Montag, 24.10.2016

Filme der 50er XXI: Gefangene der Liebe (1954)

Willi Kluge (Curd Jürgens) hat seine Frau Maria (Annemarie Düringer), die nach acht Jahren russischer Gefangenschaft nach München zurückkehrt, vom Bahnhof abgeholt. Kluge führt eine Tankstelle mit angeschlossener Werkstatt, darüber ist seine Wohnung. Willi zeigt Maria die Wohnung, die Geigen singen, die Flöten klingen. „Das ist nun unser Schloß.“   Erst kommt die Küche („alles elektrisch“), gleich daneben ist das Wohnzimmer („Das ist praktisch für die Hausfrau“). Lichter von außen kreisen durch das Wohnzimmer wie Sternenglanz. Da ist der Spiegel, „unser Spiegel“, das Bild von der Hochzeit mit dem schönen Kleid. Und nun die Überraschung. Im Schlafzimmer, im Schrank („Nun mach doch schon auf“) ist das Hochzeitskleid. Das ist so lange her; Maria bricht in Tränen aus, aber jetzt, jetzt kommt der Clou – das Bad, mit Fliesen, Badewanne, heißem Wasser, kaltem Wasser, Mischbatterie. Das alles hat Willi geschafft, und er hat es gut gemacht. Aber das Wichtigste ist doch „Magst Du mich noch?“ –  Maria nickt verschüchtert und sackt in sich zusammen.

Jugerts „Gefangene der Liebe“ (1954) ist beherrscht von der Angst vor der Wiederbegegnung mit dem Mann, auch vor dem möglichen Verlust  bürgerlicher Ehre. Der jähe Wohlstand wirkt wie ein Alptraum auf Maria, die jedes der so stolz vorgeführten Zimmer auch als Bedrohung, als Beweis der Diskontinuität empfindet. Willi führt vor, was er geleistet hat; Maria hat in den Jahren ein Kind bekommen. Davon weiß Willi noch nichts. Das Kind hat sie aus Angst bei einer freundlichen Ärztin (Brigitte Horney) untergebracht. Es ist ihr unentdecktes Geheimnis, die Vergangenheit, die unerledigte und drückende Schuld. Das sind die Trümmer, die jetzt aufgeräumt werden müssen; wie kann man damit umgehen oder, um im Jargon zu bleiben, fertig werden?
Willi und Maria mit dem Kind finden mit Hilfe von Freunden relativ schnell wieder zueinander, aber so billig sollen sie nicht davonkommen. Jetzt wird das ganz große Schicksalsrad gedreht. Es ist Oktoberfest, die Zeit, in der es von den Karussells dauernd in den Fenstern blinkt; auf dem Oktoberfest begegnet Maria zufällig Franz Marten (Bernhard Wicki), dem Vater ihres Kindes. Marten ist Motorradfahrer in der Todesbahn, sässe aber viel lieber mit Maria und Kind in der guten Stube. Mit wem soll Maria, die das alles doch schon entschieden hatte, zusammen bleiben? Noch einmal erscheint das Gespenst der Vergangenheit, noch einmal müssen Maria und Willi um die Gegenwart kämpfen, um die ganze Existenz, die schöne Wohnung, die florierende Tankstelle. Wer ist bloß schuld an diesen furchtbaren Verwicklungen? Es ist der schauerliche Krieg, dem in einer Farce mit expressionistischem Licht, schräggestellten Bildern und einem besoffenen Kriegsversehrten der Prozess gemacht wird. Als alle Flaschen ausgetrunken sind, ist auch dieses Thema erledigt. Es gibt ja, trotz des Titels, keine Gefangenen, es geht nicht um Ausbruchversuche, es geht um die Befreiung von der Last der Vergangenheit. Gibt es diese Last überhaupt? Käutner hat das ein Jahr darauf in „Himmel ohne Sterne“ kurz und bündig kommentiert; Otto Friese (Gustav Knuth) ist mit dem Umsatz in seinem Lebensmittelladen sehr zufrieden – „ist fast schon wieder so wie 1937“.

Zwei Jahre war das Drehbuch herumgereicht worden, kein Produzent wollte noch einen weiteren Film mit Heimkehrer-Problematik drehen. Die Stabliste versammelt die bewährten Profis des deutschen Films: Walter Boos, Erich Kettelhut, Bruno Mondi, Charlotte Flemming, sogar Rainer Erler. In der Saison 1954/55 zählte „Gefangene der Liebe“ neben Veit Harlans „Verrat an Deutschland“, Laszlo Benedeks „Kinder, Mütter und ein General“ und Roberto Rossellinis „Angst“  unter kommerziellen Aspekten zu den „Versagern“ der Saison. Keine schlechte Nachbarschaft, wäre da nicht der billige Budenzauber.

 

Dienstag, 11.10.2016

Oderland. Fontane. Film von Bernhard Sallmann (D 2016, 72 Minuten).

Ein Film aus Landschaftstotalen, die unverrückt stehen – also gewählt und komponiert. (Nur einmal eine nähere Einstellung von oben auf ein Oder-Fliessgewässer.) Und eine Frauenstimme (Judica Albrecht), die Fontane liest – Passagen aus „Meine Kinderjahre“, 1893, und „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, 1892. Ebenfalls sorgfältig ausgewählt und zusammengestellt.

Bestechende Idee, die stoische Anwesenheit der Landschaft mit ausgewählten Textstellen Fontanes zu konfrontieren, in denen ja geschichtlich sehr reiches, gut dokumentiertes Material verarbeitet ist (bis zurück ins 13. Jahrhundert, anhand von Namen auch, Hexenprozessen, Kriegshändeln und Krieg, dem immer noch bekannten Derfflinger, Frau von Friedland als Pionierin der Landwirtschaft, der Architektur des ganz jungen Schinkel, dem Naturforscher und Dichter Adelbert von Chamisso u.a.m.). Man lernt, in welcher Weise das Oderland, über die Jahrhunderte hinweg, kolonisierte, kultivierte, gestaltete, ausgenutzte Landschaft war – und doch kann es auch den Anschein haben, als sei die ‚Menschenhand’ nur vorübergehend dagewesen. Als ob das, was sie hinzugefügt hat, sehr vergänglich sei – dem gegenüber, was die Landschaft von sich aus ist. Die Natur hat ihre eigene Geschichte, bewegt sich in langsameren Zyklen – ist also, bei aller äusseren Veränderung, von einer Stetigkeit, die es erst mal zu begreifen gilt.

Wie in der Malerei und der Dichtkunst scheint es auch beim Film (ein eher neues Phänomen) diejenigen zu geben, die sich mit ‚Landschaft’ befassen. Aber die Motivlage hat sich völlig verändert: mit dem, was früher einmal ‚Besinnlichkeit’ hiess, hat die Zuwendung zur Landschaft heute nicht mehr viel zu tun. Der Gegensatz zu dem, was technologisch-gesellschaftlich (im ‚Ultratechnoikum’) passiert, ist derart, dass sich ein Abgrund zu öffnen scheint – zwei Welten stehen sich gegenüber. Bei der einen, unterliegenden Welt verharren, heisst dann: Abgrenzung, Opposition, vielleicht auch Rückzug. Auf jeden Fall verweist die Anwesenheit der Landschaft auf das ‚ganz Andere’, ‚Ausgeschlossene’ – und doch immer Präsente. Durch die verschiedenen Wetterlagen hindurch, dem immer wieder anderen Licht, dem immer wieder veränderten Himmel (oft wie verhangen, was den Landschaftstotalen ein malerisches Gepräge gibt), bildet sich etwas Allgegenwärtiges ab. Das könnte man mit Hölderlin die ‚grosse Natur’ nennen.

vlcsnap-2016-10-09-16h49m45s189

Der Film läuft auf dem Festival DOKLeipzig 2016 (Schaubühne Lindenfels, 01.11.2016 19:30 / CineStar 5, 02.11.2016 21:45 / Passage Kinos Filmeck, 05.11.2016 17:00).

Dienstag, 20.09.2016

Ein mögliches Leben

Vor ein paar Wochen ist Werner Dütschs Buch „Im Banne der roten Hexe“ erschienen. Im Untertitel, Kino als Lebensmittel, teilt sich mit, dass es um eine existentielle Begegnung geht: Um die Berührung mit dem Kino in den 1950er Jahren, „Verweis auf ein mögliches Leben jenseits eng empfundener Gegenwart“, wie es auf dem Rückumschlag heißt. Die Schauplätze dieser Initiation sind Marl und Düsseldorf, eine erste Fahrt nach Paris, Mutmaßungen über Sexualität, das Gegen-den-Strich-Lesen moralischer Verurteilungen von Filmen als ausdrückliche Empfehlungen. Schöne Beobachtungen zur Überblendung.

In „Welcome to the Club“ die verwirrende Erfahrung, wie wenig die anderen mit den eigenen Vorlieben anfangen können: „Besuch auch der Filmclubs in Herten und Recklinghausen, sonntags, neun, zehn Kilometer mit dem Fahrrad. Ich mochte ja die französischen Filme, besonders Grémillon und Renoir und war verwundert, dass im Club niemand amerikanisches Kino kannte. In Gesprächen zeigte sich die Geringschätzung der Mehrzahl der Filme, die ich mochte. Vergebliches Werben für Preminger und Western von Ford und Anthony Mann. Zweifellos wurde ich für jemand gehalten, der ein abseitiges Interesse für ein kulturloses Kino pflegte und jetzt eingeschüchtert wurde mit Originalfassungen.“

Wie sehr das Kino damals als wirkliche Volkskultur gelten konnte, zeigt die Statistik der SPIO auf Seite 150:
Kinogänger in der Bundesrepublik, 1956: 817,5 Millionen
Kinogänger in Gesamtdeutschland, 2014: 121,7 Millionen.

In den Sätzen des Buchs wird die alte BRD plastisch spürbar. Ein angenehm schweifender Blick, der in präzisen Erinnerungsminiaturen auskristallisiert, sich dann wieder auf die Wanderschaft begibt, etwas Neues entdeckt. Das Tastende, Unstete hat mit jugendlicher Neugier ebenso viel zu tun wie mit den Bild- und Blickwechseln des Kinos.

So wie ich das Buch lese, ist es zugleich ein Versprechen, denn es endet mit dem Beginn der Nouvelle Vague, und es hebt damit zugleich für die Zukunft auf, wie es für den Autor weiterging – in Berlin und, besonders folgenreich für die Filmgeschichte, als Redakteur der Filmredaktion des WDR. Gäbe es die Möglichkeit zur Subskription, wäre ich einer der ersten Subskribenten und würde besonders auf Band 3 warten: Pick Up on Appellhofplatz, 537 S., zahlreiche Abbildungen, mit Lesebändchen, den ich mir hier und jetzt schonmal herbeiphantasiere. Am liebsten bei einem prominenteren Verlag, der dem Buch dann auch etwas mehr Sorgfalt im Korrektorat spendieren würde.

Werner Dütsch ist so nett, uns eine Leseprobe drucken zu lassen, „aber bitte nur, wenn es auch einen begleitenden Text gibt, andernfalls erschiene mir das dann doch wie eine erschlichene Selbstanzeige.“ Hier der Abschnitt zu James Dean.

Werner Dütsch: Im Banne der roten Hexe. Kino als Lebensmittel, Würzburg: Königshausen & Neumann 2016.

Montag, 22.08.2016

Ach Viola (Film von Rainer Boldt, DFFB 1971, 35 ½ Minuten)

Was für eine Exposition!
Eine Totale nimmt, aus einer Seitenstrasse heraus, einen Aspekt der ‚Schlacht am Tegeler Weg’ auf – wildes Geschehen, Wasserwerfer, Polizei, steinewerfende Demonstranten (ein Häufchen Pflastersteine liegt wie griffbereit am Strassenrand). Das Bild friert ein, wird zum Standbild, das sich langsam in seine Bestandteile aufzulösen scheint (zum Negativ wird). Eine helle Männerstimme (der Autor?) gibt im Off eine Bestandesaufnahme der Ausserparlamentarischen Opposition. (Dieser Novembertag 1968, an dem sich die aufgestaute Wut über die Nazi- und Klassen-Justiz Luft machte, die Polizei in die Flucht geschlagen wurde, war Apotheose und Endpunkt der APO.) „Westberlin im November 1970“. Musik hat eingesetzt, nachtdunkle Gebäude, abgesetzt gegen den helleren Nachthimmel, dann schwarze Nacht, ein paar Lichter, man erkennt die Leuchtschrift ‚First National City Bank’, den sich auf dem Europacenter drehenden Mercedes-Stern, ein Polizeiauto, das Gesicht einer Frau – schläft sie, träumt sie? Über der ganzen nächtlichen Sequenz – zu spüren sozusagen die kalte kapitalistische Hand auf der Stadt – hängt der (statische) symphonische Akkord von Charles Ives’ „The Unanswered Question“, mit der darüber gesetzten, von der Trompete formulierten Frage, den immer erratischer werdenden Antworten der Bläser. Die Musik verklingt dissonant – in die Stille hinein hört man eine Kirchenglocke sechs Mal schlagen, die Frau hat die Augen geöffnet, die Uhr an ihrem Arm macht sichtbar, dass sie (nachts wie tags) unter dem Diktat des getakteten Alltags steht. Sie steht auf, macht Licht, nimmt ein Medikament. Zuvor schon (flashartig) eine Einstellung aus einem Chemielabor – jetzt tun die zwei Frauen, die da arbeiten, ihren Überdruss kund: sie haben genug davon, tagaus, tagein Urinproben zu analysieren – eine Veränderung muss her.

Ach Viola hebt sich von andern DFFB-Filmen aus der Zeit ab – ist filmisch und ästhetisch avancierter. Das ist ein Geflecht von sorgfältig montierten Einstellungen und Tönen; der Film arbeitet nicht nur mit Realzeit, sondern auch mit Wiederholungen, Variationen, stellt einen Empfindungs- und Denkraum her. Das bedeutet aber auch, dass das ‚eingreifende Filmen’ und vor allem das Konzept des ‚Zielgruppenfilms’ verabschiedet ist – zugunsten des Autorenfilms. Scheint mir legitim, insofern das ja auch wie ein Blick von aussen ist – ein Soziogramm einer Gruppe von Leuten vielleicht, ein Verweis auf die Zeit. Der Einsatz der Musik, „Die unbeantwortete Frage“ – ihr ist später ein gesummtes, instrumental werdendes Liedchen („Backstreet Girl“ von Jagger und Richards) hinzugesetzt –, mag zwar auf die Aktualität, die Zeit zielen, weist aber auch stark darüber hinaus. Will den Lauf der Welt in sich hereinnehmen oder anrufen.
(Merkwürdig die Rolle, die gerade dieses Stück von Ives damals bei einigen Filmakademisten und Ex-Filmakademisten gespielt hat, auch bei Harun Farocki, aber scheinbar unabhängig voneinander. Bei solchen wohl, die operativ dachten, Konstruktionsideen hatten, mit Fiktion umgingen.)

https://dffb-archiv.de/dffb/ach-viola

Donnerstag, 07.07.2016

Filme der Fünfziger XX: Bonjour Kathrin (1956)

Im November 1954 erschien in der Bundesrepublik Caterina Valentes Platte „Ganz Paris träumt von der Liebe“. Die Melodie war von Cole Porter, Kurt Feltz schrieb den deutschen Text, das Orchester Kurt Edelhagen begleitete die Sängerin. Das Lied war mit 900.000 verkauften Singles ein Riesenerfolg. Der „Spiegel“ (Nr. 15/1955) brachte eine Titelstory über Caterina Valente; Arthur Brauner produzierte 1955 mit Valente, ihrem Bruder Sylvio Francesco und Peter Alexander noch in schwarz/weiß den Film „Liebe, Tanz und 1000 Schlager“ mit dem Orchester Kurt Edelhagen und Schlagertexten von Kurt Feltz. „Bonjour Kathrin“ ist der Nachfolgefilm, diesmal in Farbe, inszeniert von Karl Anton. Anton war schon seit 1921 im Filmgeschäft und hatte u.a. die Revuefilme „Wir tanzen um die Welt“ (1939) und „Stern von Rio“ (1940) inszeniert. Produzent war diesmal Alfred Greven, der im zweiten Weltkrieg während der deutschen Besetzung von Frankreich die französische Filmindustrie fest im Griff hatte. Zu Alfred Greven gibt es einen interessanten Artikel in FilmGeschichte (Nr. 14, September 2000).
Kurt Feltz schrieb auch das Drehbuch und damit jeder mitbekommt, dass neben Feltz auch Kurt Edelhagen wieder mit von der Partie ist, klappt im Film eine Dame eine Karte auf, auf der der Name „Orchester Kurt Edelhagen“ steht; dann gibt es eine furiose Einlage des Orchesters mit Kurt Edelhagen und seinem riesigen Schatten, der an die Wand projiziert wird.
Für den Film wurden echte Schauspieler engagiert, auch wenn das eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Dietmar Schönherr spielt einen Komponisten mit Pfeife und Dauerlächeln, Rudolf Vogel und Helen Vita sind die üblichen Chargen, leider diesmal ohne Ausbrüche ins Exzessive. Wieder einmal kommt das Fernsehen vor, und wieder einmal – wie in „Alle kann ich nicht heiraten“ – ist es ein Medium der Denunziation. Die Diva sieht ihre Konkurrentin auf der Bühne. Hans Joachim Kulenkampff kann noch nicht einmal chargieren; seine Stärke besteht darin, Räume gravitätisch zu durchschreiten. Für Komparsen und kleinere Sprechrollen wurden alle freien Kräfte der Wiesbadener und Frankfurter Bühnen mobilisiert; leider werden sie nirgendwo genannt. In einer kleinen Szene spielt Kurt Schwarzkopf, der später im Fernsehen durch den „Kommissar“ bekannt wurde. Andrej Andrejew, der schon für G.W. Pabst und Carol Reed gearbeitet hatte, besorgte die Ausstattung. Aufgefallen sind mir viele französische Plakate – die Geschichte spielt in Paris -, ganz flache Hintergrundmalerei und die allerschrecklichsten abstrakten Gemälde. Aus den USA holte man den Choreographen Billy Daniels, der schon für Marylin Monroe und die Marx-Brothers gearbeitet hatte, nach „Bonjour Kathrin“ in Deuschland blieb und eine Zeit lang nur für Caterina Valente arbeitete. Eine besondere Qualität habe ich nicht erkannt – es gibt ja auch keine Handlung, die sich in Choreographie auflösen könnte, sondern nur eine Nummernrevue.
Vieles soll komisch sein. Komisch sind beispielsweise Brillenträger, egal ob Männer oder Frauen. Wenn Peter Alexander, Caterina Valente und Sylvio Francesco wie im Kindergarten hintereinander her spazieren oder Caterina Valente mit einem Bügelbrett unabsichtlich andere vor den Kopf und die Tischdekorationen umstößt, dann hat das auch nur eine sehr bescheidene humoristische Qualität. Selbst eine Art Fitness-Raum – sonst immer eine Gelegenheit, die abstrusesten Foltergeräte vorzuführen – lässt keine Schadenfreude aufkommen. Aber alle sind natürlich in aufgeräunter Stimmung, denn der Schlagerfilm war ja eine Geldmaschine, ein Spielautomat mit garantierter Gewinnausschüttung. Da brauchte man sich nur ganz wenig Mühe geben.
Es gibt eine Geschichte – natürlich die Erfolgsgeschichte dreier armer Musikanten und ihres Komponisten -, aber die ist kaum ausgearbeitet. Die Songs sind Kurzversionen der Plattenaufnahmen, die durch die Polydor schon vor der Filmpremiere veröffentlicht wurden. Weil der Film erst im Januar 1956 gestartet wurde, wollte man sich doch das schöne Weihnachtsgeschäft nicht verderben lassen. Auch hatte man die Erfahrung gemacht, dass nach der Premiere des Films „Südliche Nächte“ (1953; R: R.A. Stemmle) der Plattenumsatz der in dem Film gesungenen Lieder zurückgegangen war.
Die Bewohner eines Mietshauses sind auch in vielen anderen Szenen zu sehen – im Mietshaus, auf der Bühne, bei den Proben, als Publikum. Die Welt ist halt eine große Familie und deshalb singen wir jetzt alle zusammen: “Komm ein bißchen mit, nach Italien – widdewiddewitt – ans blaue Meer/ Und wir tun als ob das Leben eine schöne Reise wär.“ Wer nicht mitklatscht, muß das Lied zur Strafe noch mal singen.

Mit „Bonjour Kathrin“ wird am 23. August die Reihe „Tausend Takte Übermut“ eröffnet.

Nicht auf DVD, aber im Internet der komplette Film auf http://www.dailymotion.com/video/x21ccsj_bonjour-kathrin-1956_shortfilms

Donnerstag, 23.06.2016

Zur Ordnung

Das wohlbekannte Problem, dass der Kapitalismus allerhand produziert, aber keinen Sinn, lässt sich innerhalb des Kapitalismus nicht lösen. Weil die Kunst von einer Lösung dispensiert ist, hat sie sich des Problems in einigen ihrer besten Werke annehmen können, von Sartres La Nausée über Becketts Theater bis zu dem Spielfilm Ordnung (1980) von Sohrab Shahid Saless. Saless unterscheidet sich von den Existenzialisten und Nihilisten dadurch, dass er das Problem verortet. Sein Ort ist die Bundesrepublik. Schon in Reifezeit (1976), einem Antwortfilm auf Jeanne Dielman aus der Perspektive des Kindes, hat er dieses Land genauer und finsterer porträtiert, als es die sentimentalen Herzog, Kluge, Wenders hätten tun können. Das nimmt der Finsternis ihre Absolutheit. Denn die Gesellschaft der Siebziger erscheint von heute aus gesehen idyllisch. Damals war bloß der Spießer der Feind, heute ist es auch der dezidierte Anti-Spießer, namentlich der inzwischen zum Rassismus gravitierende, ansonsten liberale, hässliche Medienmensch. Innerhalb des gegebenen historischen Rahmens konnte das Problem aber nicht eleganter bearbeitet werden als in dem nicht genug zu preisenden flauen, faden Schwarz-Weiß von Ordnung. Darin schreit ein Ingenieur, der nicht mehr bauen will, erst „Aufstehen!“, dann „Auschwitz!“ Heinz Lievens Gesicht ist das Emblem des Ekels.
Die Deutschen ehrten den Exiliraner Saless, der einen der besten Filme über ihr Land gedreht hat, damit, dass sie „Die Aufenthaltserlaubnis ersetzt nicht die Arbeitserlaubnis“ in seinen Pass stempelten.
Sohrab Shahid Saless, Ordnung, Berlin, Zeughauskino, 25.6., 20 Uhr

Mittwoch, 22.06.2016

Wer nimmt die Blicke ernst?

1931 - Wer nimmt die Liebe ernst... Erich Engel
Wer nimmt die Liebe ernst …? (1931 Erich Engel)

„Ordnungssysteme, die kollabieren: Das ist die Moderne für diesen wunderbaren, wunderbar unaufgeregten, wunderbar unaufgeregt asozialen Film“, den man sich heute um 20 Uhr im Filmclub 813 als 35mm-Kopie anschauen kann.

1937 Conrad Veidt - Dark Journey
Dark Journey (1937 Victor Saville)

1944 - Bees in Paradise - Val Guest
Bees in Paradise (1944 Val Guest)

1947 they made me a fugitive - cavalcanti
They Made Me A Fugitive (1947 Alberto Cavalcanti)

1948 - Wake Of The Red Witch - Edward Ludwig
Wake Of The Red Witch (1948 Edward Ludwig)

Alle haben es getan: Lewis Allen, Ingmar Bergman, Zbynek Brynych, Alberto Cavalcanti, Benjamin Christensen, Cecil B. DeMille, Gordon Douglas, Julien Duvivier, Jean Epstein, Norman Foster, Freddie Francis, Alfred Hitchcock, J. Lee Thompson, Mervyn Leroy, Leo McCarey …

1948 - Impasse des Deux Anges. Maurice Tourneur

In Impasse des Deux Anges (1948 Maurice Tourneur) stehen zwei Menschen nach Jahren des Getrenntseins überraschend vor einander. Das Erstaunen der Frau wird akzentuiert durch eine Großaufnahme. Sie weiß nichts anderes zu sagen als seinen Namen: „Jean!“.

1948 - Impasse des Deux Anges - Maurice Tourneur

Aus reglosem Gesicht schauen seine Augen, im Unterschied zu ihren Augen, direkt in die Kamera.
Was nach allgemeiner Auffassung als Regelbruch gilt, tatsächlich aber zu allen Zeiten gebräuchlich war und nur in seltenen Fällen illusionszerstörend ist, wirkt auf höchst intensive, vielfach verschiedene und bislang ungeklärte Art und Weise.
Der Blick von Paul Meurisse findet schon im nächsten Gegenschuss durch eine sanfte Neuausrichtung zurück in die Blickachse zu Simone Signoret, hinein in die Vertrautheit. Danach wird beider Dialog über die Schultern hinweg gefilmt, bis sich beide in einer Seitenansicht im Profil den Bildraum teilen.
In einem Straßencafé sitzen sie dann später nebeneinander und es ist die Frau, die mit Worten vorsichtige Schritte unternimmt, in eine gemeinsame, geisterhafte Erinnerung einzutreten. Aber bevor die Rückblende einsetzt, huscht Signorets Blick für einen Moment in die Leere, hinein in die Kamera.
Ins Nichts, das, wie wir ja im Stillen wissen, nirgendwo verlässlicher zu finden ist als bei uns Zuschauern.

1948 - Impasse des Deux Anges . Maurice Tourneur
Impasse des Deux Anges (1948 Maurice Tourneur)

1956 - the wrong man
The Wrong Man (1956 Alfred Hitchcock)

1965 the naked prey - cornel wilde
The Naked Prey (1965 Cornel Wilde)

1965 - the skull - freddie francis
The Skull (1965 Freddie Francis)

1965-dr. terror's house of horrors - freddie francis
Dr. Terror’s House of Horrors (1965 Freddie Francis)

1968 the detective - gordon douglas
The Detective (1968 Gordon Douglas)

1968 - Im Banne des Unheimlichen - Alfred Vohrer
Im Banne des Unheimlichen (1968 Alfred Vohrer)

1972 - Blutiger Freitag - Rolf Olsen
Blutiger Freitag (1972 Rolf Olsen)

1981 - Die Todesgöttin des Liebescamps - Anders
Die Todesgöttin des Liebescamps (1981 Christian Anders)

und so weiter und so weiter

Donnerstag, 16.06.2016

Karten, Pläne (VII)

1915 - Alias Jimmy Valentine - Maurice Tourneur
Alias Jimmy Valentine (1915 Maurice Tourneur)

Der Plan zu einem Bankraub, den der Räuber nicht ausführen wird. Ein falscher Name schenkt ihm Gelegenheit zur Läuterung. Nicht im erprobten Talent, sondern im Abweichen vom dem, was bislang Gewohnheit war, liegt seine Zukunft.

1921 - Forbidden Fruit - Cecil B. DeMille 1

Forbidden Fruit (1921 Cecil B. DeMille)

Aus dem kartografischen Wandschmuck des Ölmillionärs ragen kleine Bohrturmmodelle heraus. So eine Idee ist nichts Ungewöhnliches bei Cecil B. DeMille, der die Menschheit mit der Badewanne und mit dem modernen Kino bekannt machte.

Modern. Was ist das? Es gibt da mindestens zwei Auffassungen. Eine sagt: Was wirklich modern ist, bleibt modern. Andererseits muss das, was modern ist, notwendigerweise ummodern werden, damit etwas neues modern sein kann.

1921 - Forbidden Fruit - Cecil B. DeMille 3

Hier wird der Plan für einen Einbruch fixiert. Das, was zu wissen nötig ist, passt auf eine Manschette. Alles Wissenswerte tragen die Leute in DeMilles Filmen am Leib.

1921 - Forbidden Fruit - Cecil B. DeMille 2

Zu den Partys in DeMilles Strandhaus brachten die weiblichen Gäste ihre Abendgarderobe fürs ganze Wochenende mit; Männer waren gebeten ihre eigenen Hosen mit einem im Gästeschlafzimmerschrank bereitgestellten Hemd zu kombinieren. Es gab zur Auswahl drei russische Hemden – rot, weiß oder schwarz – und dazu als Schmuck eine goldene oder eine silberne Kette.

1937 - Souls at Sea - Henry Hathaway
Souls at Sea (1936 Henry Hathaway)

Nackt. Das ist die ideale Art zu reisen, zumindest war sie das in einem nie realisierten Filmprojekt von Henry Hathaway: A Passage to India. Die Dokumentation einer Pilgerreise. Hathaway erzählte Polly Platt, was die Pilger machen: „they start out from Kashmir and go on foot out of India up into the Himalayas to a big cave. The last fourty miles, they take off their clothes and they go naked through the ice and the snow to a cave where there’s a phallic symbol hanging down.“

1939 - The Arsenal Stadium Mystery - Thorold Dickinson
The Arsenal Stadium Mystery (1939 Thorold Dickinson)

Wie war die Situation auf dem Spielfeld, als der Tod eintrat?

Prügeleien in Fußballstadien werden schon seit einiger Zeit nicht mehr gesendet. Auch Flitzer sollen nicht den Weg ins Gedächtnis der Zuschauer finden. Vor ein paar Tagen nannten die deutschen Sendeanstalten diese (von der Uefa vertretene) Strategie: Zensur! „Die Realität“ solle nicht sichtbar werden! (Wo doch diesmal klar zu sehen wäre, von wem die Gewalt ausgeht! Nicht von Deutschen!)

Wo mit Bedacht zwischen zwei Gütern entschieden werden muss, melden immer häufiger nicht nur die Rechten, ihr „Wir“ sei von Fremdherrschaft bedroht. „Ich meine, wir dürfen uns nicht vorschreiben lassen, was bei UNS im Land Satire ist, durch einen AUSLÄNDER, wo immer er herkommt.“ Das sagte Renate Künast im Bundestag am 12.5.2016.

„Deutsch ist zwar unmusikalisch, aber ohne Zweifel die ausdrucksvollste aller Sprachen“, bemerkte Sherlock Holmes anlässlich einer Sturzflut deutscher Schimpfworte aus dem Mund eines überführten Spions zu Beginn des ersten Weltkriegs. *

Die Wahnsinnsidee vom Kulturvolk in Notwehr, sie wurde 1914 fixiert im Manifest der 93. Es lohnt sich das zu lesen.

1943 - Forever And A Day - Edmund Goulding b
Forever And A Day (1943 Edmund Goulding, Robert Stevenson, u.a.)

Nigel Bruce, der unsterbliche Darsteller des Dr. Watson, war im ersten Weltkrieg von elf Kugeln ins linke Bein getroffen worden. In Forever And A Day lauscht er schlechten Meldungen, die ihn zwingen, mit einem Fähnchen auf einer Karte, den Frontverlauf bei Lille zu korrigieren.

Gedreht mitten im Krieg, um die Moral zu stärken; aber der Film verlässt das Haus nicht. Die Tradition ist sein Bewegungsraum. Schwer melancholisch.

Horace and Pete

Es ist Mitte Juni, so soll auch dieses Jahr schon beinah halb vorbei sein. Meine Top-Ten 2016 sähe bislang so aus (alphabetisch): Alice Through the Looking Glass (James Bobin), Die Geschichte des Grafen Porno zu Gailsberg (Sadi Kantürk), Horace & Pete (Louis C.K.), Louie – Season 5 (Louis C.K.), Ovation! (Henry Jaglom), Pawn Sacrifice (Edward Zwick), Spotlight (Thomas McCarthy), Un + Une (Claude Lelouch), Unterwäschelügen (Klaus Lemke), Verfluchte Liebe – deutscher Film (Sievert & Graf).

1947  Cheyenne - Raoul Walsh
Cheyenne (1947 Raoul Walsh)

Jeder kleine Kreis markiert einen Überfall. Der fleißige Räuber hinterlässt Gedichte.
„I’m happy the frontier is settling down / With a thriving bank in every town / Let the riders and nesters deposit their pay / So I and my gun can take it away. / The Poet“

Dazu 5 Entdeckungen im ersten Halbjahr 2016 (in Kinos in Köln, München, Nürnberg, Tel Aviv): A Day in the Life of Bonnie Consolo (1975 Barry Spinello), Brennende Langeweile (1978 Wolfgang Büld), La lunga notte del ’43 (1960 Florestano Vancini), Der Pfarrer von St.Pauli (1970 Rolf Olsen), Die Spanische Fliege (1955 Carl Boese).

1949 - The Doolins of Oklahoma - Gordon Douglas

Von seiner Frau (Virginia Huston) wird der Outlaw (Randolph Sott) gefragt, ob es denn nicht irgendwo einen Zufluchtsort gäbe, wo sie gemeinsam leben könnten. Zwischen Texas und Kansas sei dieser Streifen Land, sagt er und zieht einen Fetzen Landkarte aus der Hemdtasche.

1949 - The Doolins of Oklahoma - Gordon Douglas b
The Doolins of Oklahoma (1949 Gordon Douglas)

Er: „No Man’s Land they call it. They have no laws there. This is a strip 35 miles wide and 10 miles long. A man could change his name and nobody would care who he was and what he had been.“
Sie: „Well then let’s go, now, and together.“

„Ein Film mit einem langen Atem und ohne Langeweile.“ (Joe Hembus: Westernlexikon)

1951 - Anne of the Indies - Jacques Tourneur
Anne of the Indies (1951 Jacques Tourneur)

„Kommt, ihr Unglücklichen, in denen noch verborgene Vorzüge stecken – kommt und empfangt die sicheren tugendhaften Kräfte von Fluss, Wald und Feld! Zwei Monate (Juli und August 1877) habe ich sie eingesogen, und sie beginnen, einen neuen Menschen aus mir zu machen. Jeden Tag Zurückgezogenheit – jeden Tag mindestens zwei, drei Stunden Frieden, Baden, keine Gespräche, keine Bindungen, keine Kleidung, keine Bücher, keine Manieren.“
Walt Whitman nennt in seinem Tagebuch das Nacktherumlaufen „mein adamisches Luftbad“.

Marianne de ma jeunesse .1955 Julien Duvivier
Marianne de ma jeunesse (1955 Julien Duvivier)

„Der Nudismus ist das Geheimnis einer guten Gesundheit“, sagt Michel Simon in La fin du jour (1939 Julien Duvivier)

A Shot in the Dark 5
Elke Sommer und Peter Sellers in…

A Shot in the Dark 9
A Shot in the Dark (1964 Blake Edwards)

Ein Wandschirm, mit dem Stadtplan von Paris bedruckt. Davor eine als Uhr getarnte Zeitbombe.
Drumherum ein als Bilderstrecke getarnter Text über das Preisgegebensein und das Moderne.

Als ich vor drei Jahren anfing, mich für Karten und Pläne in Filmen zu interessieren, war nicht abzusehen, dass es mir gelingen würde – in Kapitel II – entlang vieler Bilder ein bedeutsames Thema (den Vater-Sohn-Konflikt) zu behandeln. Eine feine Sache, die mir dann in den Kapiteln III, IV, V und VI glatt misslang.

His last bow 1917

Es gibt die schöne Stelle in Journey to the Center of the Earth (1959 Henry Levin), wenn sich die Expedition dem Erdmittelpunkt nähert und es wärmer und wärmer wird und auch Arlene Dahl immer mehr Kleidungsstücke ablegt.

„Modern zu sein, war nämlich immer schon modern,“ sagt Liselotte Pulver in Charly Steinbergers Monika und die Sechzehnjährigen (1974), mit einem zufriedenen Lächeln.

Was aber ist das nun genau? Modern zu sein. Und was wäre das Gegenteil?
Einem Mann stirbt der Hund. Seine Tochter ist eine kaltherzige Karrierefrau. Der liebenswerte Spaßvogel trifft den Entschluss, seine Tochter zu erden. Nackt, so steht sie zu guter Letzt ihrem fellbedeckten Vater gegenüber. Aus kapitalistischer Prostitution im tristen Ausland holt er sie heim ins grüne Vaterland. Der Film, der in Cannes keine Palme bekam, ist zwar besser – aber auch 160 Minuten länger als sein Trailer.

The Globe, Swanage
The Globe (1887), Swanage, Dorset, Postkarte

Die am ehesten naturnahe menschliche Gesellungsform ist, laut Sir Galahad, nicht die Familie, sondern die Frauensippe, in deren Schutz neues Leben und Reichtümer gedeihen, während Männer „ihrer Naturfunktion nach flüchtig und ewig wechselnd“ vorbeiziehen. „Mit dem ‚Vaterschaftswahn’ aber beginnt jegliche Unnatur, mag ihm auch sonst noch so Großartiges entstammen.“
(Sir Galahad alias Bertha Diener: Mütter und Amazonen, 1932)

Plötzliche Erkenntnis durch Billianfilme: ‚Männer’ gibt es gar nicht wirklich. Es liegt nur an ihrer langweiligen Verkleidung; ein Teil von uns spielt lebenslang diese tristen, sachlichen, unfreundlichen Hosenrollen. Von Natur aus sind aber alle mehr so Frauen wie bei Billian. Ich muss mir angewöhnen, das so zu sehen. Es ist lustiger und lässt die Welt gleich viel vertrauter wirken.“
(Silvia Szymanski: Filmtagebuch einer 13-Jährigen #16: 15. Hofbauerkongress)

The Italian Job (1969)
Michael Caine in The Italian Job (1969 Peter Collinson) via

Michael Caine on Acting in Film (1987): “We hang on to each others eyes. That’s the most important thing in film: eyes.” Filmschauspielern mit blonden Wimpern empfiehlt er nachdrücklich: Mascara.

2013 Water Music
Water Music (2014 Collective One Take) – Eine Alpendurchquerung mittels Sizilien-Landkarte

„Der Ritter De la Tour Landry erzählt in der Belehrung für seine Töchter von einem sonderbaren Orden minnender Adliger und Frauen, der in seiner Jugend in Poitou und anderswo bestanden habe, Sie nannten sich ‘Galois et Galoises’ und hielten ‘une ordonnance moult sauvaige’ (‘eine gar strenge Ordensregel’), deren vornehmlichste Bestimmung war, dass sie sich im Sommer warm in Pelze und gefütterte Hauben kleiden mussten und Feuer im Kamin brannten, während sie im Winter nichts als einen Rock ohne Pelz tragen durften, keine Mäntel oder anderen Schutz, keinen Hut, keine Handschuhe oder Muff, wie es auch fror. (…) Man kann in dieser wunderlichen Verirrung – so sonderbar, dass der Schreiber sie schwerlich ausgedacht haben kann – kaum etwas anderes sehen als eine asketische Steigerung des Liebesreizes. (…) ‘Und ich fürchte sehr, dass jene Galois et Galoisinnen, die in diesem Aufzug und bei diesen Liebesspielen starben , Märtyrer der Liebe wurden’“
(Johan Huizinga: „Herbst des Mittelalters“, 1919)

Bedwyr Williams Polar Bear Island Coastline 2014

Bedwyr Williams: „This Polar Bear in Scott Polar Research Institute has been deep cleaned. The blue edging looks like a coastline as if it were an island. It would be a boring island apart from the head region and the nether regions.“

Donnerstag, 02.06.2016

Filme der Fünfziger XIX: Vergiß die Liebe nicht (1953)

Frühstückszeit im Einfamilienhaus. Drei Kinder, der Ehemann Franz (Paul Dahlke), seine Frau Anna (Luise Ulrich) und die Haushälterin Stadler (Annie Rosar) laufen geschäftig herum. Es wird palavert, es lärmt wie in einem italienischen Familienfilm. Schließlich sitzen alle am Tisch, nur die Ehefrau springt immer wieder auf, kümmert sich, hastet, besorgt, was fehlt und bekommt vom Frühstück schließlich nur noch die Reste. Vater Franz plant eine Wochenendreise nach Innsbruck; im Auto ist für Anna kein Platz mehr frei. Egal, geht schon. Als sie ins Haus zurückkehrt, sitzt die alte Haushälterin mit der „Vogue“ im Sessel und klärt die Ehefrau auf: Anna rackert sich ab für die Familie und bekommt kein Gehalt, keine Weihnachtsgratifikation, nicht die geringste Anerkennung und muss im Urlaub sogar zu Hause bleiben. So beginnt „Vergiß die Liebe nicht“ in der Regie von Paul Verhoeven. Gleich präsentiert er einen Gegenentwurf zu dieser normalen Ehe. Statt mit der Familie in den Kurzurlaub zu fahren besucht Anna ihre Freundin, die Frau eines Modesalonbesitzers. Dieser Mann springt auf, wenn ein Aschenbecher fehlt und bringt seiner Frau das Frühstück ans Bett. In einer Woche hat Anna Geburtstag; aus der Modekollektion des Mustergatten schenkt ihr die Freundin schon jetzt einen Pelzmantel und schicke Kleider – Himmlisch!
Immer wieder wird Anna von der Kamera isoliert und spricht im Off mit sich selbst. Sie ist frustriert und mag es nicht sagen, sie verliebt sich auf ihrer Urlaubsreise und traut sich nicht recht; Anna fremdelt mit der Familie, aber auch mit der ungewohnten Welt des Charmes, ihren schicken Kleidern und neuen Chancen als attraktive, allein reisende Frau. Ihre Off-Stimme kommentiert und reflektiert jede neue Wendung, erst unsicher, dann immer selbstbewusster und dann sogar mit selbstironischem Unterton. Paul Verhoeven inszeniert ein Spiel im Spiel – mit der Allerweltsgeschichte, dem Alltag und einer nur leicht gewagten Romanze.
„Vergiß die Liebe nicht“ war eine der seltenen intelligenten Filmkomödien der frühen BRD, akzentuierte realistisch und ironisch die patriarchalische Konstellation in einer von wirtschaftlichen Nöten freien Familie und funktionierte natürlich auch als Lebenshilfe für alle Frauen, die sich von ihrem Mann vernachlässigt fühlten. Brav und leider gar nicht mehr so spannend geht es im Film und im Leben zurück in die Harmonie des Familienidylls. In einer Parallelgeschichte fällt eine der Töchter auf einen verheirateten Schürzenjäger herein; ganz allein irrt sie nachts durch die Straßen und wird von einer Polizeistreife nach Hause gebracht. Wie gefährlich eine solche Romanze doch werden kann; gottlob ist es nicht zum Letzten gekommen, nicht bei der Tochter und nicht bei der Mutter. „Die Mutter“, so sah es der Kritiker des film-dienst, „besteht die Ehekrise, die sie mit verstärktem Verantwortungsbewußtsein in den Kreis ihrer gleichförmigen Alltagspflichten zurückkehren läßt.“

Im Fachblatt „Der Blumenbinder“ wurde auf die Möglichkeit der Produktwerbung hingewiesen; dafür gab es vom Verleih einen Plakataufsteller mit dem Spruch: „Denkst Du an Liebe/ Vergiß die Blumen nicht! Denkst Du an Blumen – Vergiß die Liebe nicht!“. Ob das Ehen gerettet hat? Treffend wäre ein anderer Spruch gewesen, dessen Urheber ich mir leider nicht gemerkt habe und der auch wenig kommerziellen Nutzen gehabt hätte: „In der Ehe verliert das männliche Auge seinen Glanz – Zunächst perlt es wie Sekt, dann wie Kamillentee.“

In der Kategorie „Problemfilm“ bekam „Vergiß die Liebe nicht“ 1953 den Bundesfilmpreis.

Nicht als DVD.

Dienstag, 31.05.2016

Nie zu bezahlen

Ernst Hodel Basel Bahnhof

Als ich staunend vor Ernst Hodels Wandgemälde (5 x 15 Meter!) im Bahnhof von Basel stand, musste ich natürlich an Henry Hathaways GARDEN OF EVIL denken.

Garden of Evil 1954

garden of evil

Das 6. Bildrausch Filmfest Basel bot am Wochenende Gelegenheit zurückzuschauen auf die Anfänge der Neuen Münchner Gruppe. Im Kraftfeld von Lemke & Enke & Zihlmann entstanden damals ein paar der schönsten Filme der 60er Jahre: MANNÖVER von May Spils, SABINE 18 von Marran Gosov, MÄDCHEN MÄDCHEN von Roger Fritz und ANATHAHAN ANATHAHAN von Martin Müller.
Vor einiger Zeit druckte SigiGötz-Entertainment einen längeren Text von mir mit der Überschrift:

MÜNCHEN MÄRZ 1969
von Rainer Knepperges

Der fremde Name einer Insel, eines Sternberg-Films oder Vulkans, ANATAHAN, thront als grafisch gestaltetes Firmenlogo über dem kleinen Wort „präsentiert“, worauf in zwei Zeilen die Leinwand füllend der Filmtitel folgt: ANATAHAN ANATAHAN, und in fast ebenso fetten, weißen Großbuchstaben, einzeilig: ANSGARD KULIK, ein unbekannter Name, dem die 16mm-Filmprojektion ein wenig von der Unruhe eines ersten Auftritts mit auf den Weg zur Leinwand gibt. Dann: SONJA LINDORF; und für den Bruchteil einer Sekunde erinnert sich die Filmkopie an dieser Stelle irgendwann mal durchgeschmort zu sein, und flackert auf. SIGI GRAUE, ROSI PRIESS, jeder Name zwei Sekunden lang zu lesen, WERNER ENKE, EBERHARD MAIER, ohne ein Geräusch, ohne Musik, KINKS, CHRISTI CULEMANN, nichts als römische Lettern und Licht und arabische Ziffern: ECLAIR ARRI 16

ANATAHAN_Anatahan

Sich diesem raren Film über die Beschreibung des Vorspanns zu nähern, hat zu tun mit einer weit verbreiteten, aber im Kino selten dargestellten Neigung, der hier rückhaltlos gefrönt wird: der Lust am Auflisten. Da sind die vielen Klassiker, aus denen eine Theatergruppe die besten Stellen reißt, um ein Stück daraus zu basteln. Da ist der Jungfilmer, der seine Pantheon Directors wie die Bundesligatabelle vom handgemalten Poster abliest. Da gibt es die Frage: „Welchen Tee möchtest du denn? Grünen? Schwarzen? Roten? Jasmin? Fenchel? Pfefferminz? Rauch? Malven? Chinesischen? Earl Grey? Hagebutten? Lindenblüten? Orange Peakou? Teefix?“ und die höfliche Antwort: „Vielleicht Malventee.“
Nachdem aber über Geldmangel, Kabelhilfe und das neue Micki-Maus-Heft geredet wurde, in dem es auf Goldsuche durch die Erde hindurch geht, ist Schluß mit dem Addieren – sind drei schon einer zu viel – und Zwei, frisch aus der Badewanne, in weiße Handtücher gehüllt, liegen auf der dunkelroten (wenn man’s weiß, denn der Film ist schwarzweiß), vom Zaren Nikolaus stammenden Samtdecke einander in den Armen, zur Musik von MARIANNE FAITHFULL.

ANATAHAN ANATAHAN

Deshalb zurück zum Vorspann. Denn da setzt nach einer halben Minute Stille plötzlich die Musik ein, beim Namen KLAUS LEMKE. Er spielt einen amerikanischen Regisseur auf Besuch in München, eigentlich ein Deutscher, der sich aber Montgomery Hathaway nennt. RENATE ZIMMERMANN, BERND FIEDLER, THEM, deren gewaltiges Gloria im Film regelrecht einprügelt auf den, zwischen weißen Lautsprechern, bäuchlings auf dem Teppich das Plattencover betrachtenden Veith von Fürstenberg. Die Reihenfolge der Nennungen im Vorspann ist also vielleicht weniger zufällig, als ich dachte, denn gleich nach THEM kommt eben VEITH FÜRCHTEGOTT VON FÜRSTENBERG, der später dann über das Zusammenkommen und Auseinandergehen von Van Morrisons Band monologisiert, während Sonja Lindorf mit undurchschaubarem Schmunzeln geschehen lässt, dass er sie unterdessen sehr vornehm befummelt. NAGRA KUDELSKI, ein guter Name für ein Tonbandgerät. BERND SCHWAMM, STEPPENWOLF, CHRIS KARRER, AMON DÜÜL II, ALEXANDER ENGELBRECHT, und jetzt zur Musik der Gesang: Throw my ticket out the window. AXEL SCHEUERECKER, CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL, GUNTRAM WARNECKE, Throw my suitcase out there, too. EDDIE COCHRAN, WOLFGANG LIMMER, CRASH. Throw my troubles out the door. BOB DYLAN. I don’t need them anymore. CHRIS WILHELM, HEINER OBERMAIER, ‚cause Tonight I’ll Be Staying Here With You.

ANATAHAN ANATAHAN Fürstenberg Them Eiskonfekt

Der Regisseur MARTIN MÜLLER, Jüngster in der Münchner Gruppe, ging, als die Filmerei in Schwabing richtig losging, noch zur Schule, war Hauptdarsteller in Marran Gosovs schönstem Kurzfilm SABINE 18, hat ein paar kurze und ein paar lange Filme gemacht. Soweit ich sie kenne, ist kein schlechter dabei. Ein besonders schöner entstand noch vor wenigen Sommern mit Peter Przygodda. Viele gute Jahre war Müller Regie-Assistent bei Lemke. Tonmann war er bei Wenders und Krebitz und Karmakar. Er lacht gerne und spricht leise. Musik hört er laut.

Die Buchstaben im Vorspann sind von Hand gesetzt. Noch bis in die 90er gab es das selbstklebende „Letra-Set“. Ich habe den Umgang damit nie vermisst, aber jetzt sehe ich den Reiz der kleinen Abweichungen bei den Buchstabenabständen. ILFORD V. Im Münchner Werkstattkino widmeten Dolly & Bernd mal ein Programm ganz dem 16mm-Format – dem ewigen Teenager unter den Filmmaterialen – das vom Leben am meisten einsteckt. Sweet Little 16mm. Manches verschwindet, manches bleibt. ROLLING STONES. Zu deren Cry to me der nachfolgend genannte CHRISTIAN FRIEDEL durch eine dunkle Münchner Diskothek hindurch langsame, große Schritte macht, dabei eine Zigarette dreht, die er unangezündet dem DJ rüber reicht, um sich sodann von einer Frau im langen, engen, schwarzen Kleid auffordern zu lassen, die leere Tanzfläche zu erobern. Wo sich beide im Takt von Creedence Clearwater Revivals Proud Mary, ganz auf die korrespondierenden Bewegung ihrer Hüften konzentriert, immer mal wieder in die Augen sehen. Gefilmt ist das in der Totalen, mit Tanzboden und Saaldecke, also richtig, wie alles in diesem Film.

Lemke hört Elvis - Siebdruck 2012

Nachdem Klaus Lemke einen grandiosen Super-8-Film gesehen hat, in dem Werner Enke zum energischen Sound der Kinks – erst im Alleingang, dann zusammen mit Eberhard Maier – die Münchner Bürgersteige unsicher, also aus München Paris gemacht hat, sitzt Lemke ganz versunken da und hört über Kopfhörer Are You Lonesome Tonight. ELVIS.

ANATAHAN ANATAHAN 1

MÜNCHEN MÄRZ 1969. Mit diesem Schriftzug endet der Vorspann. Und während das letzte Lied auf der brandneuen LP Nashville Skyline weiter erklingt, beginnt der Film mit einem großen Bett, das einer buntgemischten Clique von Männern und Frauen als Couch dient. Es sind insgesamt elf Leute, die wie zum Gruppenbild dicht arrangiert – gewiss von keinem drängelnden Fotografen, allenfalls von einem flämischen Meister, am ehesten vom süßen Schicksal, von der Schwerkraft ihrer Leiber dirigiert wurden – wie Zueinandergefundene. I should have left this town this morning. But it was more than I could do. Ich liebe Gruppenbilder, weil sie im Vorbewusstsein entstehen, gemeinsam einen unwiederbringlichen Augenblick aus dem Fluss der Zeit aufs trockene Ufer des Papiers ziehen zu können. Stolz und Traurigkeit mischen sich zu todgeweihter Albernheit. Böse Kräfte, die jede Gemeinschaft auseinander driften lassen, werden für einen kurzen Moment nicht ignoriert, sondern diesen Mächten wird getrotzt. Oh, your love comes on so strong. And I’ve waited all day long. For tonight when I’ll be staying here with you. Sie ist da, die lange erwartete Zeit, die vergeht. Is it really any wonder. The love that a stranger might receive. Dass die Liebe kein Verdienst ist, nichts Errungenes, sondern Geschenk, nur Leihgabe, das ist Fluch und Segen. You cast your spell and I went under. I find it so difficult to leave.

ANATAHAN ANATAHAN 10

Eine langsame Tonblende von der Musik zum O-Ton macht es jetzt möglich Fürstenberg zu lauschen, der inmitten derer, die andächtig aufs Bett drapiert sind, aus einem Dialog zwischen zwei Groupies vorliest: „Backstage with the Stones!“
Später hat der Film dann die wunderbare Ruhe, ein blondes Mädchen, das eine ganz sanfte Stimme hat und Christi Culemann heißt, in schüchternen Worten ganz ausführlich davon erzählen zu lassen, dass sie in London Mick Jagger auf der Straße sah, ihn ansprach, ein Autogramm von ihm bekam, dabei vergnügt bemerkte, wie dreckig er war, was ihr am allerbesten gefiel an ihm, wie speckig seine Haare waren, und dass er ihr noch nachher manchmal Postkarten schrieb. Vom anderen Ende der Welt. Aber leider nie aus Europa.

Im Düsseldorfer Filmmuseum, wo Florian Deterding im Juni 2012 ein schönes Programm mit Filmen von Lemke und der Münchner Gruppe zeigte, war Bernd Fiedler zu Gast. Der Kameramann von ANATAHAN ANATAHAN (und ROTE SONNE und ROCKER und …) erzählte, dass er die Arri einfach nicht ausgemacht hat, als Christi Culemann mit ihrer Erzählung am Ende nicht weiter wusste. Zum Glück, denn so fing er die Augen des Mädchens ein, die direkt in die Kamera schauen, dann beiseite und wieder direkt in die Kamera. Drei unbeschreibliche Blicke. Man kann sie zwar zählen, drei Stück, als wären es Sternschnuppen am klaren Nachthimmel oder Tiger im Gehege, doch ihr Effekt bleibt unfasslich. Denn die Wirkung dieser Blicke hat Martin Müller noch verstärkt mit ein paar leisen Takten Back Street Girl von den Stones. Die tiefste Rührung repetierbar zu machen, das Heiligste der Seele zu konservieren, das wurde in dem Dutzend Jahrzehnte, seit es Platten und Filme gibt, laut Schätzungen 12.000.000.000 mal versucht – und hier vollbracht.

(1971 sendete Hessen III eine stark gekürzte Fassung des Films unter dem Titel „Anatahan’s Rock Show“. Das halbstündige DJ-Portrait CRASH THEO von Karin Thome und Bernd Fiedler, erwies sich in Düsseldorf als tolle Ergänzung zu den 57 Minuten von ANATAHAN ANATAHAN. Anderen Städten und Gemeinden, Fernsehsendern oder Pfarreien sei das Nachspiel wärmstens empfohlen.)

Garden of Evil - Hathaway
Garden of Evil (1954 Henry Hathaway)

Auf meiner Liste paradiesischer Orte hat Basel, wo ich Müllers Film am Sonntag wiedersehen konnte, (dank des Bildrausch Filmfests) nun einen Platz im Alphabet und auf dem Globus zwischen Aachen (wegen Bruno Sukrow) und Bologna (Il Cinema Ritrovato). Und noch ein Tipp: Der Filmclub 813 zeigt deutsche Lustspiele 1930–1932, die zum Frühjahresanfang im Zeughauskino für Furore sorgten.


atasehir escort atasehir escort kadikoy escort kartal escort bostanci escort