Samstag, 10.01.2004
Freitag, 09.01.2004
Selbstbeobachtung
Je mehr ich über „Lost in Translation“ lese, desto ärgerlicher finde ich den Film. Allerdings ist kaum entscheidbar, ob sich die Verärgerung tatsächlich auf den Film bezieht oder auf die schleimig-anbiedernde Art, in der darüber überall geschrieben wird. Beides lässt sich nicht voneinander trennen, und selten ist mir das so deutlich gewesen wie in diesem Fall. Der Tonfall, dieses Devot-Verzückte darin, legt sich rückwirkend über die Bilder und meine Erinnerung daran. Das ist – unterschätzte Banalität – ein üblicher Mechanismus: dass sich Geschriebenes und Gesagtes in bestimmten Mischungsverhältnissen mit dem Film verbinden und Kino / Erinnerung / Text schnell zu einem schwer bestimmbaren Amalgam werden. Vielleicht sind die Polaritäten hier nur stärker ausgeprägt. Bei „Lost in Translation“ jedenfalls weckt die hymnische Einhelligkeit auch Zweifel am eigenen Blick: mir hat einiges in dem Film gefallen, aber das wird durch die Soße, in die es jetzt diskursiv getaucht wird, regelrecht entwertet. Und Filme, die allerorten solchen Enthusiasmus entzünden, sind mir ohnehin suspekt. Am meisten nervt die „gelungene-Komoedie“-Leier, denn genau davon habe ich – wie es mir schien: um den Film gegen sich selbst zu verteidigen – schon im Kino versucht soweit es ging abzusehen. Oder jedenfalls das Komödienhafte doch wohl bitte nicht in Coppolas how-low-can-you-go klischeehaftem Japanbild finden zu wollen, aus dem sie ein paar drittklassig-stereotype Voraussagbarkeiten herausschlägt. Sehr angenehm daher Urs Richters Gegenangriff gegen „Sofia Coppolas dummen Zweitling ‚Lost in Translation'“, der einen Teil der Aggression über dem Film ausgießt, die sich bei mir eher als stiller Unmut angesammelt hat. Das heisst nicht, dass ich mit allem übereinstimmte (vielleicht bin ich inhaltlich sogar an ein paar Stellen grundsätzlich dagegen), aber als Geste finde ich es genau richtig – so wie Dieter Roth in einem Gespräch mit dem Schweizer Fernsehen einmal plötzlich völlig out-of-context gegen Wittgenstein („weil der sonst immer so gelobt wird von allen“) zu schimpfen beginnt: „das perfideste Arschloch, das je auf der Erde herumgelaufen ist“ (oder so ähnlich). Dann wendet er sich, sichtbar alkoholisiert, aber mit einer schönen Kinderfreude im Blick, an die Interviewerin und fragt: „Können Sie das senden?“
request We’ve been disheartened by the number of film critics who are putting Abbas Kiarostami’s Ten on their Best of 2003 lists. Kiarostami’s remake pales in comparison to Blake Edwards‘ 1979 original. Recasting the Dudley Moore character as a child and making him the son of the leading lady drastically alters the plot of the movie, and while we understand Kiarostami’s need to deal with his nation’s censors, shifting the location from the beaches of Acapulco to the automobile interiors of Iran gives the movie an entirely different tone. The only thing the remake manages to do that the original did not is provide a snapshot of contemporary Iranian life, which is irrelevant. As a sexy romantic comedy, it fails nearly every metric. We therefore would like to encourage film critics to review the source material before once again heaping unjust praise on an unfocused film from Iran.
* aus: Errata: Archive of Regret (siehe auch das lesenswerte weblog: errata: commentary track)
Donnerstag, 08.01.2004
Movie Mutations
„Some of the early chapters, such as the dialogues with Abbas Kiarostami in Chicago in 1998 and with Shigehiko Hasumi in Tokyo in 1999, followed by various email exchanges between others over the next three years, were generated specifically for the book, while some others – such as Kent’s essay on Tsai Ming-liang, pieces of mine about the Rotterdam Film Festival and The Circle, and your own reflections about international musicals – were initiated independently of the book, but then became integral parts of it by suggesting new yet related avenues to follow.“
Jonathan Rosenbaum und Adrian Martin im Gespräch, das den ersten Teil eines gemeinsamen Buches über das internationale Kino oder genauer: die neue Wahrnehmung des internationalen Kinos ausmacht.
Mittwoch, 07.01.2004
gestern nacht mit L den farrelly angeschaut. schade, dass dem film zu der chinesin so wenig einfiel, die nebenfiguren waren ansonsten großartig: chers assistentin beim einkauf in der boutique, deren headphones, deren devote praktikantinnenhaltung; mercedes, die so klasse beiläufig von plastischer chirurgie spricht und auf ihre brüste nickt als beweis – und kein ransprung macht diese beiläufigkeit zunichte. wie sowieso durch die zweieinigkeit schuß-gegenschuß in dem film marginalisiert wird als verfahren. merkwürdiges auseinanderfallen von plot-, körper- und erzähldynamik. hawks-schule. kurz der gedanke, dass im gegensatz dazu die filme heutzutage üblicherweise auf synkretistische synergie-effekte dieser dynamiken ausgerichtet sind, und die musik (die zimmers beispielsweise) dabei die aufgabe hat, das alles hermetisch festzuklammern. bei STUCK ON YOU stattdessen einzeltracks und, soweit ich mich erinnere, kein eigener score. zuvor hatte ich gedacht, ohne etwas außer knörers kurzkritik zu dem film gelesen zu haben, dass die farrellys die lücke, die jerry lewis hinterließ in den siebzigern, endlich ganz manifest schließen würden. das projekt haben sie aber wohl vorher schon abgeschlossen, nun sind sie unterwegs nach woanders hin. disney? auch an capra als zielpunkt zu denken ist natürlich richtig, die dankesrede des kellners zum schluß beim making-of-abspann, dieser embracing humanism. wer hat eigentlich mit den making-of-abspännen angefangen? beschluss, sich das buch von peter farrelly zu besorgen.
danach am potsdamerplatz neben der bushaltestelle in richtung osten in diesem bunten diner-fake versackt. wunderbar abgeschabt und provinziell. zigaretten geraucht, bier getrunken, dankbarkeit empfunden. draußen eisregen.
Sonntag, 04.01.2004
Menschen in Hotels
In der Wochenendbeilage der Sueddeutschen Zeitung eine Lobeshymne auf Sofia Coppolas „Lost in Translation“. Meine Schwierigkeiten mit der Beschwörung von „Größe“, erst recht mit der Eindringlichkeitsbehauptung, die in gesteigerten Adjektiven liegt („ein sehr, sehr großer Film“). Darin liegt wohl auch eine allgemeinere Aversion gegen das Adjektiv (damit automatisch auch gegen das Feuilleton), gegen die darin liegende anheftende Bewegung in der Sprache – als klebe man erst noch schnell ein Preisschild an das Besprochene, bevor man es verschenkt. Kann einen peinlich berühren, die Brutalität in dieser Geste, die einem im buchstäblichsten Sinne das vorschreibt, was – wenn überhaupt – erst selbst zu sehen wäre. (In Coppolas Film habe ich das im Übrigen nur in wenigen kleinen Momenten gesehen, aber das ist ein anderes Thema).
Freitag, 02.01.2004
Link-Hinweis
„Das heißt, nur in solchen „Geschichten des Films“, die von den Filmen etwas erwarten, erhoffen, fordern, bleiben die Filme lebendig oder werden es wieder, das übrige Filmschreiben ist gegen die Filme gerichtet.“ (Helmut Färber anläßlich Heinz Emigholz‘ Buch „Das schwarze Schamquadrat“, heute in der SZ)
Mittwoch, 31.12.2003
langtexthinweis
* auf der langtextseite: normale kurzweil – schwenk über emails aus 2003
Trockener Schnee
zu
„Sie haben Knut“, Stefan Krohmer,
D 2003, 107 Min.
(Weil der Film glücklicherweise noch immer läuft …)
Fast jedesmal renne ich nach zehn Minuten aus dem Kino. Ich guck mir beim Hineingehen schon an, ob Säulen im Weg, Kurven in der Treppe, Podeste eingezogen sind. Die Werbung ist nütze, nicht solange sie Bilder zeigt, weil sie zu schnell sind, aber Schriften, und die kommen immer vor, welche das Produkt benennen und eine CI abliefern, um sicher zu sein, daß der Vorführer wieder schlampt. Die Schärfe stimmt fast nie. Das muß ich monieren und mich manchmal dumm anmachen lassen dafür. Heute hat es mich nicht gestört, weil ich allein im Saal war. Auf der Anzeigetafel an der Kasse stand „freie Plätze 180“; nachdem ich die Karte gekauft hab, 179. Ich sah „Sie haben Knut“ von Stefan Krohmer.
Ein Grüpplein in einer Skigebietshütte; ein Pärchen rauft sich zusammen und auseinander. Zwei Burschen sind dabei, 10 und 14, letzterer mit operierter Hasenscharte. Beim Milchholen vergnügt er sich, indem er die Kühe im Stall mit einem Prügel schlägt. Er hört frühe Technomusik. Die Chose ist Anfang der Achziger plaziert; die Sonnenbrillen markieren das. Wie in „La vie de Jesus“ (Bruno Dumont, F, 1997) gibt es Szenen im Sessellift, drei mal. Der Motor für deren Bewegung sitzt woanders; es ist still, obwohl die Paare in der Brettergondel durch die Landschaft transportiert werden. Ich finde, daß man einen ganzen Film machen könnte in solchen Schwebegleitern.
Einer von der Gruppe, Knut, kommt nicht, ist verhaftet worden. Es klingt an, daß es politische Aktivisten sind, ein paar jedenfalls. Eine Frau sagt mal verschämt zu einem, daß diese Zeiten vorbei seien, die anderen das aber nicht merken würden. Der Film macht sich darüber nicht lustig. Manchmal kommen die Sätze ungewollt daher wie Zitate; dieses Reden gefällt mir, weil die Sprache fast visuell betrachtbarer Bestandteil der sozialen Verhältnisse ist. Manchmal ist nicht zu verstehen, was gesagt wird, weil es nur für die Ohren des anderen/der anderen bestimmt ist, nicht fürs Mikro. Ein Pädagoge mit Bart findet den richtigen Tonfall für die Kinder, schleppt einem die Ski, als der nicht mehr mag und vom Vater gestutzt wird deshalb, und sie lassen sich darauf ein, mit dem Bärtigen ein Iglu zu bauen. Den Burschen ist nicht wohl, daß ihre jeweils alleinerziehenden Elternteile ein Verhältnis haben (von dem man, außer durch die Kinder, kaum mitbekommt), weil sie fürchten, daß wieder Idioten entstehen. Im Iglu machen zwei Liebe, die Frau aus der Paarschaft und der Gitarrenmann aus dem Grüppchen. Das Iglu bricht nicht über ihnen zusammen. Der dramatischste Moment ist es, als der Pädagoge sich seinen Knöchel verstaucht, weil er auf dem Eis ausrutscht, das der jüngere Bub anlegte. Der speckige Mann aus der zerbröselnden Beziehung liest „Deutschland umsonst“ von Michael Holzach (das zum Epochenausklang dann im Zweitausendeins verramscht wurde).
Als Knut auftaucht und tags drauf vom Semmelholen kommt, schmeißt einer einen Schneeball auf ihn, man sieht, wie er alle Semmeln wieder aufklaubt, eine liegenläßt, förmlich die geweichte Kruste schmeckend.
Wenn zu dem Geplänkel VOR der Kamera eben SIE ganz streng gewesen wäre, ganz nüchtern und unverrückbar, hätte ich den Film großartig finden können. Manchmal biedert sie sich an, wie sie verfolgt und mitschleicht, erscheint mir.
Das Charmelose des Films zeichnet ihn aus als einen deutschen; das finde ich befreiend, weil er nichts anderes sein will und darum seinen Platz einnehmen soll.
Montag, 29.12.2003
George-Cukor-generosity-story
„I call it my favourite George Cukor-story. The story is that when he was shooting a film at MGM, which he did many – I don’t remember which story, but he… the call-sheet was up as it always is with the names of who was shooting that day, and an executive – one of the executives, again I don’t know the name, but one of the executives – went and looked at the call-sheet. He went down the list of names and he saw a name that he didn’t recognize. So he dashed over to the set and he said to George: ‚What is this, this name: What part is he playing?‘ And George said: ‚He’s playing the part of a friend of mine who needs a job.'“ (Fay Kanin: On Cukor)