. Weil ich kein Amerikaner bin.

Ein Amerikaner tut die Oberfläche nicht leichtfertig ab, um einer Tiefe willen, die es nicht gibt. Er hat noch ein Verhältnis zur Schönheit. Mir muss die Welt, die mir Eggleston zeigt, wie ein Schutthaufen erscheinen, den ein Gott illuminiert hat. Aber es gibt keinen Gott, es gibt nur diesen Schutthaufen. Das ganze Geheimnis, sagt Wittgenstein, ist, dass es kein Geheimnis gibt. »Die Dinge liegen unmittelbar da vor unseren Augen, kein Schleier über ihnen.«“
[ Stefan Ripplinger, Bin gleich wieder da, zu Los Alamos, frühe Farbfotografien William Egglestons, in Köln ]

Dienstag, 22.04.2003

„Zur Orientierung verhilft eine ganz einfache Methode, die auch jeder intuitiv anwendet. Man sammelt alles noch einmal auf, was man bestimmt weiß, hoch selektiv. Was zusammengesammelt wird, muss nicht stimmen, aber es ist das natürliche Gegenmittel gegen die Verwirrung. Dadurch entwickeln Menschen sich neue Bilder. Insofern bekämpfen Bilder Bilder. Insofern bekämpft Krieg Krieg. Die Vorstellung des Kriegs von sich selbst als Träumer des Absoluten – er sei die reine schiere Gewalt (tatsächlich ist er, zum Beispiel, Sandsturm, Kartenspielen, Durchfall) – wird durch die Pannen, die dieser selbe Krieg produziert, aufgezehrt. Die Aggression, die der Krieg entfesselt hat, richtet sich irgendwann gegen die eigene Partei.“
[ Alexander Kluge, Jeder Schrecken ist löchrig wie ein Schwamm – Interview mit Claus Philipp in „Volltext – Zeitschrift für Literatur“, vom 8.4.03 ]

Montag, 21.04.2003

Harun Farocki, Kriegstagebuch (5)

Nachträge:

Embedded Journalists
Ihnen reichte nie aus, was sie aus der Perspektive ihres Truppenteils auffassen konnten. Sie stellten sich vor einem Fahrzeug oder Gebäude auf und erzählten der Kamera, was sie aus zweiter Quelle erfahren hatten. Nur wenn sie wie Korrespondenten agierten, wussten sie was zu sagen. Von ihrer teilnehmenden Beobachtung, von ihrem Soldaten-Spielen blieb nichts übrig.

Kriegskosten
In der Nationalgalerie von Toronto sah ich zwei Plakate aus dem Zweiten Weltkrieg, auf dem ersten ist ein sauber leergegessener Teller zu sehen mit ein paar abgenagten Knochen. Der Text mahnt, keine Resourcen zu verschwenden. Das zweite Plakat zeigt ein Bomberflugzeug und eine fallende Bombe und fordert auf, die Knochen jeder Mahlzeit zu sammeln und abzugeben, man könne daraus Leim zum Flugzeugbau und Detonationsmittel für Bomben herstellen. Damals musste man sich Kriege noch vom Mund absparen!

Rhetorik des Unzureichenden
Sieben US-Soldaten werden aus der Kriegsgefangenschaft entlassen/befreit. Eine Video-Kamera hat vom Ereignis etwas aufgenommen, zwei Krankenwagen, die nebeneinander herfahren und die Soldaten selbst, die einen Platz überqueren. Die Bilder wurden per Videophone übermittelt. Jetzt werden sie in Zeitlupe wiederholt, zu einem Kommentar, der das Ereignis wiedergibt. Genau das sieht man ständig auf „Unabhängigen Film-Festivals”, ein Bild das nicht viel sagt, technisch herabgesetzt zum Ziel der Überhöhung, oft wiederholt um überdeutlich zu machen, dass die grossen Momente keine Bildentsprechung finden. Bei diesem CNN-Beitrag macht diese rhetorische Figur einigen Effekt, denn die Produzenten handeln aus reiner Bildernot und wollen das nicht beschönigen.

Augenbinde
Woher kam der Kran, mit dem das Saddam-Standbild in Bagdad umgerissen wurde? Dass jemand zuvor der Figur eine US-Fahne um das Gesicht gewickelt hatte, könnte ein schiefes Bild ergeben. Oder, die Fahne soll eine Augen-Binde bedeuten, wie man sie dem Verurteilten vor der Hinrichtung umlegt.

Erfolg
Am 7.4.03 gab die CIA Hinweis, Saddam und seine Söhne Uday und Qusay hielten sich in einem bestimmten Gebäude auf, ein B-1B Bomber flog hin und warf eine 900-Kilogramm-Bombe drauf, die einen 18 Meter grossen Krater riss. Rumsfeld sprach von einem ausserordentlichen Erfolg. Ob die Familie Saddam getroffen wurde, wurde nicht weiter verfolgt. Mindestens 14 Zivilisten waren tot und das Sprüchlein vom Bedauern
darüber wurde vergessen. Da die Präzision der Waffen in diesem Krieg ständig gerühmt wurde, kann der Erfolg nicht darin liegen, dass die Bombe ihr Ziel nicht verfehlte. Läge er darin dass es gelang, eine Aufklärung des Geheimdienstes schnell zum Militär zu kommunizieren, würde Rumsfeld das kaum öffentlich machen wollen.
Pentagon-Reporter durften mit zwei Mitgliedern der Bomber-Besatzung ein Telefon-Interview machen, das auch sogleich auf CNN ausgestrahlt wurden. Captain Wachter und Lieutenant Swan erzählten von Adrenalin-Stössen und Stolz. Üblicherweise wird nicht öffentlich gemacht, wer wohin eine Bombe wirft. Bei einer standrechtlichen Erschiessung gibt es sogar den Brauch, ein Gewehr mit einer hölzernen Kugel zu laden, sodass jeder im Kommando denken kann, er habe den Tod nicht verursacht.

Uniform-Mode
Polizei-Uniformen haben keine Anmutung, im Kino sind die Polizisten ohne Uniform die Helden und die in Uniform die Witzfiguren, wie die Keystone-Cops zu Stummfilm-Zeiten, die bei Verfolgungen über einander stolperten. Wenn das Projekt einer Welt-Polizei sich durchsetzt, müsste auch Madonna wieder die Uniform ablegen und sich zivilisieren.
Vielleicht kriegen wir im Kino bald eine gut choreografierte, herumpurzelnde Weltpolizei zu sehen.

Zeit-Politik
1991 begleitete das nichtprivate Fernsehen in Deutschland den Krieg gegen den Irak exzessiv und als er vorbei war, behielt es das „Frühstücksfernsehen“ bei. Kein Feind kann für die Ausdehnung der Sendezeiten und Vermehrung der Kanäle verantwortlich gemacht werden, das müssen wir uns schon selbst zuschreiben. Nach der Theorie des Partisanen versucht der Schwache, den Starken zu schwächen, indem er dessen Aufmerksamkeit bindet. In der selbstauferlegten Zertreuung beim Dauerfrühstück ist ein Gegner entworfen, dessen Bild nicht zu fassen ist.


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