Samstag, 21.01.2006

„Kino wie noch nie“

Legte Harun Farocki bereits für das Schneiden dessen basale Formelsammlung offen, tragen er und Antje Ehmann nun die motivischen Identitäten aus Hunderten von Filmen, wie die Filmschaffenden sie bei der Abwicklung des Geschäftes Geschichtenerzählen konjugieren und deklinieren, in ein Videovokabelheft zusammen. Für die Ausstellung in der Wiener Generali Foundation (bis 23. April) haben sie ein ikonographisches Verzeichnis angelegt zu Weinen, Lachen, Wege rechts, Wege links, Innere Bewegung u.ä..

Angesichts der Einstellungsfolge Lachen zeigen die Besucher signifikantes Grinsen. Bei Innere Bewegung – meist haben die Filmschnitzel eine Pannade aus Musik – kommt mir beinahe das Heulen. Bestimmungsgemäße Reaktion der Probanden in einem Versuchslabor.

Einleitend stellt M. die Frage, ob ich von W.’s Affinität zum Porno wisse. Er sei mit ihm vor dem Zusammenschnitt Weinen zu stehen gekommen: Wimmern, Schluchzen, Glycerin und verzweifeltes Rasen. W. sagte, wenn er diese Einstellungen der weinenden Frauen sehe, löse das bei ihm den Impuls aus, sie zu ficken.

Womöglich erhielt er die Konditionierung an dem Werk weggetragen, geküsst, hingelegt, (2005), bei dem Antje Ehmann Ausschnitte von Filmplakaten sortiert. Aufbelichtet auf Magnettäfelchen im Postkartenformat ordnet sie die Bildchen von der Buntheit unbefangener Kinder-Filzer-Malereien auf einer ca. 3 Meter langen grauen Blechwand zu einer Genealogie des Kino-Weibes, von der Gespielin zur Verführerischen, zur Entführten, zur Schönen der Bestie, zur Entsetzten, Malträtierten, zum Schlachtgut. In drei Plakaten wandelt sich zu allerletzt die Filmfrau, von stets absoultem Idealmaß, zur männermeuchelnden Rachegöttin. Entblößt sind nicht die Nackten, sondern die schnapsnasigen Filmproduzenten, deren Werbemaßnahmen ein Destillat ihrer einfältigen, ekligen, funktionstüchtigen Wichsphantasien von 24 B/S abgeben.

An anderer Stelle – Harun Farocki rekonstruiert das vergangene Jahrhundert aus Filmdokumenten von der Scheidestelle, die Fabriktor und -gelände sind; es stellt sich die Frage, ob dort die Welt aufhört oder beginnt – plaudern kunstsinnige Besucher, während sie auf die elf auf dem Boden platzierten Monitore gucken. Bei der Ziegelei in Hanoi, Sortie de la Briqueterie Meffre et Bourgoin à Hanoi (Gabriel Veyre, 1899), empfiehlt einer das ausgesprochen intime Ski-Gebiet Axamer Lizum. Als Monica Vitti mit Heißhunger das erbettelte Butterbrot im Schlammgelände vor der Chemiefabrik verzehrt, Deserto Rosso (Michelangelo Antonioni, 1965), berichtet eine Frau von ihrem Kurs in Stretching-Gymnastik. Vor dem Schirm von La reprise du travail aux usines Wonder (Jacques Willemont, 1968), streift ein beiger Hund vorbei, der für diese Soirée wie passend zur sandfarbenen Garderobe seiner Herrin gewählt zu sein scheint.

Mir fällt schließlich ein: Wir sind ja doch nicht in der Kirche.

Freitag, 13.01.2006

FESTIVAL:

… a young man in his early 20’s, heads towards his victim’s apartment
in order to get his revenge. This act will lead to the collision of three different lives.

*** MITTAGSPAUSE ***

Donnerstag, 12.01.2006

Wegbeschreibung

„(…)Die nächste Querstraße links findet ihr nach 100 Metern auf der rechten Seite ein angemaltes (besetztes) Haus, wo ihr durch ein Fenster in das Kino klettert.(…)“

Montag, 09.01.2006

Rennboote

Freitag Nacht zappten B. und ich durch die vom Sat-Receiver neu gescannten Programme. Wir stießen auf ein Bild, bei dem ich bleiben wollte. Der Sender hieß, glaube ich, Crystal.

Es waren in nörgelndem Tonfall Rennboote unterwegs, die mühsam Kurven nahmen, um sodann wieder zu beschleunigen. Hubschrauber mit Kameras an Bord, die mit den Booten mitflogen, sah man in den Totalen. Im Gegenschuß, der keiner war, denn es ging alles furchtbar und herrlich durcheinander, sausten die Boote vor der Kulisse eines mit Hochhäusern bebauten Ufers. B. machte ein Gebäude im maurischen Stil aus. So kamen wir darauf, daß es z.B. Bahrain oder Qatar sein müßte.

Beim Schnitt der Einstellungen wechselten die sirrenden Töne – je nach Boot, nach Abstand, mit oder ohne Doppler-Effekt. Es gab sogar eine flüsterleise Kommentatoren-Stimme, die unterging im Nölen der Motoren; an Silbenfetzen war Englisch auszumachen.

Boote fielen aus, wurden langsam, sanken zurück ins Wasser, wurden an Leinen abgeschleppt. Männer mit Helmen klappten den Deckel ihres Cockpits auf.

Nach zehn Minuten unseres Schauens, die Boote rasten gerade noch, platzte eine Siegerehrung herein; ein Preisverleiher mit Talfia und Kutte, eine zweite, parallel gesetzte Tonspur mit arabischem Sprecher.

Fast schien es sich um Rohmaterial zu handeln – der räumliche Zusammenhang war den Berichterstattern wohl so selbstverständlich, daß sie sich keine mühseligen Gedanken machten um den televisionären Transfer oder es war ihnen vor Begeisterung für die rasenden, Fontänen spritzenden Boote, wurst.

Ich bedauerte das rasche Ende; wer weiß, wie lange das Rennen schon lief. Es drängte sich mir auf, daß es Web-Stoff eines Videoteppichs, einer schlichten Videoinstallation sein könne. Aus dieser Assoziation schließe ich zurück, daß Videoinstallationen gelegentlich angenehm sinnfrei sein dürfen, oder daß Unprofessionalität im TV bereits eine Öffnung der Gefängnistore bedeutet.

Grund, beim schnellen Zappen an dieser Stelle bleiben zu wollen, war die sofort präsente Erinnerung an die Rennboote in einer Einstellung aus „13 Lakes“ von James Benning, Salton Sea. Zwei Tage später weiß ich, daß die Positiv-Konditionierung für Rennboote bereits durch „Il Grido“ von Michelangelo Antonioni passierte. Da plärren sie in den Kanälen der Po-Ebene.

Habe nachgeguckt: Der Sender heißt „Clear TV“.

Samstag, 07.01.2006

langtexthinweis

Ekkehard Knörer > Zwangsverhalten: Zu Hong Sang-soos „Tale of Cinema“ (Südkorea 2005)

Donnerstag, 05.01.2006

2005 – 25 Filme, 1 Serie (Kino, DVD, VHS)

At the Academy (Sherwin, 1974), Body Double (De Palma, 1984), Chukje (Im Kwon-Taek, 1996), Dames (Enright, 1934), Eine andere Welt (Lieder der Erde, Teil 2) (Wyborny, 1993-2004), I a Man (Warhol, 1967), Invasión (Santiago, 1969), La Nina Santa (Martel, 2004), La rosière de Pessac (Eustache, 1968), Le cinéma, une histoire de plan (Bergala, 1996), Le fils (Dardenne/Dardenne, 2002), Le Pont des Arts (Green, 2004), Les Amants Réguliers (Garrel, 2005), L’Intrus (Denis, 2004), Los Angeles Plays Itself (Andersen, 2003), Los Muertos (Alonso, 2004), Mes petites amoureuses (Eustache, 1975), Notre Musique (Godard, 2004), O Sangue (Costa, 1989), Profils Paysans: Le quotidien (Depardon, 2004), Red Eye (Craven, 2005), Rois et Reine (Desplechin, 2004), Shallow Hal (Farrelly & Farrelly, 2000), The Power of Kangwong Province (Hong Sang-Soo, 1996), The West Wing, Season 1 (Sorkin, 1999), Welfare (Wiseman, 1975)

Mittwoch, 04.01.2006

2005 – 22 Filme, 2 Serien (Kino, DVD)

Bahram Beyzaie: Mosafaran (Iran 1991), Sagkoshi (Iran 2001) # Hong Sang-soo: The Power of Kangwon Province (Südkorea 1998), The Turning Gate (Südkorea 2002) # Jean-Claude Guiguet: Faubourg-Saint Martin (F 1986), Le Mirage (F 1992), Les Passagers (F 1999) # Lucrezia Martel: La Nina Santa (Argentinien 2004) # Liu Jiayin: Niu Pi (Oxhide; China 2005) # Jared Hess: Napoleon Dynamite (USA 2004) # Brian De Palma: Body Double (USA 1984) # Dead Like Me (1. Staffel, Bryan Fuller, USA 2003) # The West Wing ? 2., 3. Staffel (Aaron Sorkin) # Masahiro Shinoda: Double Suicide (J 1969) # Kim Ki-young: The Housemaid (Südkorea 1960) # Apichatpong Weerasethakul: Tropical Malady (Thailand 2004) # David O. Russell: I Heart Huckabees (USA 2004) # Kamal Amrohi: Mahal (Indien 1949) # Frederick Wiseman: Welfare (USA 1975) # Tomu Uchida: The Mad Fox (Japan 1962) # Raymond Depardon: Profils paysans (F 2005) # Jean Eustache: La Maman et la putain (F 1973), Mes petites amoureueses (F 1974)# Hayao Miyazaki: Das wandelnde Schloss (Japan 2004)

Montag, 02.01.2006

2005 – 1 Trailer (Netz)

. . . zum Beispiel . . . Trailer

J.-L. Godard, Einführung in eine wahre
Geschichte des Kinos

S. Coppola, Marie Antoinette, Fall 2006

Donnerstag, 29.12.2005

2005 – 25 Filme, 1 Serie (Kino, DVD, TV)

In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod (Kluge) # Red Eye (Craven) # Crimson Gold (Panahi) # Oh Fantasma (Rodrigues) # L’Intrus (Denis) # Le Cochon, La Rosière de Pessac (68/79), Mes petites amoureuses (Eustache) # Barluschke (Heise) # Panic in the Streets, Wild River (Kazan) # The 40 Year Old Virgin (Apatow) # Montag kommen die Fenster (Köhler) # Assassination Tango (Duvall) # Prima della rivoluzione (Bertolucci) # Les Amants réguliers (Garrel) # Meat (Wiseman) # Napoleon Dynamite (Hess) # Les Yeux sans Visage (Franju) # Force of Evil (Polonsky) # War of the Worlds (Spielberg) # Fingers (Toback) # De battre mon coeur s’est arrêté (Audiard) # The Wedding Crashers (Dobkin) # West Wing – The Bartlet Years (Sorkin)

2005 – 23 Filme (Kino, Galerie, DVD, Fernsehen)

Thom Andersen: Los Angeles Plays Itself (USA 2003) # Judd Apatow: The 40 Year Old Virgin (USA 2005) # Alain Bergala: Le cinéma – Une histoire des plans (F 1996) # Busby Berkeley: Dames (USA 1934) # Bruce Baillie: Mass for the Dakota Sioux (USA 1964) # Lucile Chauffour: Violent Days (F 2003) # Claire Denis: L’Intrus (F 2004) # Raymond Depardon: Profils Paysans – Le quotidien (F 2004) # Harun Farocki: Aufstellung (D 2005) # Anna Faroqhi: Das Haus und die Wüste (D 2005) # Stefan Hayn und Anja Christin Remmert: Malerei Heute (D 1998-2005) # Jared Hess: Napoleon Dynamite (USA 2004) # Hong Sangsoo: Keuk jang jeon (Tales of Cinema; Südkorea/F 2005) # Hong Sangsoo: Kangwondo El Him (The Power of Kangwon Province; Südkorea 1998) # Kwon-Taek: Chukje (Südkorea 1996) # Klaus Lemke: Träum weiter, Julia (D 2005) # Liu Jiayin: Niu Pi (Oxhide; China 2005) # Pier Paolo Pasolini: Appunti per una orestiade africana (Notizen für eine afrikanische Orestie; Italien 1969) # Hugo Santiago: Invasión (Argentinien 1969) # Volker Schreiner: Counter (BRD 2004) # Andy Warhol: Screen Tests (USA 1963-66) # Klaus Wyborny: Sulla (BRD 2002) # Yi Yi-Fan: Yan Mo (Before the Flood; China 2004)


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