Montag, 19.11.2007

12/100

Die Geschichte vom amerikanischen Kinoveteran, der – sicher auch, weil sein Vater die nervtötende Musik für die restaurierte Fassung von 1980 geschrieben hatte – die Veröffentlichung einer neuen, um 95 Minuten längeren und mit Teilen der Originalmusik vertonten Version des französischen Monumentalfilmklassikers mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern wusste.

Donnerstag, 15.11.2007

Drive, He said

Festtafeln vor üppigen Brokatstoffen, die neureiche russische Oberschicht im Londoner Exil diniert an öffentlich unsichtbaren Orten, auch wenn die Stamford Bridge nicht weit ist. „Arsenal“ ist hier das letzte Wort eines lebensmüden Schwachsinnigen. Großartige Szene: wie sich der Sohn des Friseurs im Namen einer der beiden Roten Armeen der Premiere League dem blauen Strom entgegenstellt. Chelsea heißt hier Chelski, Viggo Mortensen, der Chauffeur, kennt die neue Topographie und die alten Klassenverhältnisse: Slaves give birth to slaves, sagt er zweimal im Film, wenn ich mich richtig erinnere. Eine weitere Geschichte der Gewalt kulminiert in einer Performance, die an experimentelles Theater denken lässt. Andererseits: Diese Archaik kann nur die relative raumzeitliche Kontinuität der Plansequenz entfalten. Mortensen-Fans werden dennoch auf die DVD warten, um ihre Wahrheit im freeze frame zu suchen. Die Gangster-Posen sind vergrößert und zugleich verdichtet, einmal durch ihre eigene Geschichte als Zeichen hindurchgegangen, aber anders als bei den Sopranos. Die vori v zakone hatte keinen Al Pacino, ihr Initiationsritual liest die Geschichte aus den Oberflächen des Körpers und formuliert eine viel profundere Entindividualisierung. Mob minus Katholizismus? Den melodramatischen Kern des Films legt Cronenberg von Anfang an offen, man vergisst ihn nur zwischenzeitlich. Daher die Wucht des protoreligiösen Bildes: eine heilige Familie, deren Anblick die Kamera zurückweichen lässt. Als würde sie ahnen, dass die homoerotische Energie auch durch eine Maria im Lederdress kaum reproduktiv umzulenken ist. Ordinary People haben englische Tapeten.

Eastern Promises (David Cronenberg) UK/CA/USA 2007

Mittwoch, 14.11.2007

11/100

Die Geschichte von der amerikanischen Komödie, in der die Hauptdarstellerin beruflich nach Rotterdam versetzt werden soll und darauf vom Frischverliebten die entgeisterte Frage „Why Germany?!“ zu hören bekommt; eine Frage, auf die gewissermaßen die österreichische Rezension des Films antwortete, indem sie den Inhalt des Films so auslegte, dass die Frau nach Dänemark geschickt wird.

Montag, 12.11.2007

Hinweis (Berlin)

Revolver Live (18) > Hans Hillmann: Das Filmplakat
Dienstag, 13.11.07 – 19:30 | „Roter Speicher“, Volksbühne Berlin
mehr hier und hier

Montag, 05.11.2007

10/100

Die Geschichte vom Missverständnis, dass der Dokumentarfilm-Regisseur „an einem Straub-Film arbeite“, womit, wie sich dann herausstellte, in Wirklichkeit ein Film über die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Staub gemeint war.

Sonntag, 04.11.2007

9/100

Die Geschichte vom Produzenten, der für den melodramatischen Einschlag eines Filmprojekts einerseits und dessen kriminalistische Rahmung durch einen etwas hanebüchenen Mordplot andererseits zwei verschiedene Drehbuchautoren – eine Frau und einen Mann – engagierte, was im Ergebnis zu einem der delirantesten Filme der ersten fünfzig Jahre Filmgeschichte führte.

Samstag, 03.11.2007

The Assasination of Jesse James by the Coward Robert Ford

Ihr Lieben,

Bei euch ist gerade „The Assasination of Jesse James by the Coward Robert Ford“ angelaufen, und der Film wird allenthalben verrissen (hier war es ähnlich). Deshalb schreibe ich, weil ihr euch den Film dennoch angucken sollt. Ein ganz großartiger Film nämlich, der mich Tage lang eingenommen hat. Ich war überrascht, wie gut mir die geradezu stilisierten Landschaften gefielen, wo Weite nicht die große Rolle spielt, Tiefenschärfe kaum zum Einsatz kommt. Die Titeldarsteller sind beide gut, der Preis in Venedig an Brad Pitt überrascht aber doch, da Casey Affleck ihn deutlich noch überragt. Einfach unglaublich gut. Häufig wurde über die Unschärfe erzeugende Linse geschrieben, kaum darüber, dass dieser Effekt immer mit der Ebene des Off-Erzählers gekoppelt ist. Dass der Film durchgängig Lichtbrechung und Schattierung inhaltlich wie ästhetisch thematisiert und er das ‘print the legend’ in Sichtbarkeit übersetzt. Passend auch, dass RFs Freundin am Ende Stripperin ist. Schade nur, dass der Film sich gegen Ende zu sehr mit RF emotional verwickelt. Und dann wird seine Freundin eben auch zur Beschreibung seiner Person funktionalisiert. Das passiert den Frauen vorher nicht, sie bleiben immer ‘schön’ am Rand bzw. weitgehend im Unschärfebereich. Ich hätte den Film vielleicht im Zug enden lassen (ganz tolle Szene – nirgendwo gelesen), und den Rest des Films auf ein bis zwei Texttafeln übersetzt. Aber dann hätte man auch wiederum ein paar schöne Szenen verpasst.
Wie gesagt anschauen. (Unbedingt die untertitelte Fassung – ich habe auch nicht alle Dialoge verstanden, ist aber nicht so wichtig wie Affleck’s Stimme.)

Verena

Laub

Seltsam, dass es mich, wenn draußen das Laub noch leuchtet, nach Laubfilmen verlangt. Nach „Trouble With Harry“ zuallererst mit seinem aus Vermont ins Studio geschafften Laub, nach „The Far Country“ und wohl auch nach „All That Heaven Allows“. Als ich vorgestern „Yojimbo“ sah, ging mir auf, dass Schwarzweiß das Laub nicht versteht, nicht verstehen will. Der böse Sohn kehrt nach Hause zurück, der verschlagene Aufseher sagt: „Siehe, sogar der trockene Wind begrüßt dich.“ Und wirklich treibt der Wind schwärzliche Zettelchen vor sich her. In Schwarzweiß wird der Laub- zum Aschefilm, wenn nicht gar zum Staubfilm. Gewiss, ontologisch gesehen behält er Recht, Laub ist nichts anderes als sterbende Blätter, aber auf dieses letzte Aufleuchten kommt es an, und das hält nur Technicolor fest.

Donnerstag, 01.11.2007

The Wire

„We are always planning to move further and further out, to build a whole city“ (David Simon)

* Margaret Talbot: Stealing Life. The crusader behind „The Wire“

Dienstag, 30.10.2007

Free Suhrkamp/William Raban

Wenn das Buch zum Film so debil ist wie der Film, hat dieses Verlagsprogramm künftig einen lokalisierbaren Tiefpunkt. Lange nicht mehr so armseliges deutsches Kino gesehen. Wie sich Weingartners bestenfalls unausgegorenes Kritikverständnis mit dramaturgischer Unfähigkeit, schäbigen Typisierungen und peinlichen Fassbinderumarmungsgesten mischt, ist fast nicht mehr beschreibbar. Zu den erfreulichen Entdeckungen des vergangenen Viennale-Wochenendes zählt Thames Film von William Raban. Ein Flussfilm, der ökonomie- und kulturhistorische Perspektiven ineinanderwebt; mit einer dichten Soundtextur, aus der immer wieder die Stimme T.S. Eliots auftaucht und Passagen der „Four Quartets“ rezitiert:

I do not know much about gods; but I think that the river
Is a strong brown god – sullen, untamed and intractable,
Patient to some degree, at first recognised as a frontier;
Useful, untrustworthy, as a conveyor of commerce;
The only a problem confronting the builder of bridges.
The problem once solved, the brown god is almost forgotten
By the dwellers in cities – ever, however, implacable.
Keeping his seasons, and rages, destroyer, reminder
Of what men choose to forget. Unhonoured, unpropitiated
By worshippers of the machine, but waiting, watching and waiting.
His rhythm was present in the nursery bedroom,
In the rank ailanthus of the April dooryard,
In the smell of grapes on the autumn table,
And the evening circle in the winter gaslight.


atasehir escort atasehir escort kadikoy escort kartal escort bostanci escort